Leitsatz (amtlich)

1. Ersetzt eine Genossenschaft den Mitgliedern ihrer Vertreterversammlung Fahrtauslagen und gewährt sie ihnen in angemessener Höhe Sitzungsgelder, Verpflegungs- und Übernachtungspauschalen, so liegen darin keine verdeckten Gewinnausschüttungen.

2. Ein Unternehmen der elektronischen Datenverarbeitung kann nicht deshalb Beträge in seiner Bilanz passivieren, weil es sich den Kunden gegenüber verpflichtet hat, die in einem Jahr gespeicherten Daten noch eine bestimmte Anzahl von Jahren bereitzuhalten, und dadurch Speicherungs- und Sicherungskosten entstehen.

 

Normenkette

KStG a.F. § 6 Abs. 1 S. 2; EStG § 5

 

Tatbestand

Streitig ist bei den Körperschaftsteuerveranlagungen 1969 bis 1971,

1. ob die Erstattung von Fahrtkostenauslagen und die Gewährung von Sitzungsgeldern, Verpflegungsund Übernachtungspauschalen für die Teilnehmer der Vertreterversammlung einer Genossenschaft bei dieser verdeckte Gewinnausschüttungen sind,

2. ob eine Rückstellung für Speicher- und Sicherungskosten aufgrund von Datenverarbeitungsverträgen steuerrechtlich anzuerkennen ist.

Die Klägerin, Revisionsklägerin und Anschlußrevisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Genossenschaft, die ein Unternehmen für elektronische Datenverarbeitung betreibt. Die Rechte der Mitglieder in den Angelegenheiten der Genossenschaft werden von den Vertretern der Mitglieder in der Vertreterversammlung ausgeübt. Die Klägerin ersetzte den an der Vertreterversammlung teilnehmenden Mitgliedern in den Streitjahren Fahrtkosten und gewährte ihnen Sitzungsgelder sowie Verpflegungs- und zum Teil Übernachtungspauschalen in Höhe von insgesamt 24 500 DM im Jahre 1969, 30 600 DM im Jahre 1970 und 45 090 DM im Jahre 1971. Die Klägerin behandelte diese Aufwendungen als Betriebsausgaben.

Außerdem minderte die Klägerin die Gewinne in den Streitjahren durch die Bildung von Rückstellungen für die Kosten der Speicherung und Sicherung des Datenbestandes bereits abgelaufener Wirtschaftsjahre, die nach den Bilanzstichtagen entstanden sind. Dabei handelte es sich um folgenden Sachverhalt:

Die Klägerin erbringt gegenüber ihren Mitgliedern Buchführungsleistungen auf elektronischer Grundlage. Dies geschieht in der Weise, daß sie die von ihren Mitgliedern überlassenen Datenträger laufend auswertet und bei jeder Auswertung das vollständige Buchführungswerk - bestehend aus Journal, Sach- und Personenkonten, Summen- und Saldenlisten - ausdruckt, auf Mikrofilme überträgt und den Auftraggebern zusendet. Die Salden des jeweils letzten Auswertungsvorgangs werden im Rechenzentrum auf Magnetplatten gespeichert. Sie dienen als Eröffnungszahlen des darauffolgenden Buchungsabschnitts. Die Daten für ein Kalenderjahr (Wirtschaftsjahr) werden nicht unmittelbar nach Ablauf des Kalenderjahres gelöscht, sondern entsprechend den Mitgliedern gegebenen Zusagen für einen weiteren Zeitraum von zwei Jahren für Nachbuchungen, Umbuchungen und Abschlußbuchungen bereitgehalten. Die Klägerin erhält für ihre Leistungen ohne Rücksicht darauf, ob für das laufende Jahr oder für bereits abgelaufene Jahre gebucht, nachgebucht oder umgebucht wird oder ob Abschlußbuchungen durchgeführt werden, eine Vergütung von einheitlich 3,3 Pfennigen je Buchungszeile. Die Dienstleistungen der Klägerin unterscheiden sich durch diese Bereitstellung der Buchungsdaten für weitere zwei Jahre von der Arbeitsweise anderer Rechenzentren, bei denen am Jahresende der Datenbestand ausgedruckt und gelöscht wird. Für die durch diese Bereitstellung der Buchungsdaten entstehenden Speicherkosten und Sicherungskosten bildete die Klägerin in den Jahren 1970 und 1971 (früher überließ die Klägerin die Auswertung einem dritten Unternehmen) Rückstellungen.

