Leitsatz (amtlich)

Die Berichtigung des Einheitswerts des Betriebsvermögens zuungunsten des Steuerpflichtigen nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO ist grundsätzlich nur zulässig, wenn die neuen Tatsachen zu einer Erhöhung des Einheitswerts von mindestens 5 000 DM führen.

 

Normenkette

AO § 222 Abs. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Streitig ist die Zulässigkeit des Erlasses von Berichtigungsbescheiden zur Feststellung der Einheitswerte des Betriebsvermögens der Revisionsklägerin (= Klägerin, im folgenden Steuerpflichtige) auf den 1. Januar 1964, 1965 und 1966.

Das FA (= Revisionsbeklagter und Beklagter) stellte die Einheitswerte des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1964, 1965 und 1966 entsprechend den eingereichten Vermögensaufstellungen wie folgt fest:

Einheitswert des Betriebsvermögens

1. Januar 1964 1. Januar 1965 1. Januar 1966

324 000 DM 449 000 DM 368 000 DM

Nach einer im Jahre 1966 durchgeführten Betriebsprüfung ergab sich folgende Erhöhung der Einheitswerte:

1. Januar 1964 1. Januar 1965 1. Januar 1966

328 000 DM 455 000 DM 377 000 DM

Gegen diese berichtigten Bescheide hat die Steuerpflichtige Sprungklage erhoben. Sie ist der Meinung, daß die durch die Betriebsprüfung aufgedeckten neuen Tatsachen nicht von einigem Gewicht seien und daß deshalb eine Berichtigung der Einheitswert-Bescheide des Betriebsvermögens nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO nicht zulässig sei.

Demgegenüber war das FA der Auffassung, daß jede Änderung eines Einheitswert-Bescheides zulässig sei, da die steuerlichen Auswirkungen nicht überschaubar seien. Die Einheitswert-Bescheide seien nicht nur Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer nach dem Gewerbekapital und für die Vermögensteuer, sondern auch Grundlage für die Berechnung der Erbschaftsteuer und des Vermögensverfalls bei Erlaßanträgen für Vermögensabgabe nach § 203 Abs. 5 LAG; mittelbar diene der Einheitswert auch zur Berechnung der Handels- bzw. Handwerkskammerbeiträge.

Das FG hielt den Erlaß der berichtigten Bescheide auf den 1. Januar 1965 und 1. Januar 1966 für gerechtfertigt, eine Berichtigung des Einheitswert-Bescheides auf den 1. Januar 1964 dagegen für unzulässig, weil die Wertabweichung von nur 4 000 DM nicht gewichtig genug sei. Die Berichtigung von Steuerbescheiden nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO zuungunsten der Steuerpflichtigen wie auch nach § 222 Abs. 1 Nr. 2 AO zugunsten der Steuerpflichtigen seien nach der Rechtsprechung des BVerfG und des BFH zulässig. Voraussetzung sei lediglich, daß es sich um Abweichungen von einigem Gewicht handle. Das FG ist der Meinung, daß eine Abweichung von mindestens 5 000 DM von dem festgestellten Einheitswert gewichtig genug sei, um eine Berichtigung durchführen zu können. Die Vorinstanz geht dabei von der Überlegung aus, daß eine Fortschreibung des Einheitswerts des Betriebsvermögens eine Abweichung von mindestens 5 000 DM voraussetzt. Wertabweichungen, die diesen Betrag nicht erreichen, sind nach Auffassung der Vorinstanz noch nicht "von einigem Gewicht". Bei Beachtung dieses Grundsatzes kam das FG dazu, die Berichtigung in der Einheitswert-Feststellung auf den 1. Januar 1964 als unzulässig anzusehen, weil die Wertabweichung nur 4 000 DM betrage. Die Berichtigungen der Einheitswerte auf den 1. Januar 1965 und 1. Januar 1966 hielt es dagegen für zulässig, weil der Mindestbetrag von 5 000 DM überschritten sei.

Hiergegen richtet sich die Revision der Steuerpflichtigen, die sich zur Begründung auf ihr bisheriges Vorbringen beruft.

Das FA hat sich in der Entgegnung zur Revision der Beurteilung durch das FG angeschlossen. Es hält die Revision gegen den Berichtigungsbescheid auf den 1. Januar 1964 für "offensichtlich unbegründet", da die Steuerpflichtige im finanzgerichtlichen Verfahren insoweit obgesiegt habe. Hinsichtlich der Einheitswert-Feststellungen auf den 1. Januar 1965 und 1. Januar 1966 beantragte das FA, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision der Steuerpflichtigen hat keinen Erfolg.

