Entscheidungsstichwort (Thema)

Restkaufgeld stellt nur bei effektiver Zahlungspflicht Anschaffungskosten dar

 

Leitsatz (NV)

1. Hat eine Klägerin kein Vorverfahren in Gang gesetzt, so ist eine ihr gegenüber ergangene Einspruchsentscheidung aufzuheben.

2. Die Vermögensübertragung zur vorweggenommenen Erbfolgeregelung gegen die Zusage von Ausgleichszahlungen an Geschwister und einer Abstandszahlung an den Übergeber ist ein teilentgeltliches Rechtsgeschäft. Die Gleichstellungsgelder und die Abstandszahlung führen zu Anschaffungskosten des Übernehmers.

3. Wird eine Restkaufgeldforderung in ein Darlehen umgewandelt, das bis zum Tod des Gläubigers nicht getilgt werden muß, so stellt das Restkaufgeld keine Anschaffungkosten dar, wenn sich durch den Tod des Gläubigers Forderung und Schuld in der Person des Schuldners als dem Alleinerben des Gläubigers vereinigen.

 

Normenkette

EStG § 7 Abs. 1, 4, § 10 Abs. 1 Nr. 1a, § 12 Nr. 2

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger bezieht u. a. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung eines Mietwohngrundstücks. Vorerbin dieses Grundstücks war die Mutter des Klägers, Nacherben waren der Kläger und seine Schwester.

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 11. Juni 1979 übertrug die Mutter des Klägers diesem das Grundstück im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Der Kläger verpflichtete sich in dem Vertrag, seiner Schwester zur Abgeltung aller Erb- und Pflichtteilsansprüche der Mutter, ihm und dem vorverstorbenen Vater gegenüber einen Betrag von . . . DM zu zahlen. Weiterhin enthält der Vertrag folgende Vereinbarung:

,,Die Erschienene zu 1) beläßt ihrem Sohn, dem Erschienen zu 3), einen Betrag in Höhe von . . . DM als Restkaufgelddarlehen. Dieser Betrag ist vom Lieferungstage an mit 6 v. H. jährlich, 1/4 jährlich nachträglich fällig, zu verzinsen. Eine Kündigung dieses Kapitalbetrages ist bis zum Tode der Erschienenen zu 1) ausgeschlossen.

Zur Sicherung dieses Restkaufgelddarlehens soll in das Grundbuch des übertragenen Grundstücks im Range nach Vorlasten bis zur Höhe von . . . DM nebst bis zu 12 v. H. jährlichen Zinsen und Nebenleistungen eine Hypothek eingetragen werden."

In seiner Einkommensteuer-Erklärung für das Streitjahr 1979 machte der Kläger Absetzungen für Abnutzung (AfA) von 2 v. H. der aus der Abfindung und dem Restkaufgelddarlehen ermittelten Anschaffungskosten, außerdem Schuldzinsen - auch an die Mutter gezahlte - und Geldbeschaffungskosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte den Abzug dieser Aufwendungen ab. Das FA gewährte lediglich die AfA nach § 11d der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV).

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte im wesentlichen aus, es handele sich um einen unentgeltlichen Erwerb. Sowohl die Abfindung der Schwester wie auch die Restkaufgeldschuld gegenüber der Mutter seien Auflagen im Rahmen einer Schenkung. Wegen der Unentgeltlichkeit des Erwerbs könnten auch die geltend gemachten Schuldzinsen nicht als Werbungskosten abgezogen werden.

Dagegen richten sich die Revisionen der Kläger.

Die Kläger tragen im wesentlichen vor, es handele sich um einen entgeltlichen Erwerb. AfA sei in Höhe von . . . DM (2 v. H. aus . . . DM für 6 Monate) und Schuldzinsen und Geldbeschaffungskosten in Höhe von . . . DM (Zinsen und Kreditkosten für Abfindung . . . DM, Geldbeschaffungskosten für Abfindung . . . DM und Zinsen an Mutter . . . DM) als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung anzuerkennen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revisionen sind begründet.

1. Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Entscheidung in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Vorentscheidung ist aufzuheben, weil das FG rechtsfehlerhaft die Einspruchsentscheidung des FA nicht aufgehoben hat. Das FA durfte eine Einspruchsentscheidung gegen die Klägerin nicht erlassen; denn sie hat keinen Einspruch gegen den Einkommensteuer-Bescheid 1979 eingelegt. Diesen hat nur der Kläger erhoben.

Bei der Durchführung des Vorverfahrens (§ 44 Abs. 1 FGO) handelt es sich um eine Sachentscheidungsvoraussetzung, deren Vorliegen der Bundesfinanzhof (BFH) als Revisionsgericht von Amts wegen ohne Beachtung der in § 118 Abs. 2 und 3 FGO enthaltenen Einschränkungen zu überprüfen hat (vgl. BFH-Urteil vom 24. September 1985 IX R 47/83, BFHE 145, 299, BStBl II 1986, 268). Die Klägerin hat kein Vorverfahren in Gang gesetzt. Die ihr gegenüber ergangene Einspruchsentscheidung ist aufzuheben.

2. Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

a) Rechtsfehlerhaft hat das FG den Erwerb des Grundstücks durch den Kläger als voll unentgeltlich beurteilt. Es handelt sich dabei um ein teilentgeltliches Rechtsgeschäft.

Der Vertrag vom 11. Juni 1979 enthält eine vorweggenommene Erbfolgeregelung, wobei die Schwester des Klägers allerdings nicht nur als spätere Erbin in Betracht kam, sondern bereits als Nacherbin ein Anwartschaftsrecht auf das Grundstück hatte. Der Senat kann offenlassen, ob bürgerlich-rechtlich die Abfindung dieses Anwartschaftsrechts als Auflage einer Schenkung beurteilt werden kann. Wie der Große Senat des BFH mit Beschluß vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89 (BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847) entschieden hat, ist für das Einkommensteuerrecht nicht an die bürgerlich-rechtliche Beurteilung anzuknüpfen. Maßgebend ist vielmehr, ob der Übernehmer eigene Aufwendungen erbringt, um das Vermögen übertragen zu erhalten. Die Vermögensübertragung zur vorweggenommenen Erbfolgeregelung gegen die Zusage von Ausgleichszahlungen an Geschwister und einer Abstandszahlung an den Übergeber ist ein teilentgeltliches Rechtsgeschäft. Die Gleichstellungsgelder und die Abstandszahlung führen zu Anschaffungskosten des Übernehmers. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des Großen Senats im genannten Beschluß unter C II. 2.

Dem Kläger sind danach in Höhe des an seine Schwester zu leistenden Betrags von . . . DM Anschaffungskosten für das Grundstück entstanden.

Dagegen kann das zwischen dem Kläger und seiner Mutter vereinbarte ,,Restkaufgeld" nicht als Anschaffungskosten anerkannt werden; denn insoweit hat der Kläger mangels Minderung des Vermögens keine Aufwendungen. Wie sich aus dem Vertrag, der keine ausdrückliche Vereinbarung einer Abstandszahlung an die Mutter enthält, ergibt, ist der Kläger tatsächlich nicht verpflichtet, das ,,Restkaufgeld" zu zahlen. Nach der Darlehensvereinbarung ist das Darlehen und damit auch das zugrundeliegende ,,Restkaufgeld" nicht zu tilgen. Eine Zahlung bis zum Tode der Mutter ist nicht vorgesehen, da das Darlehen bis zu diesem Zeitpunkt unkündbar ist. Nach dem Tode der Mutter kommt eine Zahlung nicht mehr in Betracht, weil sich dann Schuld und Forderung in der Person des Klägers als dem Alleinerben nach seiner Mutter vereinigen.

b) Zu Unrecht hat das FG die mit der Zahlung der . . . DM an die Schwester des Klägers zusammenhängenden Schuldzinsen und Geldbeschaffungskosten nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung anerkannt. Diese Aufwendungen des Klägers sind nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) abziehbar; denn die Schuldaufnahme diente der Finanzierung von Anschaffungskosten (BFH-Urteil vom 18. November 1980 VIII R 194/78, BFHE 132, 522, BStBl II 1981, 510).

c) Dagegen können die an die Mutter des Klägers geleisteten Zinsen nicht als Werbungskosten abgezogen werden. Die nach § 607 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) getroffene Darlehensvereinbarung kann steuerrechtlich nicht anerkannt werden. Vereinbarungen zwischen nahen Angehörigen können der Besteuerung grundsätzlich nur dann zugrundegelegt werden, wenn sie bürgerlich-rechtlich wirksam abgeschlossen und sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entspricht (vgl. BFH-Urteil vom 10. August 1988 IX R 220/84, BFHE 154, 503, BStBl II 1989, 137, m. w. N.). Die Darlehensvereinbarung zwischen dem Kläger und seiner Mutter hält einem Fremdvergleich nicht stand. Unter fremden Dritten ist ein Vereinbarungsdarlehen über eine Schuld, die niemals zu tilgen ist, unüblich. Der zwischen Fremden üblichen Sicherung des Darlehens, die der Kläger und seine Mutter vereinbart haben, kommt bei der übrigen Gestaltung keine Bedeutung zu.

d) Die Vorentscheidung ist aus den unter a) und b) genannten Gründen aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Für die Berechnung der AfA sind Feststellungen dazu erforderlich, in welchem Umfang der Kläger das Grundstück unentgeltlich erworben hat; denn insoweit richtet sich die Bemessungsgrundlage nach den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten des Rechtsvorgängers (§ 11d EStDV). Hinsichtlich des entgeltlich erworbenen Teils ist Bemessungsgrundlage für die AfA der an die Schwester bezahlte Betrag, soweit er auf das Gebäude entfällt. Die Sache wird an das FG zurückverwiesen, damit es die entsprechenden Feststellungen - Ermittlung der Verkehrswerte des Grundsücks, des Grund und Bodens und des Gebäudes im Zeitpunkt der Übertragung des Grundstücks - nachholt und danach den Umfang des unentgeltlichen Erwerbs sowie die Bemessungsgrundlage für die AfA auf die Anschaffungskosten des Klägers bestimmt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 63006

BFH/NV 1991, 309

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