Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifierung von Druckschriften mit Werbung

 

Leitsatz (NV)

1. Zur Zolltarifierung von Druckschriften mit werbendem Inhalt.

2. Periodische Druckschriften im Sinne von Anm. 3 zu Kap. 49 des Zolltarifs gehören selbst mit überwiegendem Werbeinhalt zu Zolltarifposition 4901. Sie sind zollfrei, aber nicht (einfuhr-)umsatzsteuerermäßigt.

 

Normenkette

KN Anm. 3 und 5 zu Kap. 49; UStG 1993 § 12 Abs. 2 Nr. 1 S. 1; UStG 1993 Anlage Nr. 49 Buchst. b

 

Tatbestand

Die Beklagte und Revisionsbeklagte (Oberfinanzdirektion -- OFD --) wies in ihrer dem Kläger und Revisionskläger (Kläger) am 28. März 1994 erteilten verbindlichen Zolltarifauskunft (vZTA) die vom ... Council herausgegebene Druckschrift " ... Household" mit etwa 398 farbig bedruckten Seiten mit Abbildungen über Produkte der Konsumgüterindustrie (teils kurz beschrieben) und Angaben über die Anbieter in Hongkong, bestimmt für Gewerbetreibende in Europa, als "(andere) periodische Druckschrift" der Unterposition 4902 9030 der Kombinierten Nomenklatur (KN) zu. Auf die Klage, mit der eine Einreihung in die Unterposition 4901 9900 (0009) KN -- "(andere) Bücher, Broschüren und ähnliche Drucke" -- begehrt wurde, hob das Finanzgericht (FG) die vZTA in Gestalt der sie bestätigenden Einspruchsentscheidung vom 23. August 1994 auf und wies die Klage im übrigen (Verpflichtung) ab. Die Ware gehöre -- so das FG -- als "Verkaufskatalog" zu Unterposition 4911 1010 KN, die die genauere Warenbezeichnung enthalte. Maßgeblich sei Anm. 5 zu Kap. 49, die Waren dieser Art in die Position 4911 weise, auch wenn es sich um periodische Druckschriften handele. Solche gehörten gemäß Anm. 3 zu Kap. 49 lediglich dann zu Position 4901, wenn sie "auch" Werbung enthielten, nicht aber, wenn sie (i. S. von Anm. 5 zu Kap. 49) "überwiegend" Werbezwecken dienten. Allein diese Abgrenzung entspreche dem zolltariflichen Zweck, Waren mit überwiegender Werbung durch Zoll zu belasten, andere Waren dagegen nicht. Zweckwidrig wäre es indessen, kämen überwiegend Werbezwecken dienende Veröffentlichungen allein infolge ihrer Herstellungsart (kartoniert oder gebunden) und der Erscheinenszeitfolge (Periodizität) in den Genuß der Zollfreiheit. Die hier vorliegende Druckschrift diene nach Aufmachung und Inhalt überwiegend Werbezwecken (Anpreisung von Waren); auf die Person des Werbungtreibenden und auf Preisangaben, die hier vorwiegend fehlten, komme es nicht an.

Der Kläger wendet sich mit der Revision gegen die Abweisung seiner Verpflichtungsklage. Insoweit treffe die Tarifauffassung des FG (Verkaufskatalog) nicht zu. Das ergebe sich schon aus der fehlenden Identität zwischen ihm -- Kläger -- als Vertreiber der Schrift und den werbenden Unternehmen, die ihrerseits nicht personengleich seien mit dem Herausgeber und Verleger. Es liege ein reiner Bezugsquellennachweis ("directory") ohne Preisangabe vor, in Gestalt eines kartonierten und gebundenen Druckwerks. Entsprechende Druckerzeugnisse würden anderweitig, auch in anderen Mitgliedstaaten, zum ermäßigten Umsatzsteuersatz vertrieben. Sie dürften sogar Werbung enthalten, ohne daß dadurch ihre Zuweisung zu Position 4901 in Frage gestellt würde. Das Wort "auch"(in Anm. 3 zu Kap. 49) habe das FG falsch gedeutet, richtig sei es so zu verstehen, daß selbst eine Ausgestaltung nur mit Werbung bei kartonierten oder gebundenen Periodika tarifierungsunschädlich sei.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die OFD zu verpflichten, eine vZTA mit Einreihung der Ware in die Unterposition 4901 9900 KN zu erteilen, hilfsweise, den Antrag "unter Zuerkennung des ermäßigten Steuersatzes" neu zu bescheiden.

Es regt weiter hilfsweise eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) an.

Die OFD beantragt, die Revision mit dem Hauptantrag zurückzuweisen und mit dem Hilfsantrag zu verwerfen, jedenfalls aber zurückzuweisen.

