Leitsatz (amtlich)

1. Nach der im Erhebungszeitraum 1964 geltenden Rechtslage ist eine gewerbesteuerrechtliche Organschaft zwischen einer im Handelsregister eingetragenen Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmens und der in sie eingegliederten inländischen Kapitalgesellschaft nicht anzuerkennen.

2. Diese Regelung widerspricht nicht dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 12 A DBAS.

 

Normenkette

GewStG § 2 Abs. 2 Nr. 2; DBA SWE vom 15. Juli 1931 i.d.F. des Zusatzprotokolls vom 20. März 1959 Art. 3; DBA SWE vom 15. Juli 1931 i.d.F. des Zusatzprotokolls vom 20. März 1959 Art. 12A

 

Tatbestand

Gegenstand des Unternehmens der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer Aktiengesellschaft, ist die ...

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) lehnte es ab, die Klägerin als Organ der Beigeladenen, einer schweizerischen ... gesellschaft mit Direktion in Deutschland, anzuerkennen. Entsprechend setzte das FA gegen die Klägerin den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag für das Jahr 1964 fest.

Die Sprungklage der Klägerin hatte keinen Erfolg. Das FG begründete seine Ansicht, daß ein Organschaftsverhältnis nicht vorliege, damit, daß die "Muttergesellschaft" kein inländisches Unternehmen sei. Die inländische Zweigniederlassung der Schweizer Gesellschaft sei als ein unselbständiger Teil des Gesamtunternehmens anzusehen; die Klägerin sei daher in das schweizerische Gesamtunternehmen ihrer Muttergesellschaft eingegliedert.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin unrichtige Anwendung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 des GewStG. Im Organschaftserlaß des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 23. Oktober 1959 (BStBl II 1959, 161) werde näher bestimmt, welche Gebilde als "inländische Unternehmen" Organträger sein könnten. Dort werde u. a. von "Vermögensmassen" gesprochen. Die Zweigniederlassung der Beigeladenen sei eine solche Vermögensmasse. Sie werde wirtschaftlich wie ein vom ausländischen Unternehmen losgelöster selbständiger Betrieb geführt. Es werde eine Verlust- und Gewinnrechnung sowie ein fortlaufender Vermögensstatus nur für dieses "inländische Unternehmen" aufgestellt. Aus § 2 GewStG in Verbindung mit den §§ 15 und 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG ergebe sich eindeutig, daß es sich bei den auf Grund dieser Vorschriften festgestellten Einkünften der deutschen Zweigniederlassung nur um Einkünfte der Muttergesellschaft aus dem im Inland betriebenen gewerblichen Unternehmen handele. Im Konkursfalle werde auch für ein ausländisches Unternehmen ein Sonderkonkurs für den deutschen Geschäftsbetrieb eröffnet (§ 238 der Konkursordnung - KO -).

Die Nichtanerkennung der gewerbesteuerlichen Organschaft zwischen der Beigeladenen und der Klägerin widerspreche ferner dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 12 A des Abkommens zwischen dem Deutschen Reiche und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der direkten Steuern und der Erbschaftsteuern vom 15. Juli 1931 in der Fassung des Zusatzprotokolls vom 20. März 1959 - DBAS - (BGBl II 1959, 1252, BStBl I 1959, 1006). Die ungerechtfertigte Besteuerung der Klägerin schmälere auch das Vermögen der Beigeladenen, da das Kapital der Klägerin in voller Höhe in den Händen der Beigeladenen liege.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil des FG aufzuheben und eine gewerbesteuerliche Organschaft zwischen ihr und der Beigeladenen anzuerkennen.

Das FA und der dem Verfahren beigetretene BdF beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Der BdF hat in einer ausführlichen Stellungnahme insbesondere die Ansicht vertreten, daß die Nichtanerkennung einer Organschaft im Streitfall das Diskriminierungsverbot des Art. 12 A DBAS nicht verletze.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

I. Die Voraussetzungen für die Anerkennung der Klägerin als Organ der Beigeladenen nach den Vorschriften des GewStG sind nicht gegeben.

1. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG in der für den Erhebungszeitraum 1964 geltenden Fassung vor Inkrafttreten des Art. 3 Nr. 1a des Gesetzes zur Änderung des Körperschaftsteuergesetzes und anderer Gesetze vom 15. August 1969 (BGBl I, 1182, BStBl I 1969, 471) gilt ein Unternehmen der in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 GewStG genannten Art, wenn es dem Willen eines anderen inländischen Unternehmens derart untergeordnet ist, daß es keinen eigenen Willen hat, als Betriebstätte dieses Unternehmens. Was als inländisches Unternehmen in diesem Sinne anzusehen ist, wird im GewStG nicht ausdrücklich bestimmt. Jedoch läßt sich aus dem Sinnzusammenhang, in den die Vorschrift des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG gestellt ist, schließen, daß die Begriffe Gewerbebetrieb und Unternehmen im Sinne des GewStG identisch sind. Das ergibt sich einmal aus § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG, nach dem unter Gewerbebetrieb ein gewerbliches Unternehmen (im Sinne des Einkommensteuergesetzes) zu verstehen ist. So werden im Falle der von der Rechtsprechung des BFH für die Gewerbesteuer wiederholt anerkannten sog. Unternehmenseinheit nicht etwa mehrere Gewerbebetriebe zu einem Unternehmen zusammengefaßt; vielmehr führt die Unternehmenseinheit auch zur Annahme eines einheitlichen Gewerbetriebs (BFH-Urteil vom 7. März 1961 I 251/60 S, BFHE 72, 578, BStBl III 1961, 211). Auch der Bezug der Worte "solches Unternehmen" in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG auf die in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 aufgeführten Rechtsgebilde, deren Tätigkeit stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb gilt, macht die übereinstimmende Bedeutung der Begriffe Unternehmen und Gewerbebetrieb deutlich.

2. Aus der inhaltlichen Übereinstimmung der Begriffe Gewerbebetrieb und Unternehmen folgt, daß eine inländische Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmens nicht als inländisches Unternehmen angesehen werden kann. Der Gewerbebetrieb im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG ist nicht die Zweigniederlassung, sondern das ausländische Unternehmen. Dieses unterliegt allerdings der Gewerbesteuer nur, soweit es im Inland betrieben wird. Im Inland betrieben wird ein Gewerbebetrieb, "soweit für ihn im Inland eine Betriebstätte unterhalten wird" (§ 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG). Die Zweigniederlassung ist nur inländische Betriebstätte des den Gewerbebetrieb bildenden ausländischen Unternehmens (§ 16 Abs. 2 Nr. 2 StAnpG). Ebenso ist im Sinne des von der Klägerin herangezogenen § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG ("Einkünfte aus Gewerbebetrieb, für den im Inland eine Betriebstätte unterhalten wird") die Zweigniederlassung als Betriebstätte eines ausländischen gewerblichen Unternehmens anzusehen.

3. Daß die Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmens selbst als inländisches Unternehmen zu betrachten sei, kann auch nicht aus der seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Körperschaftssteuergesetzes und anderer Gesetze vom 15. August 1969 geltenden Fassung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 GewStG (GewStG 1968) hergeleitet werden.

a) Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG 1968 erfordert die Anerkennung einer Organschaft, daß eine Kapitalgesellschaft "in ein anderes inländisches Unternehmen in der Weise eingegliedert ist, daß die Voraussetzungen des § 7a Abs. 1 Nr. 1 und 2 KStG erfüllt sind". Die Vorschrift des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 GewStG 1968 bestimmt ergänzend: "Dies gilt sinngemäß, wenn die Eingliederung im Sinne der vorbezeichneten Vorschriften im Verhältnis zu einer inländischen im Handelsregister eingetragenen Zweigniederlassung eines ausländischen gewerblichen Unternehmens besteht." Diese Vorschrift ist für den streitigen Erhebungszeitraum noch nicht anzuwenden (Art. 3 Nr. 4 des Gesetzes vom 15. August 1969). Sie bedeutet aber auch keine "Klarstellung" in dem Sinne, daß die Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmens selbst als ein inländisches Unternehmen anzusehen sei. Das Gegenteil läßt schon die Wortfassung ("Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmens") erkennen.

