Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerfreiheit für Vermietungsumsätze bei der Unterbringung von Sozialhilfeempfängern

 

Leitsatz (NV)

1. Die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG 1980 erstreckt sich auf die Vermietung einzelner Teile eines Grundstücks, z. B. einzelner Wohn- und Schlafräume.

2. Für die Anwendung des § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG 1980 ist entscheidend die aus den äußeren Umständen ableitbare Absicht des Unternehmers, die Räume zur vorübergehenden Beherbergung bereitzuhalten.

3. Bietet ein Unternehmer dieselben Räume wahlweise zur lang- oder kurzfristigen Anmietung an, so sind sämtliche Umsätze steuerpflichtig.

 

Normenkette

UStG 1980 § 4 Nr. 12 S. 1 Buchst. a, S. 2

 

Verfahrensgang

FG Berlin

 

Tatbestand

Der Kl. und Revisionskl. (Kl.) mietete Etagen in Miethäusern an, von denen er Wohn- und Schlafräume an einzelne Mieter vermietete, hauptsächlich an Asylbewerber und sonstige Sozialhilfeempfänger; darüber hinausgehende Dienstleistungen wurden vom Kl. nicht erbracht. Die Kosten der Unterbringung wurden von den betreffenden Bezirksämtern durch Kostenübernahmebescheinigungen übernommen, in denen darauf hingewiesen ist, daß kein Mietverhältnis zwischen dem Kl. und dem Land . . . begründet werde. Im Streitjahr (1980) nahm der Kl. 59 Asylbewerber auf, von denen sich 25 ca. einen Monat oder weniger, 15 zwischen 1 ‹ und 3 Monaten, 17 zwischen 3 ‹ und 6 Monaten sowie zwei 7 Monate beim Kl. aufhielten. Die im Jahre 1980 vom Kl. aufgenommenen 26 deutschen Sozialhilfeempfänger verweilten beim Kl. überwiegend zwischen 3 und 14 Tagen, in zwei Fällen über einen Monat und in weiteren zwei Fällen ca. 2 Monate.

Der Kl. meldete seine Betätigung beim betreffenden Bezirksamt als gewerbliche Zimmervermietung an. Auf Schildern an den Eingangstüren der Häuser wies der Kl. auf eine gewerbliche Zimmervermietung hin.

Während der Kl. in seiner Umsatzsteuererklärung 1980 seine Betätigung als steuerfrei gemäß § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG 1980 behandelte, hielt der Bekl. und Revisionsbekl. (das FA) diese für steuerpflichtig und setzte mit Bescheid vom 3. September 1981 die Umsatzsteuer 1980 entsprechend fest. Mit der Einspruchsentscheidung vom 20. April 1982 setzte das FA auf Grund von Feststellungen durch eine Umsatzsteuersonderprüfung die Umsatzsteuerschuld weiter herauf.

Die Klage wurde vom FG mit der Begründung abgewiesen, der Kl. könne die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG 1980 nicht in Anspruch nehmen; denn es liege eine kurzfristige Beherbergung vor (§ 4 Nr. 12 Satz 2 UStG 1980). Der Kl. habe die Räume überwiegend an Asylbewerber vermietet. Bei diesen ergebe sich die bloß vorübergehende Einmietung bzw. Unterbringung schon aus der Natur der Sache, so daß derartige Fälle nicht mit üblicher Wohnungsvermietung verglichen werden könnten, die allein habe begünstigt werden sollen. Die tatsächliche Verweildauer der Mieter des Kl. belege, daß eine bloß vorübergehende Beherbergung vorgelegen habe. Von den 59 Asylbewerbern hätten sich 40, d. h. 2/3, weniger als 3 Monate beim Kl. aufgehalten und 17 weniger als 6 Monate. Die von ihnen beim Kl. gemieteten Räume seien für die Asylbewerber mithin eine Art Durchgangsstation gewesen, die nach relativ kurzer Zeit wieder verlassen worden sei. Entsprechendes gelte für die 26 deutschen Sozialhilfeempfänger, die überwiegend, nämlich mit einer Zahl von 22 Personen, weniger als 14 Tage beim Kl. verweilt hätten.

