Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung Berufsrecht Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Ficht das Finanzamt ein Urteil des Finanzgerichts, das für die Einkommensteuersachen mehrerer Jahre ergangen ist, nur wegen eines Jahres an, so kann sich der Steuerpflichtige der Rechtsbeschwerde des Finanzamts auch nur wegen dieses Jahres anschließen, nicht auch wegen eines der anderen Jahre. Für die anderen Jahre ist das Urteil mit dem Ablauf der Rechtsmittelfrist rechtskräftig geworden.

 

Normenkette

AO §§ 245, 237 a. F; FGO § 47/1; AO §§ 247, 293; ZPO § 556; FGO § 155

 

Tatbestand

Der Steuerpflichtige, der Vertriebener ist, betreibt ein Lastfuhrunternehmen, in dessen Rahmen auch ein Bagger geführt wird. Der Gewinn ist bis zum Jahre 1956 durch Gegenüberstellung der Einnahmen und Betriebsausgaben ermittelt worden. Vom Jahre 1957 ab ist der Steuerpflichtige zur Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich übergegangen.

Im Jahre 1960 fand bei dem Steuerpflichtigen eine Betriebsprüfung statt, bei der die Buchführung des Steuerpflichtigen nicht als ordnungsmäßig anerkannt wurde, weil das Kontokorrentkonto und das Wareneingangsbuch fehlten, einzelne Betriebsvorgänge verspätet und bestimmte Zahlungen (allgemeine Spesen und Spesen der Kraftwagenführer) ohne Rücksicht auf die tatsächliche Verausgabung erst am Jahresende bzw. viertel- oder halbjährlich in einer Summe zusammengefaßt gebucht und die Arbeitsnachweise vernichtet worden seien. Das Finanzamt berichtigte die Veranlagung zur Einkommensteuer 1956, 1957 und 1958, indem es den Gewinn um bestimmte Beträge erhöhte und die an die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung geknüpften Steuervergünstigungen nicht anerkannte.

Der Steuerpflichtige griff die Veranlagungen an. Im Verfahren vor dem Finanzgericht ging es nur noch um die Frage, ob dem Steuerpflichtigen für die Jahre 1957 und 1958 die Vergünstigung für nicht entnommenen Gewinn zu gewähren sei und ob das Finanzamt den Gewinn der Jahre 1956 bis 1958 zu Recht um einen Sicherheitszuschlag von je 500 DM erhöht habe. Die Berufung hatte zum Teil Erfolg. Das Finanzgericht strich den Sicherheitszuschlag für die drei Jahre und billigte die Vergünstigung des § 10 a EStG für das Jahr 1958 zu. Der von dem Finanzgericht gehörte Sachverständige war zu dem Ergebnis gekommen, daß kein Grund für die Sicherheitszuschläge gegeben sei und daß die Buchführung des Steuerpflichtigen in den Jahren 1957 und 1958 zwar Mängel aufweise, daß diese aber nicht ausreichten, um die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung zu verneinen.

Mit seiner Rb. greift der Vorsteher des Finanzamts das Urteil des Finanzgerichts an, soweit es dem Steuerpflichtigen die Vergünstigung des § 10 a EStG für das Jahr 1958 gewährt hat. Das Finanzgericht, so führt er aus, habe die Bedeutung des Kontokorrentkontos in einem amerikanischen Journal verkannt und die Grundsätze der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs IV 15/51 S vom 23. Februar 1951 (BStBl 1951 III S. 75, Slg. Bd. 55 S. 199), IV 18/53 U vom 10. April 1953 (BStBl 1953 III S. 157, Slg. Bd. 57 S. 403) und IV 174/52 U vom 5. März 1953 (BStBl 1954 III S. 106, Slg. Bd. 58 S. 507) nicht beachtet.

Der Steuerpflichtige hat Anschlußbeschwerde eingelegt, soweit das Finanzgericht ihm die Vergünstigung des § 10 a EStG für das Jahr 1957 versagt hat. Er macht geltend, daß seine Buchführung, wenn auch mit anderen Benennungen, sowohl Debitoren- als auch Kreditorenkonten enthalte, die jederzeit einen überblick über den Stand der Forderungen und Verbindlichkeiten nach Gesamt- und Einzelbeträgen gestatten würden. Das Finanzgericht habe bei seiner Entscheidung für das Jahr 1957 eine Kassenabrechnung für Juli 1957, die nur kurzfristige Bedeutung gehabt habe, überbewertet. Der Mangel müsse innerhalb des Rahmens der Gesamtbuchführung als gering bewertet werden, so daß die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung anzuerkennen sei, zumal sich sachlich keine Unstimmigkeiten ergeben hätten.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. kann keinen Erfolg haben. Die Anschlußbeschwerde ist unzulässig.

