Leitsatz (amtlich)

Leistungen einer AG an den Aktionär unter Verstoß gegen das aktienrechtliche Verbot der Einlagenrückgewähr sind steuerrechtlich verdeckte Gewinnausschüttungen. Besteht in solchen Fällen keine Vergleichsmöglichkeit mit den Geschäften Dritter, kann nicht auf die Denkfigur des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters abgestellt werden.

 

Normenkette

KStG a.F. § 6 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Tatbestand

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin, Revisionsbeklagten und Anschlußrevisionsklägerin (Klägerin), die X-AG, erhöhte im Jahre 1963 ihr Kapital um nominell 2 000 000 DM. Hiervon wurden 1 800 000 DM junge Aktien zur Fusion mit einer Y-AG verwendet. Die restlichen 200 000 DM wurden von einem von der C-Bank geführten Bankenkonsortium zum Kurs von 100 % übernommen mit der Verpflichtung, sie nach Weisung und für Rechnung der Gesellschaft zu verwenden. Aus diesem Bestand wurden 1963 Aktien mit dem Nominalwert von 50 000 DM zum Kurs von 500 % verkauft.

Ebenfalls im Jahre 1963 kam es zwischen der X-AG, der B-Bank und der A-Bank zu einer Vereinbarung, nach der die A-Bank die restlichen Aktien von nominell 150 000 DM zum Kurs von 480 % übernahm zu folgenden Bedingungen: Die Aktien sollten bei der A-Bank in Reserve gehalten werden, da bei der X-AG Überlegungen dahin gingen, ihre bereits bestehende Beteiligung an der Z-AG durch Übernahme von im Besitz der B-Bank befindlichen Aktien der Z-AG zu verstärken. Die B-Bank sollte im Tausch Aktien der X-AG erhalten. Weitere Vereinbarungen hatten den Inhalt, daß die X-AG und die B-Bank je hälftig das der A-Bank obliegende Kursrisiko tragen und den von der A-Bank erbrachten Kurswert von ... DM mit 5,5 % verzinsen sollten, wovon eine vereinnahmte Dividende abgezogen werden sollte. Die B-Bank verpflichtete sich ferner, zur Finanzierung des Übernahmepreises durch die A-Bank dort ein entsprechendes Festgeldkonto zu unterhalten.

Nachdem sich die Fusionspläne X-AG/Z-AG zerschlagen hatten, wurden Ende 1964 die bei der A-Bank befindlichen Aktien von der C-Bank zu dem Kurs von 400 % (Tageskurs vom 30. Dezember 1964) übernommen. Die X-AG stand gegenüber der C-Bank dafür ein, daß die Aktien von einem von ihr - der X-AG - zu benennenden Dritten bis spätestens Jahresende 1965 zum Einstandspreis der C-Bank zuzüglich 6,5 % p. a. Zinsen (diskontabhängig) abgenommen würden, wobei auf die Zinsen vereinnahmte Dividenden angerechnet werden sollten. Die der C-Bank aus der Transaktion erwachsenden steuerlichen Belastungen sollten von der X-AG übernommen werden. Die C-Bank hielt die Aktien bis zur Veräußerung (Kurs 350 %) im Jahre 1967 an die R-Bank, einer - nach Feststellung des Finanzgerichts (FG) - "unselbständigen Betriebsabteilung" der X-AG. Anschließend wurden die Aktien von der R-Bank zum Kurs von 370 % an die L-Gruppe veräußert. Die X-AG behandelte die Kapitalerhöhung als im Jahre 1963 beendet und führte das aus der Übernahme der Aktien durch die A-Bank erzielte Agio - nach Abzug angefallener Kosten für die Aktienausgabe - der gesetzlichen Rücklage zu.

Für das Streitjahr 1964 vergütete die X-AG der A-Bank für Kursverluste 100 000 DM, für Vermögensteuer 1 000 DM und für Zinsen 120 000 DM abzüglich 30 000 DM anzurechnender Dividende, insgesamt also 191 000 DM. Die C-Bank stellte der X-AG für das Streitjahr 1965 für Kursverluste 700 000 DM und für Zinsen 200 000 DM abzüglich 50 000 DM anzurechnender Dividende, insgesamt also 850 000 DM, in Rechnung. Für das Streitjahr 1967 ergab sich aus der Veräußerung der Aktien insgesamt ein Ertrag von 210 000 DM.

