Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Eine bessere Gestaltung von Bauland im Sinne des § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG ist auch dann gegeben, wenn fertiges Bauland (d. h. Bauland, das für sich allein keiner besseren Gestaltung bedarf) mit fertigem Bauland zusammengelegt wird, um dadurch, neuzeitlichen Bebauungsgrundsätzen entsprechend, großräumige, sich über größere Grundflächen erstreckende Großbauvorhaben durchführen zu können.

 

Normenkette

GrEStG § 4/1/3/b

 

Tatbestand

Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 21. Dezember 1951 erwarben tauschweise:

die Bgin., ein gemeinnütziges Wohnungsunternehmen, von der X.-AG Grundstücke in einer Gesamtgröße von 16 ha 64 a 16 qm,

die X.-AG von der Bgin. landwirtschaftlich genutzte Grundstücke in der gleichen Gesamtgröße.

Zum Ausgleich des Mehrwerts der von der X.-AG erworbenen Grundstücke wurde von dieser eine Zuzahlung von 44.900 DM geleistet. Die jeweils erworbenen Grundstücksflächen lagen in unmittelbarem Zusammenhang mit anderen, den beiden Erwerbern schon gehörenden und von ihnen bereits bebauten Grundstücken. Durch den Tausch wurde bezweckt, den Erwerbern die Möglichkeit zu geben, im Anschluß an bereits vorhandene Siedlungen weitere Siedlungsbauten für ihre Werksangehörigen auf den im Tausch erworbenen Grundstücken zu errichten.

Während das Finanzamt den Grundstückserwerb zu 1. gemäß § 4 Abs. 1 Ziff. 1 a GrEStG von der Grunderwerbsteuer freistellte, wurde der Grundstückserwerb zu 2. durch Steuerbescheid vom 24. März 1952 zur Grunderwerbsteuer herangezogen. Der Berechnung der Steuer wurden der mit 108.400 DM ermittelte gemeine Wert der von der X.-AG hingegebenen Grundstücke sowie die Zuzahlung von 44.900 DM zugrunde gelegt. Der Steuerbescheid wurde an die Bgin. gerichtet, weil diese auch eine etwa entstehende Grunderwerbsteuer übernommen hatte. In dem Grunderwerbsteuerbescheid wurde darauf hingewiesen, daß die von der Bgin. geltend gemachte Steuerbefreiung gemäß § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG (freiwilliger Austausch von Grundstücken zur besseren Gestaltung von Bauland) nicht Platz greifen könne, weil die Zweckdienlichkeit des Grundstückstausches im Sinne dieser Bestimmung vom zuständigen Katasteramt nicht anerkannt worden sei.

Während des Einspruchsverfahrens wurde von der Bgin. gegen die Versagung der Zweckdienlichkeitsbescheinigung durch das Katasteramt (ß 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG) Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht erhoben. Das Landesverwaltungsgericht Münster gab dem Klageantrag durch Urteil vom 30. Juni 1953 statt. Die vom Katasteramt eingelegte Berufung wurde durch Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 9. Februar 1954 (Deutsche Steuer-Zeitung 1954, Ausgabe B, S. 215; Deutsche Notar-Zeitschrift 1954 S. 657) zurückgewiesen. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts wurde rechtskräftig.

In dem Verwaltungsstreitverfahren hatte das Katasteramt die Ansicht vertreten, von einer "besseren Gestaltung von Bauland" im Sinne des § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG könne bei dem in Betracht kommenden Grundstückstausch nicht gesprochen werden; jede der beiden Tauschflächen sei bereits als Bauland ausgewiesen und könne im Hinblick auf ihre Größe und grundrißmäßige Gestalt ohne den Tausch ebensogut bebaut werden. Der übergang fertigen Baulands dieser Art von einer Hand in die andere sei kein Tausch "zur besseren Gestaltung von Bauland". Der Tausch erstrebe nicht eine objektiv bessere Bebaubarkeit der Grundstücke, sondern nur einen subjektiven Vorteil der Bgin., die nunmehr in der Lage sei, die beabsichtigte Siedlung in der Nähe ihres Werksgeländes statt auf dem im Tauschweg abgegebenen entfernter liegenden Grundstück zu errichten.

