Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufrechnung; Verpfändung von Steuererstattungsansprüchen

 

Leitsatz (NV)

1. Zur Aufrechnung durch das FA mit rückständigen Rundfunkgebühren (Erfordernis der Gegenseitigkeit).

2. Zur Wirksamkeit der Verpfändung von Steuererstattungsansprüchen.

 

Normenkette

AO 1977 § 46 Abs. 4, 6 S. 2, § 226 Abs. 4

 

Verfahrensgang

FG Berlin

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Bank, gewährte den Eheleuten M ein Darlehen in Höhe von 2 320,20 DM gegen Verpfändung des Erstattungsanspruchs aus dem Lohnsteuer-Jahresausgleich 1980. Sie zeigte die Verpfändung mit einem von den Darlehensnehmern mitunterzeichneten Formular dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) an.

Das FA erklärte gegenüber dem an die Klägerin verpfändeten Steuererstattungsanspruch die Aufrechnung mit folgenden Gegenansprüchen: Kraftfahrzeugsteuer insgesamt 638,50 DM (FA für Erbschaftsteuer und Verkehrsteuern), Polizeigebühren 198 DM und Bußgelder 116 DM (Polizeipräsident), Rundfunkgebühren 443,50 DM (Sender Freies Berlin - SFB -), Vollstreckungskosten 7 DM (FA Kreuzberg). Den nicht durch die Aufrechnung betroffenen Überschuß aus dem Lohnsteuer-Jahresausgleich 1980 der Eheleute M (1 207 DM) überwies das FA an die Klägerin.

Den Antrag der Klägerin, ihr weitere 764,50 DM (Aufrechnungsforderungen des Polizeipräsidenten, des SFB und des FA wegen Vollstreckungskosten) zu erstatten, lehnte das FA ab. Der Einspruch blieb erfolglos.

Die Klage der Klägerin führte zur Verurteilung des FA zur Auszahlung eines weiteren Betrages in Höhe von 443,50 DM. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung im wesentlichen aus, daß die Aufrechnung durch das FA mit rückständigen Rundfunkgebühren des SFB in dieser Höhe unwirksam sei, da es insoweit an der Gegenseitigkeit fehle. Zwar werde nach § 226 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO 1977) die Gläubiger-/SchuldnerEigenschaft auf seiten des Fiskus dahin fingiert, daß dies die Körperschaft sei, die die Steuern verwalte, so daß es nicht mehr auf die Ertragshoheit ankomme. Das FA verwalte aber nicht die Einnahmen aus Rundfunkgebühren. Denn der SFB sei eine Anstalt des öffentlichen Rechts (vgl. § 1 Abs. 2 der Satzung der Rundfunkanstalt ,,Sender Freies Berlin", Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin 1975, 146); er werde weder vom Bund noch vom Lande Berlin verwaltet. Die Erstattungsverpflichtung des FA und die Gebührenforderung des SFB hätten sich damit nicht aufrechenbar gegenübergestanden.

Die Gegenseitigkeit habe auch nicht durch ein an das FA gerichtetes Vollstreckungsersuchen des SFB (vgl. § 250 AO 1977) begründet werden können. Zwar gelte nach § 252 AO 1977 im Vollstreckungsverfahren die Körperschaft als Gläubigerin der zu vollstreckenden Ansprüche, der die Vollstreckungsbehörde angehöre. Das FA sei jedoch mit seiner Aufrechnung nicht im Vollstreckungsverfahren tätig geworden. Denn die Aufrechnung sei keine Maßnahme des Vollstreckungsrechts, sondern des Erhebungsverfahrens.

Soweit das FA mit Gebühren laut Polizeibescheid (198 DM) und Bußgeldern des Polizeipräsidenten in Berlin (116 DM) sowie mit Vollstreckungskosten (7 DM) aufgerechnet habe, seien die Aufrechnungen wirksam. Denn Gläubiger dieser Forderungen sowie Schuldner des Erstattungsanspruchs i.S. des § 226 Abs. 4 AO 1977 sei das Land Berlin gewesen, so daß insoweit die Gegenseitigkeit gewahrt sei. Das FA habe bei seinen Aufrechnungserklärungen das Land Berlin vertreten. Da ihm die Einziehung der Forderung des Polizeipräsidenten übertragen worden sei, sei es auch hinsichtlich dieser Forderung zur Abgabe der Aufrechnungserklärung ermächtigt gewesen.

Entgegen der Ansicht des FA sei der Lohnsteuer-Erstattungsanspruch auch wirksam an die Klägerin verpfändet worden (§ 46 Abs. 6 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 und 3 AO 1977).

Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision beantragt das FA, die Vorentscheidung aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Es rügt, daß das FG keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen getroffen habe, ob der Klägerin ein Zahlungsanspruch zustehe. Ohne Kenntnis des Inhalts des Abtretungsvertrages, den das FG nicht festgestellt habe, lasse sich nicht nachvollziehen, ob eine nach § 46 Abs. 4 AO 1977 zulässige Sicherungsabtretung vorliege oder ob es sich um eine nichtige Abtretung erfüllungshalber handele. Das FA verweist in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des erkennenden Senats vom 13. Oktober 1983 VII R 146/82 (BFHE 139, 491, BStBl II 1984, 183).