Im Anschluß an eine Betriebsprüfung lehnte der Beklagte, Revisionskläger und Anschlußrevisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die von der Klägerin begehrte gewinnmindernde Berücksichtigung der in den Jahren 1964 und 1965 angefallenen und der Höhe nach unstreitigen Aufwendungen der X-AG ab. Gegen die aufgrund der Betriebsprüfung geänderten Körperschaftsteuerbescheide 1964, 1965 und 1967 vom 28. Juli 1975 hat die Klägerin mit Zustimmung des FA Sprungklage erhoben. Bezüglich der Streitjahre 1964 und 1965 hatte die Klage Erfolg. Das FG führte u. a. aus:

Die Zahlungen an die A-Bank (1964) und an die C-Bank (1965) seien als Betriebsausgaben abziehbar. Es handle sich nicht um Emissionskosten bzw. Kapitalerhöhungskosten. Die Zahlungsverpflichtung der X-AG folge weder aus der Kapitalerhöhung noch aus der anschließenden Plazierung der Aktien. Sie habe sich erst aufgrund später getroffener Vereinbarungen ergeben, die nach Anlaß und Ziel von der Kapitalerhöhung zu unterscheiden seien. Danach habe die A-Bank die übernommenen Aktien zur Verfügung halten müssen, wofür die X-AG und die B-Bank als Gegenleistung das Rendite- und Kursrisiko übernommen hätten. Anlaß dieser Vereinbarung seien - losgelöst von der Kapitalerhöhung - die Fusionspläne X-AG/Z-AG gewesen. Hierbei habe es sich um betriebliche Zweckmäßigkeitsüberlegungen gehandelt. Aufwendungen in diesem Zusammenhang seien durch den Betrieb veranlaßt.

Dasselbe gelte für die Zahlung an die C-Bank. Auch dieser Bank habe nicht etwas in ihrer Stellung als Aktionär zugewendet werden sollen. Nach dem Fehlschlag der Fusionspläne habe die X-AG einen ihr genehmen Erwerber des Aktienpaketes nicht sofort gefunden und habe deshalb weitere Aufwendungen für die von der C-Bank eingegangenen Verfügungsbeschränkungen erbringen müssen. Auch aus der Übernahme des Kursrisikos könnten keine Rückschlüsse auf eine gesellschaftsrechtliche Grundlage der Zahlungen gezogen werden. Es habe sich lediglich um den Berechnungsmaßtab des zu erbringenden Entgelts gehandelt. Daß sich die A-Bank und die C-Bank ihr Stillhalten durch Abnahme des Kursrisikos hätten bezahlen lassen, habe durchaus kaufmännischen Überlegungen von Leistung und Gegenleistung entsprochen.

Bezüglich des Streitjahres 1967 hatte die Klage zum Teil Erfolg. Das FG berücksichtigte gegenüber im Revisionsverfahren nicht mehr streitigen gewinnmindernden Beträgen als gewinnerhöhend den Überschuß aus der Veräußerung der Aktien durch die R-Bank an die L-Gruppe in Höhe von 210 000 DM.

Das Urteil des FG wurde den Beteiligten des Klageverfahrens am 19. Dezember 1978 zugestellt.

Das FA hat Revision, die Klägerin hat Anschlußrevision eingelegt.

Das FA wendet sich mit seiner Revision gegen die angefochtene Entscheidung, soweit sie die Streitjahre 1964 und 1965 betrifft.

Es rügt Verletzung materiellen Rechts. Die Zahlungen an die A-Bank in Höhe von 191 000 DM (1964) und an die C-Bank in Höhe von 850 000 DM (1965) seien zu Unrecht als durch den Betrieb veranlaßt beurteilt worden. Es habe sich um Vorgänge auf gesellschaftlicher Grundlage gehandelt. Zweifelhaft könne sein, ob die ursprüngliche Auffassung des FA zutreffe, nach der durch Ausgabeaufgeld gedeckte Ausgabekosten vorlägen. Die Kapitalerhöhung sei im Jahre 1963 abgeschlossen gewesen. Der umstrittene Sachverhalt sei steuerrechtlich als verdeckte Gewinnausschüttung anzusehen, weil aktienrechtlich unzulässige Leistungen gewährt worden seien. Von einem erlaubten mittelbaren Erwerb eigener Aktien könne nicht ausgegangen werden; die Abwendung eines "schweren Schadens" liege nicht vor.