Demgegenüber hat das Oberverwaltungsgericht Münster es als eine zu enge Auslegung des Begriffs "zur besseren Gestaltung von Bauland" angesehen, wenn dieser Begriff auf solche Tatbestände beschränkt werde, bei denen das erworbene Grundstück zusammen mit dem anschließenden bereits im Eigentum des Erwerbers befindlichen Grundstück eine grundrißmäßig bessere Gestaltung des Gesamtgrundstücks und dadurch der Bebaubarkeit ergebe. Nach Ansicht des Oberverwaltungsgerichts ist die Frage, ob eine bessere Gestaltung von Bauland eintritt, nicht nur nach grundrißmäßigen oder bautechnischen Gesichtspunkten zu beurteilen, vielmehr seien alle Auswirkungen zu berücksichtigen, die bei einer Bebauung des Grundstücks nach den Absichten des Erwerbers eintreten; insbesondere könnten allgemein-wirtschaftliche, soziale und verkehrsmäßige Auswirkungen nicht unberücksichtigt bleiben. Auf Grund dieses Urteils des Oberverwaltungsgerichts wurde der Grundstückstausch durch Bescheinigung des zuständigen Katasteramts vom 11. Mai 1954 als zweckdienlich im Sinne des § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG anerkannt.

Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen. Auf die Berufung wurden die Einspruchsentscheidung und der Steuerbescheid des Finanzamts ersatzlos aufgehoben.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist ohne Erfolg.

Ohne Einfluß auf die Beurteilung ist es, daß die im Streitfall in Betracht kommenden (das heißt die von der Bgin. hingegebenen) Tauschgrundstücke zunächst nach wie vor landwirtschaftlich genutzt werden. Wie der Reichsfinanzhof wiederholt entschieden hat, ist die Steuerbefreiung des § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG 1940 (= § 8 Nr. 7 GrEStG 1919/1927) auch dann anwendbar, wenn nur ein Tauschgrundstück bebaut werden soll; dies ist hier zweifelsfrei geschehen. Daß das andere Tauschgrundstück zunächst unverändert landwirtschaftlich genutzt wird, schließt somit die Anwendbarkeit der Steuerbefreiung nicht aus, und zwar auch dann nicht, wenn es sich hierbei, wie im Streitfall, um das Grundstück handelt, dessen Erwerb den Steuerstreit ausgelöst hat. Siehe dazu die Urteile des Reichsfinanzhofs II A 284/25 vom 9. Juni 1925 (Slg. Bd. 16 S. 316) und II 58/42 vom 6. August 1942 (RStBl 1942 S. 1076, Slg. Bd. 52 S. 124). Dieser Rechtsprechung wird beigetreten.

Unerheblich ist ferner, daß seitens der X.-AG eine Zuzahlung von 44.900 DM geleistet wurde. Wie der Senat mehrfach entschieden hat, kann von einem Grundstückstausch auch dann gesprochen werden, wenn die Zuzahlung in einem Spitzenbetrag besteht; dabei kann allerdings in einer Zuzahlung, die den Wert des veräußerten Grundstücks fast erreicht oder ihn sogar überschreitet, ein unschädlicher Spitzenbetrag nicht mehr erblickt werden. Siehe unter anderem die Urteile des Senats II 8/55 S vom 23. Februar 1956 (BStBl 1956 III S. 130, Slg. Bd. 62 S. 353) und II 182/56 U vom 8. Oktober 1958 (BStBl 1959 III S. 7, Slg. Bd. 68 S. 15). Im Streitfall beträgt der genaue Wert des hingegebenen Grundstücks 108.400 DM. Die Zuzahlung ist somit noch als die Zahlung eines unschädlichen Spitzenbetrages anzusehen.