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Die Ausführungen des FG zu den vom FA erklärten Aufrechnungen sind im Ergebnis nicht zu beanstanden. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats kann das FA gegen Steuererstattungsansprüche mit Forderungen aufrechnen, die nicht aus einem Steuerschuldverhältnis herrühren. Das gilt auch unter den in Stadtstaaten gegebenen besonderen Verhältnissen, wobei das FA bei der Abgabe der Aufrechnungserklärung zur Vertretung des Landes als des Gläubigers der Aufrechnungsgegenforderung befugt ist (Urteil vom 4. Oktober 1983 VII R 143/82, BFHE 139, 487, BStBl II 1984, 178). Bei der Aufrechnung des FA mit außersteuerrechtlichen Ansprüchen muß indes die Gegenseitigkeit (§ 226 Abs. 1 AO 1977, § 387 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) gewahrt sein. Da gemäß § 226 Abs. 4 AO 1977 - in der Fassung bis zum 31. Dezember 1986 (vgl. Art. 1 Nr. 40 und Art. 25 des Steuerbereinigungsgesetzes 1986 vom 19. Dezember 1985, BGBl I 1985, 2436) - für die Aufrechnung als Gläubiger oder Schuldner eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis die Körperschaft gilt, die die Steuer verwaltet, kann die Aufrechnung gegen einen Steuererstattungsanspruch nur mit einer Forderung derjenigen Körperschaft erfolgen, der die Verwaltung der Steuer obliegt, auf die sich der Erstattungsanspruch bezieht (Senat in BFHE 139, 491, BStBl II 1984, 183). Kann demnach das FA gegen einen Lohnsteuererstattungsanspruch nicht aufrechnen, weil die hierfür zur Verfügung stehende Gegenforderung nicht dem die Lohnsteuer verwaltenden Land (vgl. § 226 Abs. 4 AO 1977) zusteht, sondern einer anderen Körperschaft, so wird die fehlende Gegenseitigkeit auch nicht dadurch begründet, daß das FA von dieser Körperschaft oder der für sie zuständigen Behörde um die Vollstreckung der Forderung ersucht worden ist (Urteil des Senats vom 3. November 1983 VII R 38/83, BFHE 140, 9, BStBl II 1984, 185).

Von diesen Grundsätzen ist auch das FG bei seiner Entscheidung zur Aufrechnung ausgegangen. Es hat zu Recht die Aufrechnung durch das FA mit den Polizeigebühren, Bußgeldern und Vollstreckungskosten für wirksam angesehen, weil Gläubiger dieser Forderungen das Land Berlin war, das als die die Lohnsteuer verwaltende Körperschaft nach § 226 Abs. 4 AO 1977 auch Schuldner des Erstattungsanspruchs war. Hinsichtlich der Aufrechnung mit den rückständigen Rundfunkgebühren hat das FG deren Wirksamkeit mangels Gegenseitigkeit zutreffend verneint. Denn Gläubiger der Rundfunkgebühren war der SFB als selbständige Anstalt des öffentlichen Rechts, während das Land Berlin Schuldner des Lohnsteuererstattungsanspruchs war. Wie ausgeführt, reicht es für die zur Aufrechnung erforderliche Identität von Gläubiger und Schuldner nicht aus, daß das FA vom SFB um die Vollstreckung der Rundfunkgebühren ersucht worden ist (vgl. § 250 AO 1977). Da gegen die Entscheidung des FG zur Aufrechnung von der Revision keine Einwendungen erhoben werden, nimmt der Senat insoweit zur weiteren Begründung auf seine vorstehend zitierte Rechtsprechung und auf die Ausführungen des FG Bezug.

2. Die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen reichen indes nicht zu der Annahme aus, daß der Klägerin ein Zahlungsanspruch zusteht. Die Frage, ob die Verpfändung wirksam ist, muß anhand der im Urteil des erkennenden Senats vom 3. Februar 1984 VII R 102/83 (BFHE 140, 415, BStBl II 1984, 413) dargelegten Rechtsausführungen geprüft werden. Danach ist der geschäftsmäßige Erwerb von Pfandrechten an Steuererstattungsansprüchen nur zulässig, wenn der Verpfändungsvertrag dem Pfandgläubiger (Kreditinstitut) im wirtschaftlichen Ergebnis keine weitergehenden Rechte an der verpfändeten Forderung als bei einer Sicherungsabtretung verschafft. Aus den Ausführungen der Vorinstanz läßt sich mangels zureichender tatsächlicher Feststellungen ohne Kenntnis des Inhalts der Verpfändungsvereinbarung diese rechtliche Würdigung nicht nachvollziehen. Das FG hat den Vertragsinhalt nicht festgestellt und auf den Vertrag auch nicht zulässig Bezug genommen. Sein bloßer Hinweis auf die Abtretungs- und Verpfändungsvorschriften in der AO 1977 reicht zur Annahme einer der Sicherungsabtretung gleichstehenden Verpfändung nicht aus.

3. Der Senat kann im Streitfall nicht selbst entscheiden, weil Feststellungen darüber fehlen, die eine Beurteilung ermöglichen, ob die Verpfändung wirksam ist. Das FG wird die entsprechenden Feststellungen nachzuholen und auf ihrer Grundlage zu entscheiden haben.

 

Fundstellen

BFH/NV 1988, 276

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