Leitsatz (amtlich)

Verluste, die durch Anwendung der Vergünstigung nach § 14a BerlinFG auf Teilherstellungskosten entstehen, können im Lohnsteuerermäßigungsverfahren (§ 40 Abs. 1 Nr. 6 und Abs. 2 EStG) berücksichtigt werden.

 

Normenkette

EStG § 40 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2, § 7b; BerlinFG (BGBl I 1970, 1481, BStBl I 1970, 1016) § 14a

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) hat im Januar 1971 beim Beklagten und Revisionskläger (FA) beantragt, auf seiner Lohnsteuerkarte 1971 einen Freibetrag in Höhe von 15 000 DM als erhöhte Absetzung nach § 14a des Gesetzes zur Förderung der Berliner Wirtschaft (BerlinFG) einzutragen. Er hat vorgetragen, daß er Miteigentümer eines Grundstücks in Berlin (West) sei und aufgrund einer vorhandenen Baugenehmigung im Jahre 1971 Rohbaukosten von etwa 30 000 DM erbringen werde. Das FA lehnte dies unter Hinweis auf § 26b LStDV (§ 40 Abs. 1 Nr. 6 in Verbindung mit Abs. 2 EStG) ab, der die Berücksichtigung von Sonderabschreibungen nach §§ 7 b, 54 EStG erst nach Fertigstellung des Gebäudes vorsehe. Im Einspruchsbescheid wies das FA unter Bezugnahme auf den Wortlaut des § 14a BerlinFG auch den Hinweis des Klägers zurück, daß diese Vorschrift anders als § 7b EStG Abschreibungen schon auf Teilherstellungskosten zulasse und daß hierbei Arbeitnehmer nicht schlechtergestellt werden dürften als Einkommensteuerpflichtige.

Das FG sah in der Klage eine zulässige Verpflichtungsklage. In der Sache gab es dem Klageantrag statt und erklärte das FA für verpflichtet, auf der Lohnsteuerkarte des Klägers einen Freibetrag von 7 500 DM vorläufig einzutragen. Es führte u. a. aus:

Es sei zwar daran festzuhalten, daß grundsätzlich das Lohnsteuerabzugsverfahren nicht mit Verlustauswirkungen aus anderen Einkunftsarten belastet werden solle. Wenn hierdurch aber das Erreichen eines Gesetzeszwecks erschwert werde und sich überdies eine Parallele zu § 40 Abs. 1 Nr. 6 EStG (§ 26b LStDV) geradezu aufdränge, könne das nicht mehr hingenommen werden. Der besonders gravierende Verstoß gegen Art. 3 GG sei nur zu vermeiden, wenn im Wege der Analogie zu § 40 Abs. 1 Nr. 6 EStG auch die sich bei Inanspruchnahme des § 14a BerlinFG ergebenden Verluste auf der Lohnsteuerkarte eingetragen würden.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 40 Abs. 1 Nr. 6 EStG. Es trägt u. a. vor: Das FG habe eine gesetzliche Ausnahme im Wege der Auslegung erweitert. Dies sei aber unzulässig; denn die ausdrückliche Regelung einer Ausnahme begrenze durch die Tatsache ihrer Regelung bereits ihren Geltungsbereich. Eine Gesetzeslücke liege nicht vor. § 40 EStG beziehe sich, indem er auf § 7b EStG verweise, auf erhöhte Absetzungen ab dem Jahr der Fertigstellung, während § 14a Abs. 4 BerlinFG erhöhte Absetzungen für Teilherstellungskosten ab dem Jahr der Teilherstellung zum Gegenstand habe. Diese Tatbestände seien ungleich und könnten daher auch nur ungleich behandelt werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist nicht begründet.

Der Senat hat im Urteil vom 26. Oktober 1973 VI R 10/73 (BFHE 110, 423, BStBl II 1974, 44) anerkannt, daß der sich nach § 14a BerlinFG ergebende Verlust bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nach § 40 Abs. 2 EStG in Verbindung mit § 40 Abs. 1 Nr. 6 EStG als Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte einzutragen ist. Zu diesem Ergebnis ist der Senat im Wege verfassungskonformer Auslegung des § 40 Abs. 1 Nr. 6 EStG gelangt. Er hat ausgeführt, eine Auslegung des § 40 Abs. 1 Nr. 6 EStG dahin, daß wegen der Vergünstigungen des § 14a BerlinFG ein Freibetrag nicht auf der Lohnsteuerkarte eingetragen werden dürfe, wäre mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, da sie zu einer nicht zu rechtfertigenden Benachteiligung von Lohnsteuerpflichtigen gegenüber Einkommensteuerpflichtigen führen würde.