Aufgrund des Ergebnisses einer Betriebsprüfung lehnte es der Beklagte, Revisionsbeklagte und Anschlußrevisionskläger (das Finanzamt -FA-) bei den endgültigen Körperschaftsteuerveranlagungen für die Streitjahre ab, die genannten Zahlungen an die Mitglieder der Vertreterversammlung als Betriebsausgaben anzuerkennen, da verdeckte Gewinnausschüttungen vorlägen. Außerdem erkannte das FA die Rückstellungen für Speicherkosten und Sicherungskosten nicht an, da es sich um eine innerbetriebliche Kostenabgrenzung und damit um eine Verpflichtung gegen die Klägerin selbst und nicht gegenüber Dritten handele. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage teilweise statt. Es erkannte die Rückstellungen an, da ihnen rechtliche Verbindlichkeiten gegenüber den Genossen zugrunde lägen. Die Klägerin habe sich ihren Genossen gegenüber verpflichtet, die Daten drei Jahre zu speichern und z. B. im Jahre 1972 noch Datenträger auszuwerten oder sonstige Arbeiten vorzunehmen, die die Jahre 1970 und 1971 beträfen. Die Klägerin habe die Vergütungen für die erst künftig zu erbringenden Leistungen schon vorweg erhalten, denn im Honorar von 3,3 Pfennigen je Buchungszeile sei auch die künftige Leistung abgegolten. - Dagegen behandelte das FG die Reisekostenentschädigung usw. für die Mitglieder der Vertreterversammlung als verdeckte Gewinnausschüttungen. Grundsätzlich hätten die vertretenen Mitglieder den Vertretern die durch die Vertretung entstehenden Auslagen zu ersetzen. Es bestehe ein auftragsähnliches Rechtsverhältnis (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 21. November 1961 I 73/60 U, BFHE 74, 236, BStBl III 1962, 89). Da die Klägerin die Deckung dieser Unkosten übernommen habe, habe sie dadurch ihren Genossen Aufwendungen erspart. In dieser Ersparnis von Aufwendungen liege eine Vorteilszuwendung (vgl. BFH-Urteil vom 9. Februar 1972 I R 29/70, BFHE 104, 449, BStBl II 1972, 361). Diese Vorteilszuwendungen seien verdeckte Gewinnausschüttungen, weil durch die Teilnahme an den Vertreterversammlungen weder die Mitglieder noch die Vertreter der Genossenschaft Dienste geleistet hätten, die eine Vergütung rechtfertigen könnten. Die Vertreter hätten vielmehr ihre eigenen Interessen und die Interessen der von ihnen vertretenen Genossen wahrgenommen.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung sachlichen Rechts (§ 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes -EStG-, § 6 Abs. 1 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes -KStG-). Das FG habe verkannt, daß sämtliche Willensbildungsakte der Genossenschaft, also auch die der Generalversammlung, in engem Zusammenhang mit der Führung des Betriebes stünden und damit auch betrieblich veranlaßt seien.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß), die Vorentscheidung aufzuheben und die als verdeckte Gewinnausschüttung behandelten Beträge (für 1969 24 500 DM, für 1970 30 600 DM und für 1971 45 090 DM) als Betriebsausgaben abzuziehen.

Das FA beantragt die Zurückweisung der Revision der Klägerin. Mit seiner eigenen Revision beantragt es die Aufhebung der Vorentscheidung und die Abweisung der Klage.

Es rügt Verletzung sachlichen Rechts, weil das FG zu Unrecht die Rückstellungen für Speicher- und Sicherungskosten anerkannt habe. Es fehle an einer selbständigen bilanzierungsfähigen Verpflichtung der Klägerin gegenüber den Mitgliedern.

Die Klägerin beantragt, die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen.

Revision der Klägerin und Anschlußrevision des FA sind begründet.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die Beträge, die die Klägerin an die Mitglieder der Vertreterversammlung als Auslagenersatz geleistet hat, sind keine verdeckten Gewinnausschüttungen (§ 6 Abs. 1 Satz 2 KStG a. F.).

