Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtungsklage gegen einen vEK-Bescheid

 

Leitsatz (NV)

1. Über die Befugnis zur Bildung einer Pensionsrückstellung, soweit sie die Höhe des Einkommens und der Tarifbelastung als unselbständige Grundlagen der Feststellung beeinflußt, kann nicht im vEK-Bescheid, sondern nur im gesonderten Verfahren der fingierten Feststellung im Körperschaftsteuerbescheid entschieden werden. Diese Trennung des Verwaltungsverfahrensrechts ist vom FG zu beachten.

2. Das FG darf das fingiert festzustellende Einkommen und die fingiert festzustellende Tarifbelastung einer Körperschaft nicht schätzen, sofern das FA diese Besteuerungsgrundlagen nicht fingiert festgestellt hat. Das FG muß vielmehr die erforderlichen fingierten Feststellungen anregen und abwarten.

 

Normenkette

KStG 1977 § 47; AO 1977 § 181 Abs. 1, § 155 Abs. 2, § 162 Abs. 3; FGO § 74

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine in 1966 gegründete GmbH.

In der Gesellschafterversammlung vom 15. Dezember 1975 beschlossen die Gesellschafter einstimmig, den beiden Geschäftsführern der Klägerin nach den Vorschriften des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) eine arbeitsvertraglich abzusichernde Pensionszusage in Höhe von monatlich . . . DM u. a. bei Eintritt folgender Ereignisse zu gewähren:

,,Erreichen des 65. Lebensjahres oder falls von der Möglichkeit des vorgezogenen Altersruhegelds Gebrauch gemacht wird, ist die Pension schon zu dem dann gesetzlich zulässigen vorgezogenen Altersruhegeldstermin zu bezahlen."

Entsprechend wurden die mit den Geschäftsführern geschlossenen Arbeitsverträge ergänzt.

In den Folgejahren wies die Klägerin in ihren Bilanzen Pensionsrückstellungen für ihre Geschäftsführer aus. Den Berechnungen der Pensionsrückstellungen für das Streitjahr legte sie hierbei als Pensionsalter das 63. Lebensjahr zugrunde.

Bei einer Außenprüfung vertrat der Prüfer die Ansicht, daß die Pensionsrückstellungen auf ein Pensionsalter von 65 Jahren zu berechnen seien. Der Prüfer kürzte deshalb die Pensionsrückstellung des Streitjahres . . . Dadurch erhöhte sich das zu versteuernde Einkommen unter Berücksichtigung zusätzlicher Gewerbesteuer-Rückstellungen . . . Die tarifliche Körperschaftsteuer (= 56 v. H.) betrug hiernach . . . DM, die Körperschaftsteuerschuld nach Abzug einer Tarifermäßigung gemäß § 14 Abs. 3 des Gesetzes zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer (VermBG) von . . . DM sodann . . .DM.

Unter Berücksichtigung einer Tarifbelastung von . . . DM errechnete der Prüfer deshalb den Zugang zum verwendbaren Eigenkapital mit . . . DM, den er ausgehend von einer Tarifbelastung von 33 v. H. mit . . . DM auf das EK 36 und mit . . . DM sowie einem Abrundungsbetrag von . . . DM auf das EK 02 aufteilte.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) schloß sich den Feststellungen des Prüfers an und stellte mit nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geändertem Bescheid vom 24. April 1984 die Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals zum 31. Dezember 1981 wie folgt fest . . .

Mit gleichfalls gemäß § 164 Abs. 2 AO 1977 geändertem Bescheid vom 10. Mai 1984 setzte er die Körperschaftsteuerschuld auf . . . DM fest.

Der gegen den vEK-Bescheid erhobenen Sprungklage, mit der die Klägerin beantragte, die Feststellung des verwendbaren Eigenkapitals unter Berücksichtigung von Pensionsrückstellungen in Höhe von . . . DM abzuändern, gab das Finanzgericht (FG) statt, indem es das EK 36 auf . . . DM und das EK 02 auf . . . DM veränderte.

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung des § 47 Abs. 1 und § 30 KStG 1977 i. V. m. § 8 Abs. 1 KStG 1977 und § 6 a des Einkommensteuergesetzes (EStG).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.