Angsichts der kurzen Verweildauer sei es unerheblich, daß die Mieter sich hätten polizeilich anmelden müssen. Die Tauglichkeit der polizeilichen Anmeldung als Beweisanzeichen für eine nicht nur vorübergehende Beherbergung entfalle, wenn die Unterbringung auf Grund anderer Umstände erkennbar und vorhersehbar nur vorübergehend sein solle und wenn sich wirklich eine nur verhältnismäßig kurze Verweildauer ergebe. Dann ähnele die betreffende Betätigung mehr einem Hotelbetrieb als einer üblichen Wohnungsvermietung.

Die übrigen Umstände rundeten das Bild einer vorübergehenden Beherbergung ab, insbesondere die auf eine gewerbliche Zimmervermietung hinweisenden Schilder sowie die Anmietung als Gewerberäume seitens des Kl.

Mit der Revision beantragt der Kl., die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung und den Umsatzsteuerbescheid 1980 aufzuheben. Er rügt Verletzung des § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG 1980 durch Nichtanwendung.

Das FA ist der Revision entgegengetreten.

 

Entscheidungsgründe

Auf die Revision des Kl. wird die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

1. Gemäß § 4 Nr. 12 UStG 1980 sind u. a. steuerfrei die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken (Satz 1 Buchst. a). Von der Steuerfreiheit ausgenommen ist u. a. die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält (Satz 2).

a) Wie der BFH entschieden hat, erstreckt sich die Steuerfreiheit auf Grund des § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG 1967/73 auch auf die Vermietung einzelner Teile eines Grundstücks, wie z. B. von einzelnen Wohn- und Schlafräumen (vgl. BFH-Urteile vom 30. Juli 1986 V R 99/76, unter II B 1 b, BFHE 147, 284, BStBl II 1986, 877, und vom 20. April 1988 X R 5/82, unter 1 a, BFHE 153, 451, BStBl II 1988, 795). Gleiches gilt für die Steuerfreiheit auf Grund des § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG 1980.

b) Zum Ausschluß der Steuerfreiheit durch Satz 2 der erörterten Vorschrift hat der BFH auf Grund der Gesetzesfassungen des UStG 1967 bzw. 1973 dahin erkannt, daß es insoweit nicht auf die tatsächliche Dauer der Vermietung ankommt, sondern entscheidend die aus den äußeren Umständen ableitbare Absicht des Unternehmers ist, die in Frage stehenden Räumlichkeiten nur zur vorübergehenden Beherbergung bereitzuhalten (vgl. BFH-Urteile in BFHE 147, 284, BStBl II 1986, 877, unter II B 1 c, und in BFHE 153, 451, BStBl II 1988, 795, unter 1 a, sowie vom 13. September 1988 V R 46/83, BFHE 154, 280, BStBl II 1988, 1021). Bietet ein Unternehmer dieselben Räume wahlweise zur lang- oder kurzfristigen Anmietung an, so sind sämtliche Umsätze steuerpflichtig (vgl. BFH-Urteile in BFHE 153, 451, BStBl II 1988, 795, unter 1 b und c, und in BFHE 154, 280, BStBl II 1988, 1021).

c) An dieser Rechtslage hat sich durch die Neufassung des § 4 Nr. 12 Satz 2 im UStG 1980 nichts geändert. Wie der Regierungsentwurf ergibt, hat lediglich eine redaktionelle Änderung vorgenommen werden sollen (vgl. BTDrucks 8/1779 S. 8 und 33 f.).

2. Das FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen, indem es seine Entscheidung vor allem auf die wirkliche Dauer der Unterbringung abgestellt hat. Die Vorentscheidung war deshalb aufzuheben.

3. Die Sache ist nicht spruchreif und war daher zurückzuverweisen. Es fehlen Feststellungen dazu, ob der Kl. die aus den äußeren Umständen ableitbare Absicht hatte, die Räumlichkeiten nur zur kurzfristigen Beherbergung bzw. zur wahlweisen kurz- oder langfristigen Anmietung bereitzuhalten, wobei die Steuerfreiheit ausgeschlossen wäre, oder ob seine Absicht allein auf langfristige Vermietung gerichtet war. Diesbezügliche Feststellungen wird das FG nachholen müssen.

 

Fundstellen

BFH/NV 1990, 532

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