Die Klägerin ist als Wirtschaftsgenossenschaft nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 KStG unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Was als Einkommen gilt und wie das Einkommen zu ermitteln ist, richtet sich nach den Vorschriften des EStG und den §§ 7 bis 16 KStG. Hierbei sind auch verdeckte Gewinnausschüttungen zu berücksichtigen (§ 6 Abs. 1 Satz 2 KStG). Eine verdeckte Gewinnausschüttung kommt auch bei Genossenschaften in Betracht (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 6 KStG a. F. Rdnr. 78). Sie liegt u. a. dann vor, wenn eine Kapitalgesellschaft (Genossenschaft) ihrem Gesellschafter (Genossen) außerhalb der gesellschaftsrechtlichen (mitgliedschaftsrechtlichen) Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter unter sonst gleichen Umständen nicht gewährt haben würde (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 21. Juli 1982 I R 56/78, BFHE 136, 386, BStBl II 1982, 761).

Die Auffassung des FG, die von der Genossenschaft an die Mitglieder der Vertreterversammlung geleisteten Auslagen seien eine verdeckte Gewinnausschüttung, ist nicht haltbar.

a) Soweit das FG eine verdeckte Gewinnausschüttung an die Mitglieder der Vertreterversammlung angenommen haben sollte, könnte der Senat dieser Auffassung aus nachstehenden Gründen nicht folgen:

Nach § 43 a des Genossenschaftsgesetzes (GenG) besteht bei Genossenschaften mit mehr als 3 000 Mitgliedern die Generalversammlung aus Vertretern der Genossen (Vertreterversammlung). Im Streitfall beruht die Einrichtung der Vertreterversammlung auf der Satzung der Klägerin. Die Vertreter können nicht durch Bevollmächtigte vertreten werden. Im übrigen ist die Rechtsstellung der Vertreter im Gesetz im einzelnen nicht geregelt. Das Reichsgericht (RG) hat im Urteil vom 12. März 1937 II 190/36 (RGZ 155, 21, 25) ausgeführt, der gewählte Vertreter sei insofern nicht Beauftragter der Genossen oder seiner Wähler, als er an deren Weisungen nicht gebunden sei. Er bekleide aber ein ihm von der Gesamtheit der Genossen übertragenes, vom Gesetz mit bestimmten Befugnissen ausgestattetes Amt. Es handele sich um ein auftragsähnliches Verhältnis, das - ebenso wie ein Auftrag - jederzeit gekündigt werden könne (§ 671 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -).

In Weiterführung dieses Gedankens ist der Senat der Auffassung, daß den Mitgliedern der Vertreterversammlung - mindestens in entsprechender Anwendung des § 670 BGB - ein Anspruch auf Ersatz ihrer Auslagen zusteht (insoweit vgl. Meyer/Meulenbergh/Beuthin, Genossenschaftsgesetz, 12. Aufl., § 43 a, Rdnr. 5; Klaus Müller, Kommentar zum Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, 1980, § 43 a, Rdnr. 38; Paulick, Das Recht der eingetragenen Genossenschaft, 1956 S. 259). Die Genossenschaft gewährt den Mitgliedern der Vertreterversammlung keinen Vorteil im Sinne der Verdeckten Gewinnausschüttung, denn der Auslagenersatz gleicht lediglich die Nachteile aus, die dem Vertreter durch die Wahrnehmung eines ihm durch Wahl auferlegten Amtes entstanden sind.

Insoweit setzt sich der erkennende Senat nicht in Widerspruch zu seiner bisherigen Rechtsprechung. Im Urteil vom 16. Dezember 1955 I 12/56 U (BFHE 62, 111, BStBl III 1956, 43) hat der Senat ausgesprochen, daß verdeckte Gewinnausschüttungen vorliegen, wenn die Genossenschaft ihren Genossen die Kosten für die Fahrt zur Teilnahme an der Generalversammlung ersetzt. Der erkennende Senat sieht jedoch einen Unterschied zwischen diesem und dem vorliegenden Sachverhalt. Die Mitglieder der Vertreterversammlung sind durch das Vertrauen der Genossen in ihr Amt gewählt worden. Von ihnen wird Anwesenheit und Sorgfalt bei der Ausübung ihres Amtes erwartet. Dem Genossen dagegen steht es frei, ob er an der Generalversammlung teilnehmen will oder nicht.