1. In der Vorentscheidung hat das FG entschieden, daß die Klägerin für den Veranlagungszeitraum eine Rückstellung für Pensionsverpflichtungen gegenüber ihren Gesellschafter-Geschäftsführern, bezogen auf ein Pensionsalter von 63 Jahren, bilden durfte. Damit hat es eine Entscheidungskompetenz angenommen, die ihm in dem anhängigen Verfahren über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 Abs. 1 KStG 1977 nicht zustand. Die vom FG entschiedene Frage betrifft die Höhe des Einkommens und im Streitfall ferner der Tarifbelastung der Klägerin. Beides ist im Körperschaftsteuerbescheid fingiert festzustellen (vgl. dazu Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 9. Dezember 1987 I R 35/86, BFHE 151, 566, BStBl II 1988, 466, und vom 14. März 1989 I R 105/88, BFHE 157, 72, BStBl II 1989, 741). Die fingierte Feststellung des Einkommens und der Tarifbelastung gelten als Verwaltungsakte i. S. des § 118 AO 1977 und stellen gegenüber dem Feststellungsbescheid nach § 47 Abs. 1 KStG 1977 Grundlagenbescheide dar, auf die die Regelungen der §§ 179 ff. AO 1977 Anwendung finden. Über die Befugnis der Klägerin zu der begehrten Bildung der Pensionsrückstellung, soweit sie die Höhe ihres Einkommens und ihrer Tarifbelastung als unselbständige Grundlagen der Feststellung beeinflußt, kann deshalb nur in den gesonderten Feststellungsverfahren entschieden werden. Diese Trennung des Verwaltungsverfahrensrechts ist vom FG zu beachten (vgl. BFH-Urteil vom 9. Mai 1984 I R 25/81, BFHE 141, 252, BStBl II 1984, 726).

2. Das FG durfte das fingiert festzustellende Einkommen und die fingiert festzustellende Tarifbelastung der Klägerin auch nicht gemäß §§ 181 Abs. 1, 155 Abs. 2, 162 Abs. 3 AO 1977 schätzen.

a) Das FA ist im vEK-Bescheid nicht von einer vorläufigen, sondern von einer endgültigen Erhöhung des Einkommens der Klägerin - ausgelöst durch die Versagung des begehrten Rückstellungsaufwands - ausgegangen. Denn es hat angenommen, eine gesonderte Feststellung von Grundlagen des Feststellungsbescheids nach § 47 Abs. 1 KStG 1977 sei nicht erforderlich (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juli 1983 VIII R 28/79, BFHE 139, 335, BStBl II 1984, 290). Dies ergibt sich daraus, daß das FA auch im geänderten Körperschaftsteuerbescheid vom 10. Mai 1984 das Einkommen und die Tarifbelastung der Klägerin nicht fingiert festgestellt hat. An keiner Stelle findet sich dort ein feststellender Verfügungssatz, der Aufschluß darüber geben könnte, welche Beträge i. S. des § 47 Abs. 2 Satz 2 KStG 1977 als festgestellt gelten. Vor Ergehen der Entscheidung des Senats in BFHE 151, 566, BStBl II 1988, 466 ging die Auffassung der Finanzverwaltung vielmehr dahin, daß förmliche fingierte Feststellungen des Einkommens und der Tarifbelastung entbehrlich seien.

b) Das FG durfte deshalb in dem anhängigen Verfahren über den vEK-Bescheid nicht seinerseits zu einer Schätzung gemäß § 162 Abs. 3 AO 1977 übergehen, sondern hätte die erforderlichen fingierten Feststellungen anregen und abwarten müssen (vgl. BFH in BFHE 139, 335, BStBl II 1984, 290, und zuletzt BFH-Urteil vom 20. September 1989 X R 8/86, BFHE 158, 205, BStBl II 1990, 177). Das FG hätte das anhängige Verfahren bis zum Abschluß des Feststellungsverfahrens gemäß § 74 FGO aussetzen können.

3. In dem Unterlassen der Aussetzung oder zumindest des Abwartens liegt ein von Amts wegen zu beachtender Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens (§ 118 Abs. 3, § 120 Abs. 2 FGO; BFH-Urteil vom 14. Februar 1984 VIII R 126/82, BFHE 141, 124, BStBl II 1984, 580), der gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das FG führt. Die Zulässigkeit der gegen den vEK-Bescheid als Folgebescheid erhobenen Klage kann jedenfalls nicht daran scheitern, daß gegen ihn Einwendungen erhoben wurden, die in einem erforderlichen und bisher nicht eingeleiteten Verfahren der gesonderten Feststellung des Einkommens und der Tarifbelastung zu berücksichtigen sind (vgl. BFH-Urteil vom 3. Februar 1976 VIII R 29/71, BFHE 118, 135, BStBl II 1976, 396, 398).

 

Fundstellen

Haufe-Index 417234

BFH/NV 1991, 486

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