Weiter kann als richtig angesehen werden, daß die Finanzverwaltungsbehörden bzw. die Steuergerichte in den Fällen des § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG 1940 (= § 8 Nr. 7 GrEStG 1919/1927) an die Zweckdienlichkeitsbescheinigung der Katasterämter insoweit nicht gebunden sind, als es sich darum handelt, ob im Streitfall die Steuerrechtsbegriffe "Austausch von Grundstücken", "bessere Gestaltung von Bauland" und "Bauland" erfüllt sind. Siehe auch die Urteile des Reichsfinanzhofs II A 272/30 vom 22. Juli 1930 (Steuer und Wirtschaft 1930 Nr. 1212, Mrozek-Kartei, Grunderwerbsteuergesetz 1919/1927, § 8 Allgemeines, Rechtsspruch 26) und II a 487/31 vom 18. März 1932 (RStBl 1932 S. 749, Mrozek-Kartei, Grunderwerbsteuergesetz 1919/1927, § 8 Nr. 7 Rechtssprüche 19 und 20). Außerdem kann davon ausgegangen werden, daß - entgegen der Auffassung des Finanzgerichts - unter "besserer Gestaltung" von Bauland lediglich eine solche grundrißmäßiger (bautechnischer) Art zu verstehen ist, nicht aber ein Austausch aus allgemein-wirtschaftlichen, sozialen oder verkehrsmäßigen Gesichtspunkten.

Die angefochtene Entscheidung ist in jedem Falle aufrechtzuerhalten.

Dem Finanzgericht kann ohne weiteres darin zugestimmt werden, daß jede der Tauschflächen im Hinblick auf ihre Größe und grundrißmäßige Gestalt ohne den Tausch gleichfalls hätte bebaut werden können. Richtig ist außerdem, wie das Finanzgericht ausführt, daß der Tausch im Streitfall auch dem subjektiven Vorteil der Bgin. diente, die dadurch in den Stand gesetzt wurde, die beabsichtigte Siedlung statt auf dem im Tausch abgegebenen entfernt gelegenen Grundstück in der Nähe ihres Werksgeländes zu errichten. Dem Finanzamt ist darin zuzustimmen, daß lediglich ein solcher Tauschgrund nicht als bessere Gestaltung von Bauland angesehen werden kann; erforderlich ist vielmehr, daß zugleich eine bessere Gestaltung von Bauland stattfindet.

Dieser Fall liegt hier vor. Eine bessere Gestaltung von Bauland ist auch dann gegeben, wenn fertiges Bauland (das heißt Bauland, das für sich allein keiner besseren Gestaltung bedarf) mit angrenzendem fertigem Bauland zusammengelegt wird, um dadurch, neuzeitlichen Bebauungsgrundsätzen entsprechend, eine großräumige Bebauung zu erreichen. Es liegt im Zuge moderner Bauentwicklung, die engräumige Bebauungsart vergangener Zeiten zu verlassen und durch großräumige, sich über größere Grundflächen erstreckende Großbauvorhaben zu ersetzen. Es dient also auch der besseren Gestaltung von Bauland, wenn mehrere an sich fertige Bauplätze zusammengelegt werden, um darauf Großwohnbauten, Hochhäuser, Großgeschäftshäuser, zusammenhängende Großwohnsiedlungen zu erstellen. Der Senat hat keine Bedenken, unter diesen Voraussetzungen in einem Grundstücksaustausch, durch den fertiges Bauland zusammengelegt wird, gleichfalls eine bessere Gestaltung von Bauland im Sinne des § 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG zu erblicken, zumal auch in diesem Fall eine flächenmäßige Umgestaltung von Bauland eintritt.

Soweit der Streitfall in Betracht kommt, hat das Finanzgericht ohne Rechtsirrtum und ohne Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten festgestellt:

"Im Streitfall gehörte der Beruferin westlich der S-Straße bereits ein Geländestreifen, auf dem in einer schmalen Zeile einige Häuser gebaut waren. Durch den Erwerb des Tauschgrundstücks wurde die Beruferin in die Lage versetzt, an diesen Streifen anschließend eine großräumige, geschlossene Siedlung zu errichten. Der bereits vorhandene Geländestreifen und das erworbene Tauschgrundstück gewährleisteten zusammen eine einheitliche Bebauungsmöglichkeit."

Diese Feststellungen, an die der Senat gebunden ist (ß 288 Nr. 1, § 296 Abs. 1 AO) reichen aus, um im Streitfall einen Austausch von Grundstücken zur besseren Gestaltung von Bauland (ß 4 Abs. 1 Ziff. 3 b GrEStG) zu bejahen.

Die Rb. war somit als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

BStBl III 1960, 270

BFHE 1961, 58

BFHE 71, 58

StRK, GrEStG:4/1/3 R 8

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