Entscheidungsstichwort (Thema)

Hinzurechnung von Dauerschulden zum Gewerbekapital

 

Leitsatz (NV)

Eine Erweiterung oder Verbesserung des Betriebs i. S. des § 8 Nr. 1 GewStG setzt voraus, daß der betroffenen Maßnahme ein den Gründungs- oder Erwerbsvorgängen vergleichbares Gewicht zukommt.

 

Normenkette

GewStG § 8 Nr. 1, § 12 Abs. 2 Nr. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, betreibt eine . . . Sie verlagerte ihren Betrieb von der Innenstadt in A. an den Stadtrand. Zum Bilanzstichtag 31. Dezember 1977 bestanden Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit der Betriebsverlagerung gegenüber Lieferanten von . . . DM. Dabei handelte es sich nach Angaben der Klägerin im wesentlichen um die Anschaffung von Maschinen und maschinellen Anlagen. Die betreffenden Rechnungen wurden innerhalb der vereinbarten Zahlungsfristen bezahlt. Für einen Teil der genannten Verbindlichkeiten lagen zum Bilanzstichtag noch keine Rechnungen vor.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) behandelte die Verbindlichkeiten im Anschluß an eine Außenprüfung als Dauerschulden und rechnete sie dem Gewerbekapital hinzu. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Zur Begründung führte das Finanzgericht (FG) im wesentlichen aus:

Die Verbindlichkeiten seien Dauerschulden nach den §§ 12 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. 8 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG), weil sie im Zusammenhang mit der Erweiterung und Verbesserung des Betriebs der Klägerin gestanden hätten. Die Klägerin habe mit der Betriebsverlagerung die Gesamtkapazität verdoppelt und die Betriebsabläufe nach neuesten Erkenntnissen und Methoden gestaltet. Bei einem Investitionsvolumen von ca. . . . DM komme der Errichtung des neuen Betriebs am Stadtrand ein den Gründungs- und Erwerbsvorgängen vergleichbares Gewicht zu. Die den Erweiterungs- und Verbesserungsmaßnahmen entsprechenden Verbindlichkeiten seien unabhängig davon Dauerschulden, da sie nicht kreditiert und innerhalb geschäftsüblicher Fristen nach Rechnungseingang beglichen worden seien. Die Laufzeit der Verbindlichkeiten behalte nur für laufende Geschäftsvorfälle im wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Erweiterung oder oder Verbesserung des Betriebs Bedeutung (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 6. November 1985 I R 297/82, BFHE 146, 91, BStBl II 1986, 415; vom 15. November 1983 VIII R 179/83, BFHE 140, 96, BStBl II 1984, 213; Beschluß vom 3. November 1982 I S 12/82, nicht veröffentlicht). Als laufende Geschäftsvorfälle seien Warenlieferungen im gewöhnlichen Geschäftsgang des Unternehmens aber nicht - wie im Streitfall - Anschaffungsvorgänge im Bereich des Anlagevermögens anzusehen.