Das FA beantragt, die Entscheidung des FG hinsichtlich der Streitjahre 1964 und 1965 aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Im Wege der unselbständigen Anschlußrevision beantragt die Klägerin, "hilfsweise für den Fall, daß der Revision für die Jahre 1964 und 1965 stattgegeben werden sollte, die Körperschaftsteuer 1967 unter Außerachtlassung des vom Finanzgericht festgestellten Gewinns aus der Veräußerung der Aktien in Höhe von 210 000 DM festzusetzen".

In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzhof (BFH) am 17. Oktober 1984 hat die Klägerin außerdem beantragt, die Anschlußrevision als selbständige Revision anzusehen und dabei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Die Klägerin ist der Auffassung, sie habe keine aktienrechtlich unzulässigen Leistungen gewährt; demzufolge habe sie keine Rückforderungsansprüche geltend machen können.

Der Bundesminister der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten. Er vertritt im wesentlichen die Auffassung, daß die A-Bank und die C-Bank die Aktien nicht als Zeichner, sondern als spätere Erwerber übernommen hätten. Bei den umstrittenen Leistungen handele es sich um eine aktienrechtlich unzulässige Einlagenrückgewähr, die steuerrechtlich als verdeckte Gewinnausschüttung zu werten sei.

Auf einen Hinweis des Vorsitzenden des Senats vom 12. März 1979, das FA habe das Urteil des FG nur insoweit angegriffen, als es sich auf die Körperschaftsteuerbescheide 1964 und 1965 bezogen habe, weshalb geprüft werden müsse, ob eine unselbständige Anschlußrevision statthaft sei, die sich gegen das Urteil des FG richte, soweit es über den Körperschaftsteuerbescheid 1967 entschieden habe, äußerte die Klägerin, sie verkenne diese Problematik nicht. Da sich der im Revisionsverfahren streitige Sachverhalt mit unterschiedlichen Auswirkungen über die Jahre 1964, 1965 und 1967 erstrecke - nach dem Urteil des FG sei der Gewinn 1964 und 1965 zu vermindern und im Jahre 1967 zu erhöhen -, müsse sich die Klägerin für den Fall, daß infolge der Revision des FA die Gewinnminderungen 1964 und 1965 entfallen sollten, die Möglichkeit offenhalten, für das Jahr 1967 die Gewinnerhöhung rückgängig zu machen. Nachdem das FA einen entsprechend dem Urteil des FG geänderten Körperschaftsteuerbescheid 1967 vom 30. April 1979 erlassen und ihm die Bestimmung beigefügt hatte, die Festsetzung sei hinsichtlich des Betrags von 210 000 DM vorläufig, erklärte die Klägerin, sie sehe durch diesen Bescheid ihre Rechte auf eine evtl. spätere Änderung der Steuerfestsetzung als nunmehr hinreichend gesichert an und stelle anheim zu prüfen, ob sich die Anschlußrevision damit in der Hauptsache erledigt habe.

Das FA beantragt, die Anschlußrevision der Klägerin als unzulässig zu verwerfen.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt hinsichtlich der Streitjahre 1964 und 1965 zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.

Die als Zinsen, Erstattung von Kursverlusten und von Vermögensteuer geleisteten Zahlungen der X-AG an die A-Bank (1964) und an die C-Bank (1965) dürfen das Einkommen der Klägerin nicht mindern. Diese Zahlungen sind aktienrechtlich nicht erlaubt und steuerrechtlich verdeckte Gewinnausschüttungen der X-AG an die beiden Aktionäre A-Bank und C-Bank (§ 6 Abs. 1 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG a. F. -).

1. Bei den umstrittenen Leistungen der X-AG handelt es sich um eine aktienrechtlich verbotene Einlagenrückgewähr (vgl. zu diesem Begriff Lutter in Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, 1970, § 57 Anm. 3; Urteil des Reichsgerichts - RG - vom 30. Mai 1930 505/29 II, Juristische Wochenschrift 1930, 3730, 3732).

a) Das Rechtsverhältnis der X-AG zu der A-Bank und zu der C-Bank ist - wovon auch die Klägerin ausgeht - nicht als Aktienübernahme des Zeichners für Rechnung der Gesellschaft i. S. von § 51 des Aktiengesetzes (AktG 1937) zu werten. Weder die A-Bank noch die C-Bank haben die Aktien als Zeichner neuer Aktien übernommen. Beide waren spätere Erwerber, die A-Bank durch Erwerb vom Bankenkonsortium, die C-Bank durch Erwerb von der A-Bank. Mithin sind die streitigen Vorgänge nicht anhand des § 51 AktG 1937, sondern an den §§ 52, 54 AktG 1937 zu prüfen.

b) Es kann dahinstehen, ob die Vereinbarungen zwischen der X-AG und der A-Bank bzw. der C-Bank auf den Erwerb eigener Aktien durch einen anderen für Rechnung der Gesellschaft X-AG gemäß § 65 Abs. 6 AktG 1937 gerichtet waren. Ein solcher Erwerb wäre nur dann zulässig, wenn er notwendig gewesen wäre, um einen schweren Schaden von der Gesellschaft abzuwenden (§ 65 Abs. 1 Nr. 1 AktG 1937). Im Streitfall sind Anhaltspunkte für einen solchen "schweren Schaden" nicht ersichtlich.

