Entscheidungsstichwort (Thema)

Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen bei Dienstreisen im S-Bahn-Bereich

 

Leitsatz (NV)

Auch für Dienstreisen innerhalb des S-Bahn-Bereichs einer Stadt, in der der Arbeitnehmer seine regelmäßige Arbeitsstätte hat, sind grundsätzlich die in den LStR vorgesehenen Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen ungekürzt zu gewähren.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) wurde für die Streitjahre 1974 und 1975 mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Er bezog als kaufm. Angestellter Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und war in den Streitjahren innerhalb und außerhalb des S-Bahn-Bereiches München für die Firma A tätig. In den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre machte er u.a. Reisekosten als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Nach den von ihm geführten Reiseberichten war er 1974 an 69 Tagen über 12 Stunden und an 2 Tagen zwischen 10 und 12 Stunden und 1975 an 70 Tagen über 12 Stunden und an einem Tag zwischen 10 und 12 Stunden im S-Bahn-Bereich unterwegs.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte auch in der Einspruchsentscheidung für die Dienstreisen des Klägers im S-Bahn-Bereich nicht die vollen Pauschbeträge des Abschn. 21 Abs. 5 Nr. 3a und b der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) 1972 bzw. des Abschn. 25 Abs. 6 Nr. 3 a, aa und b LStR 1975, sondern nur 14 DM bei einer Abwesenheit von mehr als 12 Stunden und 11 DM bei einer Abwesenheit von 10 bis 12 Stunden, weil der Ansatz der vollen Pauschbeträge zu einer unzutreffenden Besteuerung führe. Denn der Kläger habe in diesem Nahbereich günstige Essensgelegenheiten gekannt. Zudem sei anzunehmen, daß er nur jeweils eine Zwischenmahlzeit auswärts eingenommen habe.

Die Klage hatte insoweit Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung im wesentlichen aus:

Der Senat gehe mit den Beteiligten davon aus, daß der Kläger nach den Angaben in seinen Reiseberichten Dienstreisen i. S. von Abschn. 21 Abs. 2 LStR 1972 und Abschn. 25 Abs. 2 LStR 1975 durchgeführt habe. Bei den für die Streitjahre geltenden Pauschbeträgen für Verpflegungsmehraufwand komme eine Korrektur regelmäßig nicht in Betracht. Denn zum einen sei der Dienstreisebegriff ab 1972 durch die Beschränkung auf eine Entfernung vom Arbeits- bzw. Wohnort auf 15 km enger gefaßt worden, zum anderen sei bei der Anwendung der LStR seit dem Jahr 1973 eine Aufteilung in eintägige und mehrtägige Dienstreisen vorgesehen. Die Finanzverwaltung habe am 1. November 1973 ihre Richtlinien entsprechend angepaßt und für eintägige Dienstreisen niedrigere Pauschbeträge festgesetzt (Schreiben des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 30. Oktober 1973 IV B 6 - S 2338 - 88/73, BStBl I 1973, 682). Die vom FA für Dienstreisen im S-Bahn-Bereich anerkannten Beträge seien für das Jahr 1974 nach dem Schreiben des BMF vom 30. Oktober 1973 (a.a.O., 1 a i.V.m. Abschn. 21 Abs. 5 Nr. 3b LStR 1972) und für das Jahr 1975 gemäß Abschn. 25 Abs. 6 Nr. 3 a, aa und b LStR 1975 bei einem vollen Reisetag um (30 DM ./. 14 DM =) 16 DM und bei mehr als zehnstündiger Abwesenheit um (24 DM ./. 11 DM =) 13 DM zu erhöhen.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Das FG habe zu Unrecht die Kürzung der Pauschbeträge generell für unzulässig gehalten. Der Ansatz von Reisekosten ohne Einzelnachweis durch Pauschbeträge beruhe auf den LStR der Finanzverwaltung. Zu dieser Regelung gehörten auch Abschn. 21 Abs. 5 Nr. 3d, bb LStR 1972 und Abschn. 25 Abs. 6 Nr. 3e, bb LStR 1975, die den Ansatz der Pauschbeträge ausschlössen, wenn dies zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen würde. Eine unzutreffende Besteuerung trete insbesondere ein, wenn die Gegebenheiten einer Dienstreise nach der Lebenserfahrung zu der Annahme nötigten, daß Mehraufwendungen nicht oder jedenfalls nicht in ungefährer Höhe der Pauschbeträge entstanden seien. Auch wenn die LStR 1975 im Gegensatz zu den LStR 1972 zwischen ein- und mehrtägigen Dienstreisen unterschieden, bestehe dennoch ein genereller Unterschied zwischen Dienstreisen im Nahbereich - hier S-Bahn-Bereich München - und Dienstreisen, die über den Nahbereich hinausgehen. Bei Dienstreisen im Nahbereich beschränkten sich nach der Lebenserfahrung die Mehraufwendungen für Verpflegung in aller Regel auf die Einnahme einer Mahlzeit außer Haus. Frühstück und Abendessen erfolgten zu Hause. Insoweit entstünden keine Mehraufwendungen. Deswegen schlössen die LStR den vollen Ansatz der Pauschsätze in diesen Fällen aus (Abschn. 21 Abs. 5 Nr. 3 d, bb LStR 1972, Abschn. 25 Abs. 6 Nr. 3 e, bb LStR 1975). Diese Korrekturmöglichkeit sei ein unverzichtbarer Teil der gesamten Pauschbetragsregelung, der nicht aus der Gesamtregelung herausgebrochen werden dürfe, zumal es dem Steuerpflichtigen unbenommen bleibe, die entstandenen Aufwendungen unabhängig von der Pauschbetragsregelung durch Einzelnachweis geltend zu machen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind Verpflegungsmehraufwendungen insoweit als Werbungskosten anzuerkennen, als sie ganz überwiegend oder ausschließlich beruflich, insbesondere durch eine Dienstreise oder eine doppelte Haushaltsführung, veranlaßt sind (z. B. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23. April 1982 VI R 30/80, BFHE 135, 515, BStBl II 1982, 500).