I. - Zur Rb. des Finanzamts

II. - Zur Anschlußbeschwerde des Steuerpflichtigen

Was die Anschlußbeschwerde angeht, so ist dazu zu beachten, daß das angefochtene Urteil dem Vertreter des Steuerpflichtigen, einem vereidigten Buchprüfer, am 15. Dezember 1962 zugestellt worden ist. Die Rechtsmittelfrist ist demzufolge am 15. Januar 1963 abgelaufen. Mit Schreiben vom 7. Februar 1963, das beim Bundesfinanzhof am 8. Februar 1963 eingegangen ist, hat der Vertreter des Steuerpflichtigen beantragt, die "Urteilsentscheidung bezüglich des Geschäftsjahres 1957 aufzuheben, soweit nach dem Urteil ein Systemfehler der Gewährung der Vergünstigung des § 10 a EStG entgegensteht". Auf die Anfrage der Geschäftsstelle des Bundesfinanzhofs, ob das Schreiben vom 7. Februar 1963 als Anschlußbeschwerde aufgefaßt werden solle, erklärte der Vertreter des Steuerpflichtigen mit Schreiben vom 3. April 1963, das beim Bundesfinanzhof am 4. April 1963 eingegangen ist, daß sein Schreiben vom 7. Februar 1963 als Anschlußbeschwerde gelten solle.

Wie der Vorsteher des Finanzamts zutreffend ausführt, kann der Anschluß an eine Rb., die gegen ein Urteil, das mehrere Jahre betrifft, eingelegt worden ist, immer nur für die Jahre erklärt werden, die auch mit der Rb. angefochten worden sind. Im Streitfall hat der Vorsteher das Finanzamts das Urteil des Finanzgerichts aber nur für das Jahr 1958 mit der Rb. angegriffen. Nur für dieses Jahr hätten also auch der Steuerpflichtige den Anschluß an die Rb. des Finanzamts erklären können. Für das Jahr 1957, das der Steuerpflichtige angreift, ist ein Anschluß an die Rb. des Vorstehers des Finanzamts indessen nicht möglich. Die Tatsache, daß das Finanzgericht über die Jahre 1957 und 1958 in einem Urteil entschieden hat, bedeutet nur, daß es die Verfahren für zwei Streitjahre, die jedes für sich Gegenstand des Streits waren und über die je in einem eigenen Urteil hätte befunden werden können, aus Zweckmäßigkeitsgründen zur Arbeitsersparnis zusammengefaßt hat. Diese technische Zusammenfassung schließt nicht aus, daß die zusammengefaßten Streitsachen für die verschiedenen Jahre ein verschiedenes prozessuales Schicksal haben können, insbesondere daß das für die mehreren Jahre ergangene Urteil nur für ein Jahr oder einige von Jahren von den Prozeßbeteiligten angefochten wird. Für die Jahre, die nicht mit der Rb. angefochten sind, erwächst das Urteil in Rechtskraft.

Betrachtete man das Begehren des Steuerpflichtigen als selbständiges Rechtsmittel, so wäre es erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist, also verspätet eingelegt. Am 8. Februar 1963, als das Schreiben des Steuerpflichtigen vom 7. Februar 1963 bei dem Bundesfinanzhof einging, konnte, weil die dem Steuerpflichtigen zur Stellungnahme zur Rechtsmittelbegründungsschrift gesetzte Frist zu dieser Zeit noch nicht abgelaufen war, zwar eine Anschlußbeschwerde für das Jahr 1958, aber keine selbständige Rb. für das Jahr 1957 mehr eingelegt werden.

Wenn der Steuerpflichtige unter Hinweis darauf, daß ihm die Geschäftsstelle die Einlegung der Rb. durch den Vorsteher des Finanzamts erst mit Schreiben vom 29. Januar 1963 mitgeteilt habe, um Nachsicht wegen der Fristversäumnis bittet, so kann dem nicht entsprochen werden. Der Steuerpflichtige konnte und mußte sich innerhalb der aus der Rechtsmittelbelehrung des Urteils ersichtlichen Rechtsmittelfrist darüber klar werden, ob und in welchem Umfang er die Entscheidung des Finanzgerichts anfechten wollte oder nicht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411444

BStBl III 1965, 178

BFHE 1965, 494

BFHE 81, 494

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