Leitsatz (amtlich)

Eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die sich nicht unternehmerisch betätigt, ist grundsätzlich keine Einrichtung, die i. S. von § 5 Abs. 2 LStDV 1971 ein "Geschäftsjubiläum" begehen kann. Zuwendungen an ihre Arbeitnehmer aus Anlaß ihres Jubiläums sind deshalb nicht steuerfrei.

 

Normenkette

EStG 1971 § 3 Nr. 52; LStDV 1971 § 5 Abs. 1-2

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts; sie unterhält keinen Betrieb gewerblicher Art. Im Jahre 1971 zahlte sie aus Anlaß ihres 50jährigen Bestehens ihren Arbeitnehmern jeweils bis zu 350 DM, ohne von diesen Zuwendungen Lohnsteuer einzubehalten. Der Beklagte und Revisionskläger (FA) forderte deswegen von der Klägerin mit Haftungsbescheid 2 747,52 DM Lohnsteuer und Lohnkirchensteuer nach, weil die Klägerin als Körperschaft des öffentlichen Rechts kein "Geschäfts"-Jubiläum begehen könne.

Nach erfolglosem Einspruch gab das FG der Klage mit dem in EFG 1975, 426 veröffentlichten Urteil statt. Das FG führte im wesentlichen folgendes aus:

Zum steuerpflichtigen Arbeitslohn gehörten nicht Jubiläumsgeschenke des Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer anläßlich seines "Geschäftsjubiläums" (§ 5 Abs. 2 LStDV). Der Begriff des "Geschäfts" i. S. der genannten Bestimmung sei nicht so klar umrissen, daß eine einschränkende Auslegung i. S. des FA zulässig wäre. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch habe ein Arzt oder ein Rechtsanwalt kein "Geschäft"; dennoch gehe das FA zu Recht davon aus, daß solche Freiberufler ein "Geschäftsjubiläum" haben könnten. Entsprechend müsse auch für andere Arbeitgeber der Begriff des Geschäftsjubiläums weit ausgelegt werden. Nur eine solche umfassende Auslegung sei verfassungskonform.

Arbeitnehmer von Körperschaften des öffentlichen Rechts dürften steuerlich nicht schlechter behandelt werden als Arbeitnehmer, die bei privatrechtlich organisierten Arbeitgebern beschäftigt seien. Der Hinweis des FA, daß Arbeitgeber des Privatrechts mit den Risiken des freien Wettbewerbs belastet seien und ihnen deshalb die "Vergünstigung" zustehe, steuerfreie Zulagen an ihre Arbeitnehmer zu zahlen, sei nicht stichhaltig, weil § 5 Abs. 2 LStDV nicht Arbeitgeber, sondern Arbeitnehmer begünstige. § 5 LStDV stelle zweierlei Jubiläen gegenüber: Solche des Arbeitnehmers und solche des Arbeitgebers. Der Grund für die Verwendung des Wortes "Geschäftsjubiläum" sei darin zu sehen, daß es keinen Oberbegriff gebe, der das Geschäft des Kaufmanns, die Praxis des Arztes, den Herstellungsbetrieb eines Fabrikanten und die Wirkungsstätte einer Körperschaft oder Stiftung des öffentlichen Rechts umfasse.

Es komme hinzu, daß Zuwendungen aus Anlaß eines Geschäftsjubiläums im Grundsatz steuerfreie Gelegenheitsgeschenke seien. Bei Gelegenheitsgeschenken werde aber nie zwischen privatrechtlichen und öffentlichrechtlichen Arbeitgebern unterschieden mit der Wirkung, daß nur die von Arbeitgebern des Privatrechts gezahlten Gelegenheitsgeschenke steuerfrei seien.

Das FA rügt mit der Revision insbesondere eine Verletzung des § 3 Nr. 52 EStG 1971 i. V. m. § 5 Abs. 2 LStDV sowie Nichtbeachtung von Landesrecht. Im einzelnen trägt es vor: Die Begriffe "Geschäft" und "Geschäftsjubiläum" i. S. des § 5 Abs. 2 LStDV seien zwar nicht klar umrissen. Sie bezögen sich aber nur auf "Unternehmen". Die Klägerin als Körperschaft des öffentlichen Rechts erfülle jedoch ausschließlich öffentlich-rechtliche und nicht unternehmerische Aufgaben. Sie betreibe kein "Geschäft" i. S. des § 5 Abs. 2 LStDV. Das Vorliegen eines Geschäftsjubiläums müsse bei der Klägerin ebenso verneint werden wie bei Behörden, Gerichten und anderen staatlichen Einrichtungen ohne wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb.