b) Auch aus der Entstehungsgeschichte des § 2 Abs. 2 Nr. 2 GewStG 1968 kann nichts für die Annahme hergeleitet werden, daß diese Vorschrift lediglich eine schon vorher bestehende Regelung klarstellen sollte. Die in § 2 Abs. 2 Nr. 2 GewStG 1968 vorgesehene Ausdehnung der Organschaft auf die Eingliederung in die Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmens steht im engen Zusammenhang mit § 7a Abs. 6 des KStG 1968, der die Gewinnabführungsverpflichtung gegenüber einem ausländischen Unternehmen mit Zweigniederlassung im Inland behandelt. Eine entsprechende Regelung hatte der Entwurf der Bundesregierung zur Änderung des Körperschaftsteuergesetzes und anderer Gesetze zunächst nicht vorgesehen (vgl. Art. 1 und 3 des Regierungsentwurfs, Bundestags [BT]-Drucksache V/3017). Eingang fand dieser Sonderfall der Organschaft durch einen Beschluß des Finanzausschusses des BT (vgl. den Schriftlichen Bericht des Finanzausschusses, Drucksache V/3882, Art. 3 Nr. 1). Die Ausführungen im Schriftlichen Bericht des Finanzausschusses (Bericht des Abgeordneten Dr. Koch) lassen zu der Frage, welche Rechtslage bis zur Neuregelung der Organschaft gegolten hat, mindestens einen neutralen Standpunkt erkennen. Eine weitergehende Bedeutung kann dem Hinweis im Bericht des Finanzausschusses, die Finanzverwaltung habe in Einzelfällen die körperschaftsteuerliche Organschaft zu inländischen Zweigniederlassungen ausländischer Kapitalgesellschaften auch schon bisher anerkannt, nicht beigemessen werden. Im übrigen käme auch der subjektiven Ansicht eines Gesetzgebungsorgans darüber, was nach bisherigem Recht gegolten hat, für die Auslegung dieses Rechts allein keine Bedeutung zu.

II. Die Klägerin kann sich auch nicht auf den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 12 A DBAS berufen.

1. Art. 12 A Abs. 3 DBAS bestimmt, daß die Besteuerung einer Betriebsstätte, die ein Unternehmen eines der beiden Staaten in dem anderen Staate hat, nicht ungünstiger sein darf als die Besteuerung von Unternehmen dieses anderen Staates, das die gleiche Tätigkeit ausübt. Diese Bestimmung entspricht Art. 24 Abs. 4 des OECD-Musterabkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung des Einkommens und des Vermögens (Bericht des Steuerausschusses der OECD 1963, Bonn 1965). Sie wird vom Steuerausschuß der OECD a. a. O. S. 197 unter Nr. 14 kommentiert. Auf diese erläuternden Ausführungen beruft sich die Klägerin. Ihr Hinweis geht jedoch fehl, weil Art. 12 A Abs. 3 DBAS im Streitfall nicht durchgreift. Soweit es hier um die Besteuerung der Klägerin geht, scheitert die Anwendung des Art. 12 A Abs. 3 DBAS daran, daß die Klägerin ein selbständiges inländisches Unternehmen ist, während Art. 12 A Abs. 3 DBAS die Besteuerung ausländischer Unternehmen regelt. Sofern der vorliegende Rechtsstreit auch die Besteuerung der Beigeladenen berührt, gilt folgendes: Als Betriebstätte der Beigeladenen nach Art. 12 A Abs. 3 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 DBAS kommt die inländische Zweigniederlassung in Betracht. Außerdem könnte die Beteiligung der Beigeladenen an der Klägerin eine Betriebstätte dann begründen, wenn für die Ausübung des Einflusses der Beigeladenen auf die Leitung des Unternehmens der Klägerin eine ständige Geschäftseinrichtung der Beigeladenen bei der Klägerin vorhanden wäre (Abs. 3 des Schlußprotokolls zu Art. 3 DBAS). Bei der steuerlichen Behandlung dieser Betriebsstätten würde die Beigeladene indes nicht dadurch schlechter gestellt, daß der auf die Klägerin entfallende einheitliche Gewerbesteuermeßbetrag nicht der Beigeladenen, sondern der Klägerin selbst zugerechnet wird.