Auch zum BFH-Urteil vom 21. November 1961 I 73/60 U (BFHE 74, 236, BStBl III 1962, 89) besteht insoweit kein Widerspruch. In dieser Entscheidung hat der Senat die Auffassung vertreten, daß nichtabzugsfähige Einkommensverwendung anzunehmen sei, wenn ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit den Mitgliedervertretern die ihnen durch Teilnahme an der Vertreterversammlung entstandenen Kosten erstatte. Der Senat ist gerade davon ausgegangen, daß die Mitglieder ihren Vertretern zum Auslagenersatz verpflichtet seien. Der erkennende Senat hat ausgeführt, daß der Versicherungsverein durch den Auslagenersatz die übrigen Mitglieder von ihrer Pflicht zur Erstattung der Auslagen an die Vertreter befreit habe. Darin erblickte der Senat einen Vorteil lediglich derjenigen Vereinsmitglieder, die der Vertreterversammlung nicht angehören.

b) Soweit dem Urteil in BFHE 74, 236, BStBl III 1962, 89 die Auffassung zu entnehmen ist, der Auslagenersatz an die Mitglieder der Vertreterversammlung stelle verdeckte Gewinnausschüttungen an die der Vertreterversammlung nicht angehörenden Vereinsmitglieder dar, kann an dieser Auffassung jedenfalls für den Bereich des Genossenschaftsrechts nicht festgehalten werden. Sie widerspricht der inneren Verfassung der Genossenschaft.

Zweck, Aufgabe und Funktion der Vertreterversammlung bestehen darin, aus Praktikabilitätsgründen an die Stelle der infolge ihrer großen Mitgliederzahl zu schwerfälligen und zu einer Willensbildung nur unter erheblichem Aufwand an Zeit und Geld fähigen Generalversammlung zu treten (Urteil des Bundesgerichtshofs -BGH- vom 22. März 1982 II ZR 219/81, BGHZ 83, 228, 232). Sicherlich dient die Vertreterversammlung damit insofern den Interessen der Genossen, als die Vertreter die Rechte der Genossen wahrzunehmen haben. Damit sind aber auch Nachteile für die einzelnen, nicht der Vertreterversammlung angehörenden Genossen verbunden. Sie haben nicht mehr das Recht, ihre Interessen selbständig oder durch einen Bevollmächtigten ihrer Wahl in der Generalversammlung zur Geltung zu bringen. Sie müssen vielmehr die Entscheidung der nicht weisungsgebundenen Vertreter in der Regel hinnehmen. Andererseits dient die Vertreterversammlung auch entscheidend den Interessen der Genossenschaft selbst. Ihr Geschäftsablauf wird durch die Tätigkeit der Vertreterversammlung wesentlich gefördert. Sie hat es anstelle einer aus einer großen Zahl von Mitgliedern bestehenden, schwerfälligen Generalversammlung mit einem Organ zu tun, das schon wegen der erheblich geringeren Zahl seiner Mitglieder funktionsfähiger ist und seinen Aufgaben zügiger gerecht werden kann. Wägt man die Vorteile und Nachteile der Vertreterversammlung für die Genossen einerseits und die Genossenschaft andererseits gegeneinander ab, so überwiegt das Interesse der Genossenschaft. Sie zahlt daher den Auslagenersatz nicht in erster Linie im Interesse der Genossen, sondern in ihrem eigenen Interesse, und wendet durch die Erfüllung des Auslagenersatzanspruchs der Mitglieder der Vertreterversammlung den Nichtvertretergenossen keinen Vorteil zu.

Das FG hatte von seinem Standpunkt aus zu Recht die Angemessenheit der den Vertretern erstatteten Auslagen nicht geprüft. Da das FA die Höhe nicht - auch nicht hilfsweise - beanstandet hat, sieht der Senat in diesem Stadium des Verfahrens keine Veranlassung, von sich aus zur Frage der Angemessenheit Stellung zu nehmen.