Sie verteidigt die Vorentscheidung und bemerkt, daß eine Einreihung nach steuerrechtlichen Grundsätzen -- Hilfsantrag -- nicht Streitgegenstand sei. Mangels eines Herausgabedatums liege kein Periodikum vor. Käme es auf die Frage der Bindungsart an, so bedürfte es weiterer Tatsachenfeststellungen.

 

Entscheidungsgründe

1. Zu entscheiden ist lediglich über die Revision gegen den klageabweisenden Teil der Vorentscheidung. Mangels einer Anfechtung, zu der der Kläger wegen Fehlens einer Beschwer auch nicht berechtigt gewesen wäre, ist die Vorentscheidung im übrigen --Aufhebung der vZTA -- in Rechtskraft erwachsen. Das Revisionsbegehren ist trotz scheinbar weitergehender Revisionsanträge allein auf die erfolgte Abweisung der Verpflichtungsklage zu beziehen. Auf den Hilfsantrag braucht nicht eingegangen zu werden, so daß dahinstehen kann, ob er, weil (auch) auf steuerrechtliche Einreihung gerichtet, als klageerweiternder Antrag im Revisionsverfahren gemäß § 123 der Finanzgerichtsordnung (FGO) unzulässig wäre (vgl. auch Gräber/Ruban, Finanz gerichtsordnung, 3. Aufl. 1993, § 123 Anm. 2, § 120 Anm. 30). Für die Entscheidung zugrunde zu legen ist der auf eine zolltarifliche Einreihungsverpflichtung zielende Hauptantrag. Insoweit ist die Revision gemäß § 116 Abs. 2 FGO zulassungsfrei statthaft und auch im übrigen zulässig.

2. In der Sache führt die Revision zur Aufhebung der Vorentscheidung, soweit die Klage abgewiesen worden ist, und in diesem Umfang zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Dessen zolltariflicher Beurteilung ist nicht zu folgen. Eine abschließende Entscheidung ist jedoch nicht möglich, da es noch weiterer tatsächlicher Feststellungen bedarf.

Die Vorinstanz hat die hier maßgebende Anm. 3 zu Kap. 49 in einer nach Ansicht des Senats nicht zutreffenden Weise ausgelegt und ist dadurch zu einem Ergebnis gelangt, das sich nicht ohne weitere Feststellungen halten läßt.

Richtig ist zwar, daß gemäß Anm. 5 zu Kap. 49 Veröffentlichungen, die überwiegend Werbezwecken dienen (z. B. Handelskataloge), nicht zu Position 4901, sondern zu Position 4911 gehören. Dies gilt jedoch nur vorbehaltlich der Anm. 3, die bezüglich der von ihr erfaßten Druckerzeugnisse eine -- vorrangige -- Sonderregelung enthält. Sie weist periodische Druckschriften, kartoniert oder gebunden ... , "auch wenn sie Werbung enthalten", der Position 4901 zu. Die Partikel "auch" ist nicht auf die Quantität des Objekts -- den Anteil am Inhalt insgesamt --, sondern auf das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein von Werbung überhaupt zu beziehen; sie hat die Bedeutung von "ebenfalls", "zugleich", "selbst" oder "sogar". Dies verdeutlicht auch die französische und englische Sprachfassung ("qu'ils contiennent ou non de la publicité"; "wether or not containing advertising material"). Eine Gegenüberstellung zu dem in Anm. 5 verwendeten Begriff "überwiegend" kommt nicht in Betracht, da die bezeichnete Tarifvorschrift nachrangigen Charakter hat. Aus dem zolltariflichen Wortlaut ergibt sich somit, daß periodische Druckschriften (jedenfalls andere als Zeitungen) sogar überwiegend oder gar ausschließlich Werbung enthalten dürfen, ohne daß dadurch die Anwendung von Anm. 3 zu Kap. 49 in Frage gestellt würde (vgl. auch Erläuterungen Harmonisiertes System -- ErlHS -- zu Position 4902 Rz. 04.0 -- zu Werbezwecken herausgegebene Veröffentlichungen). Hiervon geht auch das Umsatzsteuerrecht aus, wie daraus folgt, daß Nr. 49 Buchst. b der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes 1993 unter den steuerermäßigten Gegenständen periodische Druckschriften, auch Werbung enthaltend, aus Position 4902 anführt, mit der nur umsatzsteuerrechtlich erheblichen Einschränkung, daß Anzeigenblätter und dergleichen sowie -- allgemein -- Drucke, die überwiegend Werbezwecken dienen (Werbedrucke), nicht dazu rechnen. Die zolltarifliche Einstufung wird damit nicht nur nicht in Frage gestellt -- was auch rechtlich nicht möglich wäre --, sondern vielmehr mittelbar durch den innerstaatlichen Gesetzgeber bestätigt. Zollfreie Druckerzeugnisse können von der Steuerermäßigung ausgenommen sein (vgl. Plückebaum/Malitzky, Umsatzsteuergesetz, 10. Aufl., § 12 Abs. 2 Nr. 1, Rz. 381/1; für Druckschriften mit Werbung Senat, Urteil vom 20. Februar 1990 VII R 121/86, BFHE 160, 79, 83, BStBl II 1990, 761; dazu Anmerkung in Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung -- HFR -- 1990, 442).

