Leitsatz (amtlich)

Aufwendungen für die Beschaffung einer Erstlingsausstattung für Zwillinge führen nicht zu einer außergewöhnlichen Belastung.

 

Normenkette

EStG §§ 32-33

 

Tatbestand

Der Kläger, ein Fabrikant mit einem zu versteuernden Einkommen von ca. 34 000 DM, beantragte in seiner Einkommensteuererklärung 1965 Steuerermäßigung wegen außergewöhnlicher Belastung nach § 33 EStG für die Beschaffung einer Erstlingsausstattung für seine im Jahre 1965 geborenen Zwillinge. Er bezifferte den Wert der Ausstattung auf 2 737,63 DM.

Das FA lehnte den Antrag ab und wies den Einspruch als unbegründet zurück.

Das FG wies die Klage als unbegründet zurück; es war der Meinung, die in Rede stehenden Aufwendungen seien steuerlich durch die Kinderfreibeträge abgegolten.

Der Senat hat auf die Beschwerde des Klägers die Revision zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

Mit der Revision rügt der Kläger die unrichtige Anwendung der §§ 32 und 33 EStG. Er meint, die Kosten einer Erstlingsausstattung müßten nach § 33 EStG berücksichtigt werden. Sie seien nicht durch den Kinderfreibetrag des § 32 EStG abgegolten, denn dieser betreffe nur die laufenden Aufwendungen für den Unterhalt des Kindes. Die Rechtsprechung des BFH gehe fehl. § 32 EStG setze das Bestehen eines Kindschaftsverhältnisses voraus. Der Gesetzgeber habe nicht die Kosten einer Erstlingsausstattung, die in den aufgeführten Beispielen regelmäßig nicht anfalle, durch § 32 EStG mitgeregelt wissen wollen. Diese Auslegung ergebe sich auch aus Art. 6 GG, der die Gründung und Erhaltung von Familien institutionell begünstigen wolle. Aber selbst wenn man der Rechtsprechung des BFH folge, greife jedenfalls im Fall einer Zwillingsgeburt § 33 EStG ein. Zum Beispiel seien die Eltern von Zwillingen gezwungen, ein Doppelbett oder ein Etagenbett sowie einen Zwillingskinderwagen zu kaufen. Auch die nur ca. sechs Wochen getragene Erstlingsausstattung müsse doppelt angeschafft werden. Die Zwillingsausstattung könne nicht erneut gebraucht werden. Auf 77 Normalgeburten komme eine Zwillingsgeburt und die Wahrscheinlichkeit, daß ein Ehepaar ein zweites Mal Zwillinge bekomme, sei gering. Die Eltern von Zwillingen seien schlechtergestellt, weil sich ihre Aufwendungen wegen des zeitlichen Zusammentreffens mehrerer Geburten massierten. Der BFH habe der Massierung von Kosten eine besondere Behandlung widerfahren lassen. Dies selbst dann, wenn die Massierung von Kosten aufgrund freiwilliger Entscheidungen des Steuerpflichtigen erfolgt sei. Um so mehr müßten massierte Kosten, deren Eintritt zwangsläufig, d. h. jedweder Einwirkungsmöglichkeit entzogen sei, besonders behandelt werden.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision hat keinen Erfolg.

Durch den Kinderfreibetrag nach § 32 EStG werden alle laufenden Aufwendungen für den Unterhalt und die Berufsausbildung des Kindes abgegolten, und zwar auch dann, wenn die Aufwendungen in einzelnen Jahren das übliche Maß übersteigen. Diese Aufwendungen können in der Regel nicht als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG geltend gemacht werden, denn sie sind durch die Gewährung der Kinderfreibeträge in typisierender Weise abgegolten. Zusätzlich werden nur noch die Kosten für eine etwaige auswärtige Unterbringung nach § 33a Abs. 2 Satz 3 EStG durch einen Freibetrag berücksichtigt.