Mit der wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung der Vorschriften des § 12 Abs. 2 Nr. 1 i. .V. m. § 8 Nr. 1 GewStG. Bei einer Anwendung dieser Vorschriften nach ihrer Entstehungsgeschichte und ihrem Sinn und Zweck könnten Schulden, die wirtschaftlich mit einer Erweiterung oder Verbesserung des Betriebs zusammenhängen, dem Einheitswert des gewerblichen Betriebs nur dann hinzugerechnet werden, wenn sie als Kredit zu diesem Zweck aufgenommen worden seien und das Betriebskapital nicht nur vorübergehend verstärkt hätten. Nach der Gesetzesbegründung komme es bei Dauerschulden darauf an, daß durch ihre Aufnahme dem Gewerbebetrieb nicht nur vorübergehend fremde Mittel dienstbar gemacht würden. Der Sinn und Zweck des Gesetzes liege darin, das objektivierte Gewerbekapital zu besteuern. Gewerbekapital solle neben dem Eigenkapital das Fremdkapital sein, das der Steuerpflichtige bei der Gründung, Erweiterung und Verbesserung des Betriebs aufnehme, um fehlendes Eigenkapital zu ersetzen. Der ausschließlich mit Eigenkapital finanzierende Gewerbetreibende solle nicht schlechter gestellt werden als der Gewerbetreibende, der ausschließlich oder teilweise mit Fremdkapital arbeite. Im Streitfall habe die Klägerin jedoch nicht fehlendes Eigenkapital durch Lieferantenkredite ersetzt. Zum Bilanzstichtag habe sie . . . DM zur Finanzierung der Investitionen angesammelt. Die Erfassung diese aktivierten Bankbestände und der passivierten Lieferantenverbindlichkeiten und deren Hinzurechnung zum Gewerbekapital bedeute eine doppelte Erfassung. Es werde nicht das objektivierte Gewerbekapital ausgewiesen. Aus Rechtsprechung und Schrifttum sei kein Fall ersichtlich, in dem Lieferantenverbindlichkeiten im Zusammenhang mit der Erweiterung und Verbesserung des Betriebs, die nicht zu verzinsen und innerhalb geschäftsüblicher Frist zu tilgen seien, als Dauerschulden eingeordnet würden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Dem Gewerbekapital sind die im Einheitswert festgestellten Lieferantenverbindlichkeiten in vollem Umfang hinzuzurechnen.

Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung werden dem Einheitswert des Betriebsvermögens die Verbindlichkeiten, die den Schuldzinsen i. S. des § 8 Nr. 1 GewStG entsprechen, hinzugerechnet, soweit sie bei der Feststellung des Einheitswertes abgezogen worden sind. Bei den Verbindlichkeiten, die den Schuldzinsen i. S. des § 8 Nr. 1 GewStG entsprechen, unterscheidet der BFH in ständiger Rechtsprechung (Urteile vom 4. Oktober 1988 VIII R 168/83, BFHE 155, 389, BStBl II 1989, 299; in BFHE 146, 91, BStBl II 1986, 415; vom 19. Januar 1984 IV R 26/81, BFHE 140, 281, BStBl II 1984, 376; in BFHE 140, 96, BStBl II 1984, 213; vom 30. Juni 1971 I R 55/68, BFHE 103, 80, BStBl II 1971, 750) zwischen den Schulden, die wirtschaftlich mit der Gründung oder dem Erwerb des Betriebes (Teilbetriebes) oder eines Anteiles am Betrieb oder mit einer Erweiterung oder Verbesserung des Betriebes zusammenhängen (erste Tatbestandsgruppe) und den Schulden, die der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen (zweite Tatbestandsgruppe). Die Vorschrift des § 8 Nr. 1 GewStG stellt die beiden Tatbestandsgruppen alternativ nebeneinander. Verbindlichkeiten der ersten Tatbestandsgruppe sind regelmäßig ohne Rücksicht auf ihre Laufzeit Dauerschulden. Das lediglich in der zweiten Tatbestandsgruppe genannte Zeitmoment (,,nicht nur vorübergehende" Verstärkung des Betriebskapitals) ist aber bei der Auslegung der ersten Tatbestandsgruppe nicht gänzlich außer acht zu lassen. Es behält Bedeutung für die laufenden Geschäftsvorfälle.

Eine Erweiterung oder Verbesserung des Betriebs i. S. des § 8 Nr. 1 GewStG setzt voraus, daß der betroffenen Maßnahme ein den Gründungs- oder Erwerbsvorgängen vergleichbares Gewicht zukommt (BFH in BFHE 155, 389, BStBl II 1989, 299 m.w.N.; Urteil vom 16. November 1978 IV R 192/75, BFHE 126, 305, BStBl II 1979, 151).