Diese Auffassung verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wie das FG meine. Nach § 5 Abs. 2 LStDV seien nur Zuwendungen aus Anlaß des Jubiläums der Arbeitgeber begünstigt, deren Geschäft 25 Jahre oder ein Mehrfaches hiervon bestehe. Von der Vergünstigung, aus diesem Anlaß steuerfreie Jubiläumsgeschenke zu erhalten, seien u. a. die Arbeitnehmer ausgeschlossen, deren Arbeitgeber zwar ein Jubiläum habe, der aber Jubiläumsgeschenke nicht gewähre. Auch die Arbeitnehmer der öffentlichen Verwaltung kämen nicht in den Genuß der Bestimmung, weil es der Lebens- und Verkehrsauffassung entspreche, daß Behörden, Verwaltungen, Schulen, Gerichte usw. kein "Geschäftsjubiläum" hätten. Nur bei Betrieben gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts, die ein eigenes Jubiläum feierten, könne es anders sein. Wenn die Arbeitnehmer der Klägerin also wie alle anderen Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst von der Vergünstigung des § 5 Abs. 2 LStDV ausgenommen seien, so sei darin kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz zu sehen.

Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.

Nach § 3 Nr. 52 EStG 1971 i. V. m. § 5 Abs. 2 LStDV 1971 gehören zum steuerpflichtigen Arbeitslohn nicht Jubiläumsgeschenke des Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer anläßlich eines Geschäftsjubiläums, soweit sie eine bestimmte Höhe nicht übersteigen und gegeben werden, weil das Geschäft 25 Jahre oder ein Mehrfaches von 25 Jahren besteht. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt, da die Klägerin, die im Streitjahr ihr 50jähriges Bestehen feierte, kein "Geschäftsjubiläum" hatte.

1. Nach § 3 Nr. 52 EStG 1971 können "besondere Zuwendungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer" nach näherer Maßgabe einer Rechtsverordnung steuerfrei belassen werden. Das Einkommensteuer gesetz verlangt nicht, daß die begünstigten Arbeitnehmer in bestimmten Unternehmen oder Betrieben tätig sind, weshalb die Vergünstigung des § 5 Abs. 1 LStDV 1971 allen Arbeitnehmern - gleichgültig, ob sie im öffentlichen oder privaten Dienst beschäftigt sind - bei ihrem Jubiläum (Arbeitnehmerjubiläum) zugute kommt. Dagegen hat der Verordnungsgeber die Steuerfreiheit von Jubiläumszuwendungen anläßlich des Jubiläums des "Arbeitgebers" in § 5 Abs. 2 LStDV 1971 auf "Geschäftsjubiläen" beschränkt. Der Senat versteht unter "Geschäftsjubiläum" das Jubiläum einer "Einrichtung", die sich in irgendeiner Weise unternehmerisch betätigt; denn nur ein solches Unternehmen hat ein "Geschäft". Ein Geschäftsjubiläum kann demnach lediglich haben, wer sich am wirtschaftlichen Leben gewerblich oder beruflich zur Gewinnerzielung beteiligt. Diese Voraussetzung liegt bei der Klägerin als einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, deren Aufkommen im wesentlichen aus Beiträgen ihrer Zwangsmitglieder besteht, nicht vor.

Für dieses Verständnis der Bestimmung des § 5 Abs. 2 LStDV 1971 spricht ihre historische Entwicklung, aber auch der allgemeine Sprachgebrauch.

a) Ursprünglich wurden aufgrund der Ermächtigung im Einkommensteuergesetz Zuwendungen aus Anlaß eines "Firmenjubiläums" begünstigt. Schon dies zeigt, daß zunächst nur daran gedacht war, Arbeitnehmer von Handelsunternehmen (§§ 17 bis 19 HGB) in den Genuß von steuerfreien Zuwendungen aus Anlaß des "Unternehmensjubiläums" kommen zu lassen. Jedenfalls waren unter "Firmenjubiläen" keine Jubiläen von Körperschaften des öffentlichen Rechts zu verstehen.