Dahinstehen kann auch, ob die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 Nr. 3 AktG 1965 für einen erlaubten Erwerb vorgelegen hätten; in dem für die Streitjahre 1964 und 1965 geltenden § 65 AktG 1937 war eine entsprechende Regelung nicht enthalten. Das AktG 1965 ist am 1. Januar 1966 in Kraft getreten (§ 410 AktG 1965).

c) Gemäß § 52 Satz 1 AktG 1937 haben die Aktionäre, solange die Gesellschaft besteht, nur Anspruch auf den Reingewinn, der sich aus der Jahresbilanz ergibt, soweit er nicht nach Gesetz oder Satzung von der Verteilung ausgeschlossen ist. Unter die Aktionäre darf nur der aus der Jahresbilanz sich ergebende Reingewinn verteilt werden (§ 54 Abs. 1 AktG 1937).

Die umstrittenen Vereinbarungen, wonach der erbrachte Kurswert verzinst und vereinnahmte Dividenden darauf angerechnet werden sollten, laufen auf eine garantierte Dividende und damit auf eine Rückgewähr der Einlage hinaus (vgl. Schlegelberger/Quassowski u. a. , Aktiengesetz, Kommentar, 3. Aufl., 1939, § 54 Anm. 2 - 4; Barz in Großkommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., 1973, § 57 Anm. 16 - 18). Sie sind deshalb nichtig. Gemäß § 54 Abs. 1 AktG 1937 dürfen den Aktionären Zinsen weder zugesagt noch ausgezahlt werden. Die in § 54 Abs. 2 AktG 1937 vorgesehene Ausnahme vom Verbot der Einlagenverzinsung für sog. Bauzinsen liegt im Streitfall nicht vor.

Über den durch §§ 52, 54 AktG 1937 gezogenen Rahmen zulässiger Leistungen der Gesellschaft an den Aktionär gehen ferner sowohl die Erstattung von Vermögensteuer als auch die Übernahme von Kursverlusten hinaus. Die Gesellschaft darf sich nicht verpflichten, dem Aktionär einen Kursverlust zu erstatten (vgl. Lutter, a. a. O., § 57 Anm. 13). Gleiches gilt für eine die Aktien betreffende Steuerschuld des Aktionärs. Diese Vereinbarungen sind nichtig.

2. In der Gewährung dieser aktienrechtlich unzulässigen Leistungen liegen steuerrechtlich verdeckte Gewinnausschüttungen. Eine verdeckte Gewinnausschüttung setzt voraus, daß eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet und die Zuwendung ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis hat. Die Ursächlichkeit des Gesellschaftsverhältnisses ist im allgemeinen gegeben, wenn die Kapitalgesellschaft bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters den Vermögensvorteil einem Nichtgesellschafter unter sonst gleichen Umständen nicht gewährt haben würde (vgl. BFH-Urteil vom 21. Juli 1982 I R 56/78, BFHE 136, 386, BStBl II 1982, 761 ).

a) Die Denkfigur des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters ist im Streitfall allerdings nicht anwendbar; sie bezieht sich in erster Linie auf Geschäfte, die auch mit dritten Personen (Nichtgesellschaftern) abgeschlossen sein könnten (vgl. BFH-Urteile vom 7. Dezember 1983 I R 70/77, BFHE 140, 221, BStBl II 1984, 384 ; vom 23. Mai 1984 I R 294/81, BFHE 141, 266, BStBl II 1984, 673 ). Die umstrittenen Vereinbarungen können jedoch nur mit einem Gesellschafter getroffen werden. Es kann mithin nicht gefragt werden, wie ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einem fremden Dritten (Nichtaktionär) gegenüber verfahren wäre (vgl. BFH-Urteil vom 24. August 1983 I R 16/79, BFHE 140, 167, BStBl II 1984, 273 ; Anmerkung in Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1984, 292). Dies bedeutet jedoch nicht, daß eine verdeckte Gewinnausschüttung nicht in Betracht käme. Denn das Wesen der verdeckten Gewinnausschüttung (ihr Kern) besteht darin, daß den Gesellschaftern oder ihnen nahestehenden Personen von der Gesellschaft Vermögensvorteile in einer Form zugeführt werden, in der sie nicht als Gewinnausschüttung erscheinen, sondern unter anderen Bezeichnungen verborgen sind. Entscheidend ist, ob die Leistungen an den Gesellschafter aus betrieblichen Gründen oder mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis (societatis causa) gewährt werden (BFHE 140, 221, BStBl II 1984, 384 ; vgl. auch RG-Urteil vom 19. Oktober 1934 II 85/34, RGZ 146, 84, 92).