Der Senat hat in dem Urteil VI R 10/73 die Frage, ob auch bei Teilherstellungskosten nach § 14a Abs. 4 BerlinFG ein Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte eingetragen werden kann, ausdrücklich offengelassen. Er gelangt nach Prüfung dieser Frage nunmehr zu dem Ergebnis, daß auch Verluste, die sich nach § 14a Abs. 4 BerlinFG im Anschluß an die Aufwendung von Teilherstellungskosten ergeben, nach § 40 Abs. 1 Nr. 6 EStG auf Antrag des Arbeitnehmers für die Berechnung der Lohnsteuer vom Arbeitslohn abzuziehen und nach § 40 Abs. 2 EStG auf der Lohnsteuerkarte einzutragen sind. § 14a BerlinFG muß als Einheit gesehen werden und kann deshalb hinsichtlich der Anwendung nur einheitlich beurteilt werden. Die Vorschrift ist ersichtlich auch in der Textfassung dem § 7b EStG nachgebildet. Die Erstreckung auf Teilherstellungskosten vermag ebensowenig wie die weiteren, im Interesse Berlins vorgenommenen Ausweitungen des Vergünstigungsrahmens dieser Vorschrift den an § 7b EStG ausgerichteten Gesamtcharakter zu verändern.

Eine innerhalb der Vorschrift des § 14a BerlinFG differenzierende Auslegung kann nicht mit schwerwiegenden verwaltungstechnischen Erwägungen begründet werden, die einer Anwendung auch des § 14a Abs. 4 BerlinFG schon im Lohnsteuerabzugsverfahren entgegenstünden. Einerseits kann die Zahl der Lohnsteuerpflichtigen, die die Vergünstigung für Teilherstellungskosten in Anspruch nahmen, nicht höher sein als die Zahl derjenigen, die nach Fertigstellung aufgrund des § 7b EStG ohnehin die Eintragung eines Freibetrages beantragen würden. Andererseits sind auch die Schwierigkeiten, die bei der Feststellung der Teilherstellungskosten entstehen können, keineswegs schwerwiegender als diejenigen, die von den FÄ bei der Feststellung der Herstellungskosten nach Fertigstellung zu bewältigen sind. Daß aber diese letzteren Schwierigkeiten nicht als Begründung dafür ausreichen, die Berücksichtigung des § 14a BerlinFG im Lohnsteuerabzugsverfahren allgemein zu versagen, hat der Senat bereits im Urteil VI R 10/73 dargelegt.

Die Fragen, die sich dadurch ergeben, daß der Freibetrag oft einzutragen ist, bevor die Aufwendungen tatsächlich erbracht werden, sind nicht schwieriger als bei der Eintragung anderer Freibeträge und können zudem in dem in jedem Falle nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 EStG durchzuführenden Veranlagungsverfahren endgültig geklärt und bereinigt werden.

Die Klage ist eine Anfechtungs-, keine Verpflichtungsklage. Dies hat der Senat im Beschluß vom 11. Mai 1973 VI B 116/72 (BFHE 109, 302, BStBl II 1973, 667) für den auch hier vorliegenden Fall entschieden, daß gegen den Bescheid eines FA geklagt wird, mit dem dieses nach Prüfung der Anspruchsgrundlagen im Lohnsteuerermäßigungsverfahren den vom Steuerpflichtigen begehrten Freibetrag nicht oder niedriger zugestanden hat. An dieser Rechtsauffassung hält der Senat fest. Es finden hiernach auf das vorliegende Klageverfahren nicht die für Verpflichtungsklagen geltenden Vorschriften des § 101 FGO, sondern die für Anfechtungsklagen geltenden Vorschriften des § 100 FGO Anwendung. Das FG konnte deshalb nicht die Verpflichtung des FA zur Eintragung des Freibetrags aussprechen, sondern mußte diesen selbst festsetzen (§ 100 Abs. 2 FGO). Mit dieser Maßgabe war der Revision der Erfolg zu versagen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70856

BStBl II 1974, 366

BFHE 1974, 475

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