Da die Bezeichnung "Firmenjubiläum" sich insoweit als zu eng erwies, als sie bei jeder Änderung der Firma auch bei fortbestehendem Unternehmen (Geschäft) die Begünstigung ausschloß, wurde der Begriff "Firmenjubiläum" durch "Geschäftsjubiläum" ersetzt (Änderungsverordnung vom 30. Dezember 1959, BGBl I 1960, 1, BStBl I 1960, 26). Dies ergibt sich aus der Begründung zu dieser Verordnung, in der ausgeführt wird, daß mit der Änderung die Steuerfreiheit auch für solche Fälle erreicht werden sollte, in denen das "Geschäft" als solches die erforderliche Zeit bestanden hat (vgl. Bundestags-Drucksache 353/59 vom 9. November 1959, 1). Daraus wird ersichtlich, daß der Verordnungsgeber nach wie vor nur Zuwendungen bei Unternehmensjubiläen begünstigen wollte, wenn auch unabhängig davon, wie lange die "Firma" des Unternehmens bestanden hat. Aus der Begründung zur genannten Änderungsverordnung ist dagegen nicht, wie die Klägerin vorträgt, zu entnehmen, daß der Begriff Geschäftsjubiläum "wirtschaftlich" und damit, wie die Klägerin meint, umfassender ausgelegt werden soll.

b) Auch nach dem allgemeinen Sprachgebrauch kann eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die sich nicht unternehmerisch betätigt, nicht als "Geschäft" bezeichnet werden. Wer in einer Schule, einem Gericht oder sonst in einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (ohne Betrieb gewerblicher Art) beschäftigt ist, geht nicht ins "Geschäft". Daß ein Gericht eine "Geschäftsstelle" oder ein Parlament eine "Geschäftsordnung" hat, spricht entgegen der Auffassung des FG nicht dafür, daß es sich bei solchen Institutionen um "Geschäfte" handelt. Dies bedeutet vielmehr nur, daß bei ihnen "Geschäfte" anfallen (vgl. z. B. auch den "Geschäftswert" in Kostensachen, § 18 der Kostenordnung), die von der Geschäftsstelle abgewickelt oder in der Geschäftsordnung geregelt werden.

2. Der Verordnungsgeber konnte, ohne gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG zu verstoßen, von der weitergehenden Ermächtigung in der Weise Gebrauch machen, daß er nur Zuwendungen anläßlich eines "Geschäftsjubiläums" in dem vorstehend verstandenen Sinn begünstigte, da es sich bei dem Jubiläum eines Unternehmens und dem einer Körperschaft des öffentlichen Rechts um unterschiedliche Sachverhalte handelt.

Die Arbeitnehmer eines Unternehmens, das auf Gewinnerzielung ausgerichtet ist, tragen durch ihre Tätigkeit mit dazu bei, ob das Unternehmen gedeiht, weiterbesteht und schließlich ein Jubiläum feiern kann. Der Inhaber des Unternehmens, der das Jubiläum begeht und deshalb Zuwendungen an seine Arbeitnehmer tätigt, dankt damit seinen Arbeitnehmern für ihren Beitrag zum Fortbestehen des Unternehmens. Insofern liegt ein besonderer persönlicher Anlaß für die Zuwendungen vor. Für Arbeitnehmer einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, die öffentliche Aufgaben erfüllt, die sich nicht unternehmerisch betätigt und deren Wohl und Existenz nicht von der Tätigkeit dieser Arbeitnehmer abhängt, ist die Wiederkehr des Entstehungstages demgegenüber kein so besonderer persönlicher Anlaß; denn diese Einrichtung verdankt ihnen nicht ihre Entstehung und ihren Fortbestand; sie hat nicht mit Hilfe der Arbeitnehmer "Gewinne" erwirtschaftet.

Die vorstehend vertretene Auffassung stimmt im Ergebnis mit dem Urteil des Senats vom 26. Juni 1969 VI R 190/67 (BFHE 97, 8, BStBl II 1969, 747) überein. Der Senat hat in dieser Entscheidung ausgeführt, daß für ein Geschäftsjubiläum nicht nur Gewerbebetriebe natürlicher oder juristischer Personen des bürgerlichen Rechts in Betracht kommen. Mit Rücksicht darauf, daß es allein um die Steuerfreiheit der dem Arbeitnehmer gewährten Bezüge gehe, seien nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz die als Arbeitgeber auftretenden Eigenbetriebe einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft jedenfalls dann unter § 5 Abs. 2 LStDV 1971 zu rechnen, wenn sie in Art eines Gewerbebetriebs tätig würden. Der Senat hat also insoweit ein Geschäftsjubiläum für Betriebe anerkannt, die sich als ein Teil einer Körperschaft des öffentlichen Rechts unternehmerisch betätigen, so daß auch die Arbeitnehmer auf das "Unternehmensergebnis" Einfluß nehmen können.

Da die Vorentscheidung von anderen rechtlichen Erwägungen ausgegangen ist, war sie aufzuheben; die Klage gegen den Haftungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung war abzuweisen.

 

Fundstellen

BStBl II 1978, 60

BFHE 1978, 460

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