b) Die den Aktionären A-Bank und C-Bank außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung zugewandten Vermögensvorteile sind mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis gewährt worden. Es handelt sich um aktienrechtlich schlechthin unerlaubte Leistungen an die Gesellschafter, für die keine Vergleichsmöglichkeit mit den Geschäften Dritter besteht. Diese (verbotene) Rückgewähr von Einlagen hat per se die causa societatis zum Inhalt, weil sie nur zwischen der Gesellschaft und einem Gesellschafter auf der Grundlage der Gesellschafterstellung möglich ist (vgl. auch Flume, Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht, 144. Band, 1980, 18, 20).

c) Die Auffassung, daß handelsrechtlich unzulässige Leistungen einer Gesellschaft an ihre Gesellschafter steuerrechtlich als verdeckte Gewinnausschüttungen anzusehen sind, hat der erkennende Senat bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht.

In der Entscheidung vom 18. März 1970 I R 105/66 (BFHE 98, 547, BStBl II 1970, 529 ) wird ausgeführt, daß die Ursächlichkeit des Gesellschaftsverhältnisses, die das entscheidende Tatbestandsmerkmal für verdeckte Gewinnausschüttungen sei, bei der Zahlung von Bauzinsen nicht angenommen werden könne. Eine andere Beurteilung könne dann geboten sein, wenn die Bauzinsen unangemessen hoch wären. Das Urteil vom 26. Januar 1972 I R 93/70 (BFHE 105, 115, BStBl II 1972, 547 ) sieht in der unzulässigen Abschlagszahlung auf die Dividende eine verdeckte Gewinnausschüttung. Zu dem Fall der Kapitalrückzahlung bei einer GmbH hat der VIII. Senat im Urteil vom 6. April 1976 VIII R 72/70 (BFHE 118, 230, BStBl II 1976, 341 ) ausgeführt, Ausgangspunkt für die steuerliche Beurteilung einer Kapitalherabsetzung sei das Handelsrecht. Eine echte Kapitalrückzahlung - und keine verdeckte Gewinnausschüttung - liege in der Regel nur vor, wenn die Beteiligten im Zeitpunkt der Zahlung alles unternommen hätten, was zur handelsrechtlichen Wirksamkeit der Kapitalherabsetzung erforderlich sei. Ob der erkennende Senat dieser Entscheidung insoweit folgen könnte, als dort eine Ausnahme von dem Grundsatz, daß Ausgangspunkt für die steuerrechtliche Beurteilung das Handelsrecht sei, für möglich gehalten wurde, ist im Streitfall nicht zu entscheiden.

In der Entscheidung vom 16. Februar 1977 I R 163/75 (BFHE 122, 52, BStBl II 1977, 572 ) wird die Maßgeblichkeit des Aktienrechts für die steuerrechtliche Frage der verdeckten Gewinnausschüttung daraus gefolgert, daß das Verhalten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters als Maßstab für die Prüfung einer verdeckten Gewinnausschüttung nach § 6 Abs. 1 Satz 2 KStG a. F. gelte und Vorstandsmitglieder einer AG durch den verbotenen Erwerb eigener Aktien diese Sorgfaltspflicht verletzten (vgl. auch Ebenroth, Die verdeckten Vorteilszuwendungen im transnationalen Unternehmen, Bielefeld 1979 S. 328).

Diese Grundsätze gelten auch im Streitfall mit der oben erörterten Maßgabe, daß es auf die Denkfigur des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters im Sinne der steuerrechtlichen Begriffsbestimmung der verdeckten Gewinnausschüttung nicht ankommt.