Dies ist im Streitfall gegeben, so daß der Einwand der Klägerin, die Verbindlichkeiten seien jeweils kurzfristig innerhalb geschäftsüblicher Fristen nach Rechnungseingang beglichen worden, nicht durchgreift. Die Klägerin hat mit einem Aufwand von ca. . . . DM ihren Betrieb aus der Innenstadt an den Stadtrand verlagert. Auch wenn bereits vorhandene Gegenstände des Anlagevermögens durch neuartige Wirtschaftsgüter ersetzt wurden, geschah dies in einem Umfang, der über gewöhnliche Erhaltungs- und Ersatzaufwendungen hinausging. Nach der Funktion und der wirtschaftlichen Bedeutung, die dem erworbenen und hergestellten Anlagevermögen innerhalb des Betriebsorganismus zufiel, kann nicht fraglich sein, daß die Klägerin eine Investitionsentscheidung getroffen hat, die wirtschaftlich einer Betriebsgründung entspricht. Die Finanzierung eines laufenden Geschäftsvorfalls scheidet somit aus (BFH in BFHE 155, 389, BStBl II 1989, 299 m.w.N.; in BFHE 126, 305, BStBl II 1979, 151).

Auch der Hinweis der Klägerin auf ihr ausreichendes Eigenkapital zur Finanzierung der Lieferantenverbindlichkeiten rechtfertigt keine andere Beurteilung. Verbindlichkeiten sind auch dann als Dauerschulden zu behandeln, wenn zu ihrer Tilgung ausreichende liquide Mittel in dem Betrieb vorhanden sind. Die Schuld einerseits und die liquiden Mittel andererseits sind jeweils selbständige Wirtschaftsgüter (BFH in BFHE 155, 389, BStBl II 1989, 299; BFHE 146, 91, BStBl II 1986, 415). Nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (Urteil vom 7. Dezember 1938 VI 707/38, RStBl 1939, 330) ist eine Ausnahme in dem Fall denkbar, daß die liquiden Mittel mit der Dauerschuld rechtlich so eng verbunden sind, daß sie eine andere Bedeutung, als zur Tilgung der Dauerschulden dienen, überhaupt nicht mehr haben. Davon kann im Streitfall keine Rede sein. Die Klägerin konnte über ihr Bankguthaben frei verfügen. Sie mußte es nicht zur Tilgung der Lieferantenverbindlichkeiten verwenden.

Dieses Ergebnis steht nicht im Widerspruch zum Realsteuercharakter der Gewerbesteuer (vgl. dazu Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Mai 1969 1 BvR 25/65, BVerfGE 26, 1, BStBl II 1969, 424 m.w.N.). Zwar kann danach bei ausreichendem Dauerbetriebskapital (vgl. dazu BFH-Urteil vom 18. August 1959 I 137/58 U, BFHE 69, 453, BStBl III 1959, 430) eine nur vorübergehende - d. h. nach den gewerbesteuerrechtlichen Grundsätzen noch vor Jahresfrist aufgefüllte - Finanzierungslücke nicht zu der Annahme einer Dauerschuld führen (BFH in BFHE 126, 305, BStBl II 1979, 151). Wie der Senat (BFH in BFHE 140, 96, BStBl II 1984, 213) aber entschieden hat, ist die Auffassung der Gesetzesbegründung zu § 8 Nr. 1 GewStG 1936, daß die zweite Tatbestandsgruppe die Fälle der ersten Tatbestandsgruppe umfassen sollte (RStBl 1937, 693, 695), im Wortlaut des § 8 Nr. 1 GewStG 1936 ff. nicht zum Ausdruck gekommen. In den Fällen der ersten Tatbestandsgruppe des § 8 Nr. 1 GewStG kommt es - bis auf die laufenden Geschäftsvorfälle - gerade nicht darauf an, ob die als Dauerschuld zu beurteilende Verbindlichkeit das Betriebskapital auf Dauer verstärkt, ob also wie im Streitfall ausreichendes Eigenkapital vorhanden ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417173

BFH/NV 1991, 115

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