Leitsatz (amtlich)

Geben Eltern einer heiratenden Tochter, die im Zeitpunkt der Eheschließung eine Berufsausbildung begonnen, aber noch nicht abgeschlossen hat, aus Anlaß der Eheschließung eine Ausstattung, so ist diese Zuwendung in der Regel nicht als außergewöhnliche Belastung der Eltern aufgrund einer sittlichen Verpflichtung anzuerkennen, wenn die Tochter ihre Berufsausbildung nach der Verheiratung fortsetzt.

 

Normenkette

EStG § 33

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hat seiner 1948 geborenen Tochter, die 1969 geheiratet hat, im Jahre 1969 eine Aussteuer zugewendet. Die Tochter, die 1966 nach dem Besuch einer weiterführenden Schule die Ausbildung als Verwaltungspraktikantin bei der Stadt X. begonnen hat, ist Stadtinspektoranwärterin. Der Kläger hat für seine Tochter, die im Jahre 1969 einen Unterhaltszuschuß von etwa 3 000 DM bezogen hat, einen Kinderfreibetrag erhalten. Sie hat ihre Ausbildung, wie der Kläger in seiner Revisionsbegründung mitgeteilt hat, Ende 1971 beendet. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) lehnte es ab, die Aussteueraufwendungen des Klägers seinem Antrag gemäß als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG zu berücksichtigen.

Die Sprungklage des Klägers hatte keinen Erfolg. Das FG verneinte die Zwangsläufigkeit der Aussteueraufwendungen, da diese nach der Rechtsprechung des BFH nur bei Vorliegen besonderer Umstände als zwangsläufig im Sinne von § 33 Abs. 2 EStG anzuerkennen seien. Wenn Eltern einer Tochter vor der Eheschließung eine Berufsausbildung hätten zukommen lassen, habe der BFH eine steuerlich berücksichtigungsfähige außergewöhnliche Belastung nicht anerkannt. Ob ebenso zu entscheiden sei, wenn die Ausbildung der Tochter im Zeitpunkt der Eheschließung noch nicht beendet sei, habe der BFH nicht zu erkennen gegeben. Dies sei aber zu bejahen. Die Tochter des Klägers habe eine weitergehende Schule besucht; sie sei bis zur Verheiratung schon drei Jahre für einen Beruf ausgebildet worden. Bei einer im Zeitpunkt der Eheschließung so weit fortgeschrittenen Ausbildung habe eine sittliche Verpflichtung des Klägers zur Gewährung einer Aussteuer jedenfalls nicht mehr bestanden, zumal der Kläger mit seiner Tochter über die Fortsetzung der Ausbildung nach der Verheiratung einig gewesen sei.

Der Kläger rügt mit seiner Revision unrichtige Anwendung des § 33 EStG. Da die gesamte Ausbildung der Tochter länger als fünf Jahre gedauert habe, sei davon im Zeitpunkt der Eheschließung noch nicht einmal 1/3 verstrichen gewesen. Bei einer so langwierigen Ausbildung müsse man zu dem gegenteiligen Schluß als dem des FA kommen. Unter Bezugnahme auf sein früheres Vorbringen beantragt der Kläger, seine Aussteueraufwendungen als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG anzuerkennen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Der erkennende Senat hat im Grundsatzurteil vom 16. August 1967 VI 170/65 (BFHE 89, 447, BStBl III 1967, 700) die Auffassung vertreten, daß Ausstattungen, die Eltern ihren Kindern aus Anlaß der Verheiratung zukommen lassen, grundsätzlich dem Vermögensbereich zuzurechnen sind und damit für eine Berücksichtigung nach § 33 EStG nicht in Betracht kommen. Die Aussteuer, auf die früher eine heiratende Tochter nach § 1620 BGB a. F. einen Rechtsanspruch hatte, ist außerdem seit der Streichung dieser Vorschrift durch das Gleichberechtigungsgesetz vom 18. Juni 1957 eine Unterart der in § 1624 BGB geregelten Ausstattung, auf die kein Rechtsanspruch besteht. Ausstattungen, die Eltern einer heiratenden Tochter geben, können nunmehr nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nur dann als zwangsläufig und damit als berücksichtigungsfähig nach § 33 EStG angesehen werden, wenn nach Lage des Falles ausnahmsweise eine sittliche Verpflichtung der Eltern zu dieser Zuwendung anzunehmen ist.

Die Verwaltung hat die von der Rechtsprechung im einzelnen hierzu entwickelten Grundsätze übernommen und sie in Abschn. 188 EStR 1969 ergänzt. Nach der Rechtsprechung des Senats und der Verwaltungspraxis ist danach eine sittliche Verpflichtung der Eltern zur Gewährung einer Aussteuer an eine heiratende Tochter nur noch ausnahmsweise anzuerkennen. Sie wurde insbesondere verneint, wenn die Eltern der Tochter eine Berufsausbildung haben zukommen lassen. Für diese Beurteilung spricht vor allem die nach dem Gleichberechtigungsgesetz gebotene Gleichbehandlung der Zuwendungen an Söhne und Töchter. Da es inzwischen auch ganz allgemein üblich geworden ist, daß nicht nur Söhne, sondern auch Töchter für einen Beruf ausgebildet werden, können Zuwendungen an eine Tochter grundsätzlich auch nicht anders behandelt werden als solche an einen Sohn, bei denen der Senat gleichfalls für die als Ausstattung gemachten Zuwendungen eine Steuerermäßigung nach § 33 EStG wegen fehlender Zwangsläufigkeit verneint (z. B. Urteil VI R 51/66 vom 18. August 1967, BFHE 90, 61, BStBl III 1967, 758).

Für den Fall, daß die Berufsausbildung einer Tochter im Zeitpunkt ihrer Verheiratung noch nicht abgeschlossen ist, wird in Abschn. 188 Abs. 1 Satz 4 EStR 1969 eine sittliche Verpflichtung und damit die Anwendbarkeit des § 33 EStG verneint, wenn die Tochter ihre Berufsausbildung nach der Eheschließung fortsetzt. Der Senat hat zu dieser Frage bisher noch nicht Stellung genommen. Er tritt aber für den Regelfall der von der Verwaltung vertretenen Auffassung bei; denn wenn die Berufsausbildung der Tochter nach der Eheschließung fortgesetzt wird, kann im allgemeinen angenommen werden, daß die begonnene Berufsausbildung der Tochter auch zur Erlangung eines entsprechenden Berufszieles führt und deshalb keine Veranlassung besteht, diese Fälle steuerlich anders zu behandeln als die, bei denen die Berufsausbildung der Tochter bereits abgeschlossen war. Die in den EStR enthaltene Verwaltungsanweisung ist daher für den Regelfall vertretbar. Ob eine andere Beurteilung dann angebracht ist, wenn eine Tochter die Berufsausbildung nach der Eheschließung abbricht oder unterbricht, braucht im vorliegenden Rechtsstreit nicht entschieden zu werden; denn die Tochter des Klägers hat unstreitig ihre im Zeitpunkt der Eheschließung schon etwa drei Jahre dauernde Berufsausbildung fortgesetzt und Ende 1971 auch abgeschlossen. Bei dieser Sachlage konnte das FG eine sittliche Verpflichtung des Klägers zur Gewährung einer Aussteuer an seine Tochter verneinen, zumal nichts vorgetragen wurde und auch nichts ersichtlich ist, was für eine andere Beurteilung sprechen könnte.

 

Fundstellen

BStBl II 1974, 519

BFHE 1974, 387

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