II. Die Anschlußrevision der Klägerin ist unzulässig.

1. Es kann dahinstehen, ob in dem "Anheimstellen" der Klägerin, die Erledigung der Hauptsache hinsichtlich des Streitjahres 1967 zu prüfen, eine Erledigungserklärung zu sehen ist und ob sich die im Streitfall vorliegende sog. unselbständige Anschlußrevision durch den geänderten Körperschaftsteuerbescheid 1967 vom 30. April 1979 in der Hauptsache erledigt hat; denn die Anschlußrevision ist unzulässig. Eine unselbständige Anschlußrevision ist nicht zulässig, wenn sie wegen eines anderen als des mit der Hauptrevision angegriffenen Steuerfalles erhoben wird. Ist bei objektiver Klagenhäufung Revision nur wegen eines Streitjahres eingelegt worden, kann die unselbständige Anschlußrevision die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung nicht auf ein anderes Streitjahr ausdehnen (vgl. BFH-Urteile vom 17. November 1964 VI 39/63 U, BFHE 81, 494, BStBl III 1965, 178 ; vom 3. Juli 1979 VII R 53/76, BFHE 128, 158, BStBl II 1979, 655 ; Ziemer/Birkholz, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., 1978, § 121 Anm. 12). Im Streitfall hat das FA nur bezüglich der Streitjahre 1964 und 1965 Revision eingelegt. Über das Streitjahr 1967 hat das FG rechtskräftig entschieden. Die das Streitjahr 1967 betreffende unselbständige Anschlußrevision der Klägerin ist daher unzulässig. Somit kann offenbleiben, ob die Anschlußrevision auch deshalb unzulässig ist, weil die Klägerin sie von der Bedingung abhängig gemacht hat, "daß der Revision für die Jahre 1964 und 1965 stattgegeben werden sollte".

2. Dem in der mündlichen Verhandlung am 17. Oktober 1984 gestellten Antrag der Klägerin, ihre Anschlußrevision als selbständige Revision anzusehen und hierfür Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, kann schon deshalb nicht entsprochen werden, weil die Jahresfrist gemäß § 56 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) am 21. Januar 1980 abgelaufen ist. Der Klägerin war spätestens seit der Verfügung des Vorsitzenden des Senats vom 12. März 1979 bekannt, daß das FA bezüglich des Streitjahres 1967 keine Revision eingelegt hat. Unter diesen Umständen kann dahingestellt bleiben, daß eine Revision beim FG einzulegen ist (§ 120 Abs. 1 Satz 1 FGO).

III. Das Urteil des FG ist auch insoweit aufzuheben, als es sich um die Kostenentscheidung handelt. Der Senat muß daher über die Kosten des Klageverfahrens und des Revisionsverfahrens entscheiden.

Die Kostenentscheidung des FG hat keinen vollstreckungsfähigen Inhalt. Die Entscheidung "Die Kosten des Verfahrens tragen Klägerin und Beklagter anteilmäßig nach Obsiegen und Unterliegen", ist zu unbestimmt. Das Verhältnis der Kostentragungspflicht muß zahlenmäßig zum Ausdruck gebracht werden (vgl. BFH-Urteil vom 29. November 1972 I R 207/67, BFHE 107, 509, 517, BStBl II 1973, 213 , 217). Dabei kann im Streitfall dahinstehen, inwieweit es die Möglichkeit, gemäß Art. 3 § 4 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit ohne Betragsfestsetzung zur Hauptsache zu entscheiden, zuläßt, für die Kostenentscheidung auf eine Streitwertberechnung zu verzichten (vgl. Ziemer/Haarmann/Lohse/Beermann, Rechtsschutz in Steuersachen, Bd. 3, Tz. 12 446). Nach dem Ergebnis des Revisionsverfahrens lassen sich die Kosten wie folgt berechnen:

1. Kosten des Klageverfahrens

Für die Streitjahre 1964 und 1965 hat die Klage keinen Erfolg. Für 1967 ergibt sich die Minderung der Steuerschuld aus dem nach Maßgabe der angefochtenen Entscheidung des FG geänderten Körperschaftsteuerbescheid 1967 vom 30. April 1979.

Die Klägerin hat sonach im Klageverfahren mit einem Anteil von 40 % obsiegt. Gemäß § 136 Abs. 1 FGO fallen der Klägerin 60 % und dem FA 40 % der Kosten des Klageverfahrens zur Last.

2. Kosten des Revisionsverfahrens

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin in vollem Umfang zu tragen, weil die Revision des FA begründet und die Anschlußrevision der Klägerin unzulässig ist (§ 135 Abs. 1 und 2 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 426050

BStBl II 1985, 69

BFHE 1985, 276

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