Zu den durch den Freibetrag nach § 32 EStG abgegoltenen Unterhaltskosten gehören auch die Ausgaben für die Erstlingsausstattung eines Kindes. An dieser Auffassung (vgl. Urteile des Senats VI 168/63 U vom 28. Februar 1964, BFH 79, 193, BStBl III 1964, 302; VI 99/64 vom 4. Dezember 1964, HFR 1965, 501) hält der Senat fest. Es würde dem Sinn der gesetzlichen Regelung des § 32 EStG widersprechen, zwischen den Kosten der Erstlingsausstattung und später entstehenden zu unterscheiden. Dafür besteht der Sache nach auch kein Anlaß. Zum Unterhalt eines Kindes gehören nicht nur anläßlich seiner Geburt, sondern im Verlaufe des Heranwachsens stets die Anschaffung bestimmter Einrichtungsgegenstände und die Bekleidung. Eine Neu- und auch Erstausstattung ist in der Regel auch später, z. B. zum Schulbesuch, für Sport und Freizeit vonnöten. Auch diese Aufwendungen sind nicht als außergewöhnlich anzusehen. Ob die angeschafften Gegenstände verbraucht oder nach einer gewissen Weile fortgegeben werden, spielt dabei keine Rolle. Es ist deshalb auch unerheblich, daß die Erstausstattung eines Babys nicht so lange benutzt werden kann, bis sie verbraucht ist.

Der Senat ist entgegen der Revision auch nicht der Ansicht, daß die Erstlingsausstattung für Zwillinge anders anzusehen sei. Gewiß entstehen höhere Unkosten. Zum Ausgleich dafür werden aber auch zwei Kinderfreibeträge gewährt, und zwar betrug im Jahr 1965 der Freibetrag für das erste Kind 1 200 DM, der für das zweite Kind 1 680 DM. Die mit dem Freibetrag für ein Kind gewährte steuerliche Vergünstigung bleibt hinter den tatsächlich entstehenden Unkosten für ein Kind in demselben Verhältnis zurück, wie die steuerliche Berücksichtigung für zwei Kinder hinter den Unkosten für zwei Kinder. Auch der in diesem Rechtsstreit oft genannte Zwillingskinderwagen kostet nicht mehr als zwei Einzelkinderwagen. Eine besondere Massierung von Kosten tritt im Verhältnis zu den vom EStG gewährten Vergünstigungen nicht ein. Die Tatsache, daß Zwillingsgeburten sehr selten vorkommen, ist für sich allein ebenfalls kein Grund, die mit dieser Zwillingsgeburt im Zusammenhang stehenden Kosten als außergewöhnliche Belastungen anzusehen. Die von der Revision angeführte mangelnde spätere Verwendbarkeit der Erstlingsausstattung könnten z. B. alle Eltern von Einzelkindern geltend machen. Der Gesetzgeber hat die Typisierung in § 32 EStG aber gerade geschaffen, um nicht eine Fülle von individuell gelagerten Einzelfällen entscheiden und zuvor in die Privatsphäre des Steuerbürgers eindringen zu müssen. Ein Verstoß gegen Art. 6 GG ist in dieser Handhabung nicht zu erblicken. Denn auch angesichts des im GG verankerten Willens des Gesetzgebers zur Familienförderung hat der Gesetzgeber die Kinderfreibeträge nicht so hoch bemessen, daß die durch den Unterhalt und die Berufsausbildung von Kindern entstehenden Kosten stets abgedeckt werden.

Neben dem Kinderfreibetrag kann nach geltendem Recht eine Steuerermäßigung nur gewährt werden, wenn dem Steuerpflichtigen durch besondere Umstände für das Kind höhere Kosten erwachsen als anderen Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse und gleichen Familienstandes. Zu denken ist in diesem Zusammenhang z. B. an Krankheitskosten (vgl. BFH-Urteil VI 215/63 U vom 4. Dezember 1964, BFH 81, 467, BStBl III 1965, 169, die Unterbringung in einer Heil- und Pflegeanstalt betreffend). Die Kosten für ärztliche Betreuung zunächst schwächlich veranlagter Kinder aus Mehrlingsgeburten könnten berücksichtigt werden. Der Senat schließt nicht aus, daß unter ganz besonderen Umständen auch durch eine Mehrlingsgeburt Kosten entstehen können, die zu einer außergewöhnlichen Belastung führen. Im zu entscheidenden Fall hat die Vorinstanz solche besonderen Umstände jedoch nicht gesehen. Die vorgetragenen Verhältnisse rechtfertigen deren Annahme auch nicht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68902

BStBl II 1970, 242

BFHE 1970, 162

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