II. Anschlußrevision des FA

Die Klägerin durfte für die Sicherungs- und Speicherungskosten weder eine Rückstellung noch einen passiven Rechnungsabgrenzungsposten bilden.

Maßgebend sind für die Bilanzierung gemäß § 6 Abs. 1 KStG i. V. m. § 5 Abs. 1 EStG die handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung. Die Regelung des Aktiengesetzes vom 6. September 1965 (AktG) über die Bildung von Rückstellungen enthalten allgemeine Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung und gelten mithin auch für Genossenschaften. Nach § 152 Abs. 7 AktG dürfen - abgesehen von zwei besonders genannten, hier nicht vorliegenden Ausnahmen - Rückstellungen nur für ungewisse Verbindlichkeiten und für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften gebildet werden. Als passiver Rechnungsabgrenzungsposten wäre im Streitfall nach § 5 Abs. 3 Nr. 2 EStG allenfalls der Fall in Betracht zu ziehen, daß Einnahmen vor dem Abschlußstichtag als Rechnungsabgrenzungsposten angesetzt werden dürfen, soweit sie Ertrag für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen.

Nach den Tatsachenfeststellungen des FG, an die der erkennende Senat als Revisionsgericht gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebunden ist, bestand zwischen der Klägerin und ihren Mitgliedern ein Vertragsverhältnis mit gegenseitigen Rechten und Pflichten. Die Klägerin hatte elektronische Datenträger auszuwerten, die ihr von den Mitgliedern zur Verfügung gestellt wurden. Ihre Verpflichtung umfaßte auch, den am Jahresende vorhandenen Datenbestand zwei Jahre nach Ablauf eines Buchungsjahres zu speichern. Andererseits waren die Genossen verpflichtet, für jeden Auswertungsvorgang pro Buchungszeile 3,3 Pfennige zu entrichten. Es liegt ein gegenseitiger Vertrag i. S. der §§ 320 ff. BGB vor, dessen Dauer sich auf einen Zeitraum von drei Jahren erstreckt. Aktivierungen und Passivierungen solcher Verträge sind nach den Grundsätzen über die Bilanzierung schwebender Geschäfte zu beurteilen. Ansprüche und Verbindlichkeiten aus schwebenden Geschäften werden nicht bilanziert, solange und soweit sie einander ausgleichend gegenüberstehen, auch wenn sie am Bilanzstichtag bereits rechtlich entstanden waren. Aktivierungen und Passivierungen unterbleiben, solange das Gleichgewicht solcher Vertragsbeziehungen nicht durch schuldrechtliche Vorleistungen oder Erfüllungsrückstände gestört ist (vgl. BFH-Urteil vom 8. Dezember 1982 I R 142/81, BFHE 137, 448, BStBl II 1983, 369).

1. Eine Rückstellung wegen drohender Verluste aus schwebenden Geschäften darf die Klägerin nicht bilden.

Diese Rückstellung ist nur zulässig, wenn aus dem einzelnen schwebenden Geschäft insgesamt ein Verlust droht. Es genügt nicht, daß das schwebende Geschäft noch künftige Kosten verursachen wird (BFH-Urteile vom 17. Juli 1974 I R 195/72, BFHE 113, 115, BStBl II 1974, 684; vom 3. Juli 1980 IV R 138/76, BFHE 131, 57, 61, BStBl II 1980, 648). Für einen drohenden Verlust ergeben sich im Streitfall keine Anhaltspunkte.

2. Eine Rückstellung wegen ungewisser Verbindlichkeiten kommt gleichfalls nicht in Betracht.

Wie dargelegt, kann eine solche Rückstellung bei schwebenden Geschäften nur gebildet werden, wenn auf seiten des Schuldners ein Erfüllungsrückstand vorliegt. Das wäre nur für den hier nicht vorliegenden Fall anzunehmen, daß die Klägerin einer Verpflichtung nicht nachgekommen ist, die sie im abgelaufenen Jahr hätte erfüllen müssen. Die Verpflichtung zur Speicherung der im ersten Vertragsjahr erfaßten Daten konnte indes nach der Natur der Verpflichtung erst in den folgenden Jahren erfüllt werden.