2. Auch Art. 12 A Abs. 4 DBAS greift nicht durch.

a) Diese Bestimmung hat folgenden Wortlaut:

"Die Unternehmen eines der beiden Staaten, deren Kapital ganz oder teilweise, unmittelbar oder mittelbar, einer Person mit Wohnsitz im anderen Staat oder mehreren solchen Personen gehört oder der Kontrolle dieser Personen unterliegt, dürfen in dem erstgenannten Staate keiner Besteuerung oder einer damit zusammenhängenden Verpflichtung unterworfen werden, die anders oder belastender ist als die Besteuerung und die damit zusammenhängenden Verpflichtungen, denen andere ähnliche Unternehmen des erstgenannten Staates unterworfen sind oder unterworfen werden können."

Art. 12 A Abs. 4 DBAS ist auf inländische Kapitalgesellschaften zugeschnitten (vgl. Urteil des BFH vom 8. Januar 1969 I 158/64, BFHE 95, 378, BStBl II 1969, 466). "Diese Bestimmung und die durch sie beseitigte Diskriminierung beziehen sich nur auf die Besteuerung der Unternehmen, nicht aber auf die der Personen, die das Kapital der Unternehmen besitzen oder kontrollieren. Die Bestimmung soll also sicherstellen, daß allen in einem Staat ansässigen Personen die gleiche Behandlung zuteil wird, nicht aber, daß das in den Händen der Gesellschafter befindliche Auslandskapital der gleichen Behandlung unterworfen wird wie das Inlandskapital" (OECD-Musterabkommen, Bericht des Steuerausschusses, a. a. O., S. 198).

b) Im Streitfall trifft es zu, daß die Klägerin nicht selbst zur Gewerbesteuer heranzuziehen wäre, wenn das Unternehmen, in das sie nach Art einer Organgesellschaft eingegliedert ist, ein inländisches Unternehmen wäre. Ein solches in eine inländische Muttergesellschaft eingegliedertes Unternehmen kann indes für den im Rahmen des Art. 12 A Abs. 4 DBAS anzustellenden Vergleich mit "ähnlichen Unternehmen" nicht herangezogen werden. In beiden Fällen wird an jeweils unterschiedliche "personenbezogene" Merkmale angeknüpft, die eine differenzierende steuerrechtliche Behandlung gestatten. In einem Fall (inländischer Organträger) wird der im Inland erwirtschaftete Gewinn des Organs im Inland steuerlich erfaßt (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG), im anderen Fall des ausländischen Organträgers jedoch nicht. Die Freistellung von der inländischen Gewerbesteuer würde demnach innerhalb des Organkreises mit ausländischer Muttergesellschaft zu einer Besserstellung gegenüber denjenigen Unternehmen führen, die in ein inländisches Unternehmen eingegliedert sind (vgl. die Grundsätze des Urteils vom 30. Oktober 1973 I R 38/70, BFHE 111, 235, BStBl II 1974, 255).

c) Art. 12 A Abs. 4 DBAS kommt aber auch dann nicht zum Zuge, wenn eine inländische Kapitalgesellschaft nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch (vgl. § 3 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung a. F.) in eine inländische im Handelsregister eingetragene Zweigniederlassung eines ausländischen gewerblichen Unternehmens eingegliedert ist. Diese Zweigniederlassung ist nach Art. 3 Abs. 2 DBAS Betriebsstätte des ausländischen Unternehmens. Eine Eingliederung von Kapitalgesellschaften in Betriebstätten, also in Teile anderer Unternehmen, kannte das im Streitjahr geltende Gewerbesteuerrecht nicht. Es fehlt daher für die Anwendung des Art. 12 A Abs. 4 DBAS an vergleichbaren anderen inländischen Unternehmen, denen gegenüber die Klägerin durch die Nichtanerkennung der Organschaft benachteiligt sein könnte.

 

Fundstellen

BStBl II 1974, 616

BFHE 1974, 345

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