Entgegen der Auffassung des FA besteht im Streitfall kein Grund, den Verpflegungsmehraufwand des Klägers nicht in Höhe der entsprechenden Pauschbeträge des Abschn. 21 Abs. 5 Nr. 3a und b LStR 1972 bzw. des Abschn. 25 Abs. 6 Nr. 3a, aa und b LStR 1975 anzusetzen.

Die in den LStR vorgesehenen Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen dienen der Vereinfachung und gleichmäßigen Durchführung des Besteuerungsverfahrens. Im Rahmen dieser Zielsetzung werden sie auch von den Steuergerichten als Tatsachengrundlage angewendet, solange die Beträge nicht wegen der Eigenart des Einzelfalls zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führen. Ihre Nichtanwendung muß angesichts ihres Zwecks auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 10. Dezember 1971 VI R 180/71, BFHE 104, 241, BStBl II 1972, 257). Bei der Prüfung der Frage, ob ein solcher Ausnahmefall vorliegt, ist ein strenger Maßstab anzulegen. Die Auffassung des FA, der Kläger habe bei seinen Dienstreisen im S-Bahn-Bereich günstige Eßgelegenheiten gekannt, auch sei wegen des begrenzten Reisegebiets anzunehmen, daß ihm nur Aufwendungen für eine Zwischenmahlzeit entstanden seien, reicht für die Nichtanwendung der Pauschbeträge nicht aus. In seinem Urteil in BFHE 135, 515, BStBl II 1982, 500 hat der Senat mit eingehender Begründung, auf die Bezug genommen wird, dargelegt, daß jedenfalls von dem Veranlagungszeitraum 1973 an nur in solchen Fällen die Nichtanwendung der Pauschsätze für Verpflegungsmehraufwendungen gerechtfertigt ist, in denen deren Anwendung zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt. Nur dann sei eine Abweichung von der vom Vereinfachungs- und Gleichbehandlungsgedanken geprägten Typisierung angebracht. In der Regel sei deshalb nicht auf das Bestehen verbilligter Eßgelegenheiten abzustellen. Die im Einzelfall gegebene Verpflegungsweise werde demgegenüber aber z. B. eine Rolle spielen, wenn offensichtlich sei, daß dem Steuerpflichtigen, wie etwa bei Teilnahme an einer Gemeinschaftsverpflegung, keine oder nahezu keine Aufwendungen für die Verpflegung entstanden seien. Als gewichtiges Indiz für eine unzutreffende Besteuerung könne es auch angesehen werden, wenn bei umfangreicher Reisetätigkeit infolge der Aufwendung der Pauschbeträge unverhältnismäßig geringe Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit verbleiben würden. Derartige Besonderheiten liegen jedoch im Streitfall nicht vor, so daß der Ansatz der vollen Pauschbeträge gerechtfertigt ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413921

BFH/NV 1986, 201

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