Die Rechtsprechung des BFH zur Rückstellung für die gesetzliche Verpflichtung zur Aufstellung und Veröffentlichung des Jahresabschlusses, für die gesetzliche Verpflichtung zur Erstellung eines Geschäftsberichts und für die gesetzliche Verpflichtung zur Erstellung von Betriebsteuererklärungen für das abgelaufene Jahr kann zu keiner anderen Beurteilung führen (vgl. zu diesem Problemkreis Urteile vom 20. März 1980 IV R 89/79, BFHE 130, 165, BStBl II 1980, 297; vom 23. Juli 1980 I R 28/77, BFHE 131, 463, BStBl II 1981, 62). Wie in BFHE 130, 165, BStBl II 1980, 297 ausgeführt wurde, wird die Pflicht zur Bildung derartiger Rückstellungen nicht aus den Grundsätzen der Bilanzierung schwebender Geschäfte hergeleitet, sondern hat ihren Grund jeweils in einer gesetzlichen Verpflichtung. Der Grundsatz, daß eine Rückstellung bereits in dem Jahr gebildet werden darf, in dem die Verpflichtung rechtlich oder wirtschaftlich entstanden ist, kann für die Bilanzierung schwebender, sich auf mehrere Jahre erstreckender Geschäfte nicht ohne weiteres angewandt werden. Da sich ein "Erfüllungsrückstand" nur aufgrund im abgelaufenen Jahr nicht erfüllter Verpflichtungen ergeben kann, kommt es auf die wirtschaftliche oder rechtliche Entstehung der Verpflichtung in diesem Fall nicht an (BFH-Urteil vom 26. Mai 1976 I R 80/74, BFHE 119, 261, BStBl II 1976, 622).

3. Die Klägerin darf auch keinen passiven Rechnungsabgrenzungsposten bilden.

Dieser setzt grundsätzlich voraus, daß einer Vorleistung des einen Vertragsteils eine noch nicht erbrachte zeitbezogene Gegenleistung des anderen Vertragsteils gegenübersteht (vgl. BFH-Urteile vom 7. März 1973 I R 48/69, BFHE 109, 172, BStBl II 1973, 565; vom 11. Juli 1973 I R 140/71, BFHE 110, 248, BStBl II 1973, 840; vom 17. Juli 1974 I R 195/72, BFHE 113, 115, BStBl II 1974, 684; vom 4. März 1976 IV R 78/72, BFHE 121, 318, BStBl II 1977, 380).

Diese Voraussetzungen wären erfüllt, wenn der einzelne Kunde mit dem Betrag, den er im ersten Vertragsjahr (Buchung der laufenden Geschäftsvorfälle) zu entrichten hatte, zugleich eine Vorleistung für die in den zwei folgenden Jahren von der Klägerin zu erfüllende Verpflichtung bezahlt hätte. Dies trifft nicht zu. Es ist zwar möglich, daß die Klägerin ihre Preise für die einzelne Buchungszeile so kalkuliert hat, daß mit der Zahlung von 3,3 Pfennigen pro Buchungszeile auch Kosten gedeckt werden sollen, welche der Klägerin in den folgenden Jahren für die Speicherung und Sicherung des jeweiligen Rechnungswerkes entstehen. Dieser kalkulatorische Gesichtspunkt würde jedoch eine passive Rechnungsabgrenzung nicht rechtfertigen. Daß in dem Betrag von 3,3 Pfennigen pro Buchungszeile eine Vorleistung des Vertragspartners zu künftig zu erfüllenden Verpflichtungen enthalten sei, hätte dem Vertragspartner gegenüber hinreichend deutlich erkennbar gemacht werden müssen. Das ist nicht geschehen. Aus dem Betrag von 3,3 Pfennigen pro Buchungszeile kann auch nicht einmal schätzungsweise ein Teilbetrag für künftige Leistungen der Klägerin abgespalten werden.

III.

Die Sache ist nicht spruchreif. Aufgrund der vom FG abweichenden Entscheidung des Senats muß die Körperschaftsteuerschuld der Klägerin für die Streitjahre neu berechnet werden. Dazu fehlen dem erkennenden Senat, soweit es die Änderungen der Gewerbesteuerrückstellung betrifft, die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen. Das angefochtene Urteil muß daher aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen werden (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 74912

BStBl II 1984, 273

BFHE 1984, 167

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