Der erkennende Senat hat sich bereits in seiner Entscheidung III 143/61 U vom 21. Februar 1964 (BFH 79, 562, BStBl III 1964, 437) mit der Frage befaßt, ob und unter welchen Voraussetzungen die Berichtigung eines Einheitswerts des Betriebsvermögens gemäß § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO zulässig ist. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung anderer Senate des BFH zur Berichtigung von Steuerbescheiden nach den genannten Vorschriften hat auch der erkennende Senat entschieden, daß die Tatsachen, die zu einer Berichtigung führen sollen, "von einigem Gewicht" sein müssen. Der erkennende Senat hält an diesem Grundsatz fest. In diesem Urteil hat der Senat jedoch nicht entschieden, ob hierbei auf das Mehrvermögen oder auf die sich dadurch ergebenden Mehrsteuern abzustellen sei, weil in dieser Entscheidung auf jeden Fall die Berichtigung als zulässig anzusehen war.

Der Einheitswert des Betriebsvermögens ist Bemessungsgrundlage für eine Reihe von Steuern und ggf. auch für die Berechnung sonstiger öffentlich-rechtlicher Gebühren und Beiträge, worauf die Beteiligten im Laufe des Verfahrens wiederholt hingewiesen haben. Die steuerliche Auswirkung einer Berichtigung des Einheitswerts des Betriebsvermögens läßt sich aber nur in einfachen und klarliegenden Fällen übersehen. Es erscheint daher gerechtfertigt, bei Berichtigungsveranlagungen nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO einen absoluten Betrag festzulegen, bei dessen Nichterreichen davon ausgegangen werden kann, daß die durch Betriebsprüfung festgestellten neuen Tatsachen nicht "von einigem Gewicht" sein können.

Die Vorinstanz hat ausgeführt, daß der Gesetzgeber die Wertgrenze für eine Wertfortschreibung des Einheitswerts des Betriebsvermögens in § 22 Abs. 1 Nr. 2 BewG auf mindestens 5 000 DM von dem zuletzt festgestellten Einheitswert begrenzt hat. Der erkennende Senat sieht in dieser in § 22 Abs. 1 Nr. 2 BewG enthaltenen Wertgrenze von 5 000 DM einen vertretbaren Anhalt für die Beantwortung der Frage, ob die von der Betriebsprüfung zuungunsten des Steuerpflichtigen festgestellten neuen Tatsachen "von einigem Gewicht" sind oder nicht. Die Bezugnahme auf gesetzlich festgelegte Wertgrenzen hat der erkennende Senat für die Zulässigkeit einer Berichtigungsveranlagung zur Vermögensteuer in dem Urteil III 83/64 vom 2. Juni 1967 (BFH 89, 205, BStBl III 1967, 578) für möglich erachtet, wobei er damals allerdings darauf abstellte, daß der Mehrbetrag an Vermögensteuer auf ein steuerpflichtiges Vermögen von über 10 000 DM entfiel, "eines Betrages, der den zum damaligen Stichtag für den Revisionsbeklagten anzusetzenden Vermögensteuerfreibetrag überstieg (vgl. § 5 Abs. 1 VStG in der Fassung vor dem StÄndG 1961)". Schon ein Mehrbetrag an Vermögensteuer von 90 DM wurde in diesem Fall als ausreichend angesehen, um damals eine Berichtigungsveranlagung zu rechtfertigen. Entsprechend diesen Grundsätzen hält der Senat die von der Vorinstanz angenommene Begrenzung auf 5 000 DM zumindest für den Fall einer Berichtigungsveranlagung nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO für zutreffend.

Das FG hatte bei Anwendung dieser Grundsätze den berichtigten Bescheid des FA vom 31. August 1967 insoweit aufgehoben, als es die Feststellung des Einheitswerts des gewerblichen Betriebes auf den 1. Januar 1964 betraf. Die Steuerpflichtige ist insoweit nicht beschwert und die Revision als unzulässig zurückzuweisen. Da die Berichtigung des Einheitswerts des Betriebsvermögens auf die Stichtage 1. Januar 1965 und 1966 die vorgenannte Grenze von 5 000 DM übersteigt, war die Durchführung der Berichtigung zulässig.

Nach alledem erweist sich die Revision hinsichtlich der Berichtigung des Einheitswerts des Betriebsvermögens der Steuerpflichtigen auf den 1. Januar 1964 als unzulässig und hinsichtlich der Berichtigung der Einheitswert-Feststellungen auf den 1. Januar 1965 und 1966 als unbegründet.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69332

BStBl II 1971, 152

BFHE 1971, 25

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