Der "Zweck" der einschlägigen zolltariflichen Regelung legt keine andersartige Auslegung nahe. Es trifft nicht generell zu, daß Druckschriften mit Werbung zollbelastet sein sollen, andere (insbesondere aus den Positionen 4901, 4902) dagegen nicht. Das ergibt sich jedenfalls für die Position 4902, nach der zu den -- zollfreien -- periodischen Druckschriften auch solche mit Werbung gehören. Im Hinblick hierauf erscheint es auch nicht sachwidrig, daß periodische Druckschriften (mit Werbung), die infolge ihrer buchtypischen Aufmachung als Bücher zu tarifieren sind (ErlHS, a. a. O., Rz. 01.0), auch als solche zollfrei bleiben (Anm. 3 zu Kap. 49), obgleich andere Druckvorschriften mit überwiegender Werbung zu Position 4911 gehören (Anm. 5 zu Kap. 49) und somit zollbelastet sind.

Der Senat hält die von ihm gefundene Auslegung der maßgebenden Zolltarifvorschriften für offenkundig. Die Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH ist nicht veranlaßt.

Da das FG, nur auf den Werbeinhalt der tarifierten Schrift abstellend, die Anwendung von Anm. 3 zu Kap. 49 zu Unrecht verneint hat, kann die darauf beruhende Abweisung der Verpflichtungsklage keinen Bestand behalten.

3. Im zweiten Rechtsgang wird das FG, ausgehend von der Rechtsauffassung des Senats, zu prüfen haben, ob es sich bei der von dem Kläger vertriebenen Schrift um eine periodische Druckschrift handelt, die in kartonierter oder gebundener Form vorliegt. Die festgestellten Angaben über die Ausgabe ("Issue No. ... /94", "published bi-annually") könnten als Hinweise auf die periodische Erscheinungsweise genügen. Ob eine kartonierte oder gebundene Druckschrift vorliegt, ist trotz Erwähnung eines im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachtens (klebegebundene Broschur) offen. Insbesondere hierzu bedarf es näherer Feststellungen, die das FG, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, bislang nicht getroffen hat.

Wird keine Aufmachung in kartonierter oder gebundener Form festgestellt, so ist Anm. 3 zu Kap. 49 nicht anwendbar; dann gehört die Schrift aufgrund von Anm. 5 zu Kap. 49 zu Position 4911 KN mit der Folge, daß die Verpflichtungsklage abzuweisen wäre. Insoweit hat das FG richtig entschieden, daß die Schrift tarifierungserhebliche überwiegende Werbung enthält und daß es auf die Person des Werbungtreibenden nicht ankommt. Da sich die Revision damit begnügt, ihre bereits im Klageverfahren zurückgewiesene abweichende Auffassung -- mehrfach -- zu wiederholen, ohne sich mit der Vorentscheidung auseinanderzusetzen, sieht der Senat zu einer näheren Begründung keine Veranlassung.

Ergibt sich dagegen, daß die Schrift periodisch erscheint und kartoniert oder gebunden ist, so ist dem Verpflichtungsantrag aus den Gründen zu Nr. 2 stattzugeben. Für die zolltarifliche Einreihung kommt es auf den Werbeinhalt der Schrift nicht an. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, daß eine vZTA zwar nicht erteilt werden kann für Zwecke der inneren Umsatzsteuer (Senat, Urteil vom 20. Juni 1995 VII R 17/95, BFHE 178, 262), wohl aber, bei beabsichtigter Einfuhr aus Drittländern, für Zwecke der Einfuhrumsatzsteuer (vgl. Anmerkung zu BFHE 178, 262 in HFR 1996, 23). Soweit es sich um die umsatzsteuerrechtliche Einstufung von Druckschriften mit Werbeinhalt handelt, sind nicht zolltarifliche, sondern umsatzsteuerrechtliche Gesichtspunkte maßgebend.

 

Fundstellen

Haufe-Index 422110

BFH/NV 1997, 726

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