Entscheidungsstichwort (Thema)

Umzugskosten und Dienstreisen eines Rechtsreferendars

 

Leitsatz (NV)

1. Umzugskosten eines Arbeitnehmers können nur dann als Werbungskosten abgezogen werden, wenn einwandfrei feststeht, daß der Umzug nahezu ausschließlich beruflich veranlaßt war. Hat sich durch den Umzug die Entfernung zur (gleichgebliebenen) Arbeitsstätte von 14 auf 5 km verringert und hat das FG die weiteren Umstände dahin gewürdigt, daß der Umzug auch auf privaten Gründen beruhte, so ist der BFH an diese tatsächliche Würdigung grundsätzlich gebunden.

2. Zur Anwendung von Dienstreisegrundsätzen bei einem Rechtsreferendar, der an verschiedenen Ausbildungsstätten seine Arbeit erbringt, wenn eine dieser Ausbildungsstätten als dauerhafter Mittelpunkt der Ausbildungstätigkeit anzusehen ist.

 

Normenkette

EStG §§ 9, 12 Nr. 1

 

Tatbestand

Der ledige Kläger und Revisionskläger (Kläger) war im Streitjahr 1983 als Rechtsreferendar tätig. Seine Stammdienststelle war das Landgericht M. Im April des Streitjahres zog er von der Wohnung seiner Eltern, in der ihm ein 10 qm großes Zimmer zur Verfügung stand, in eine 54 qm große Mietwohnung um. Die Entfernung zur Stammdienststelle verringerte sich durch den Umzug von 14 auf 5 km. Für die Zeit vom 1. November 1983 bis 31. Januar 1984 hatte der Dienstherr den Kläger auf dessen Antrag unter Zahlung einer Trennungsentschädigung von 809,10 DM zur Fortsetzung des juristischen Vorbereitungsdienstes der deutschen Handelskammer X im (fernen) Ausland zugewiesen.

In seinem Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich 1983 machte der Kläger Umzugskosten in Höhe von 500 DM sowie für den Aufenthalt in X u.a. Mehraufwendungen für Verpflegung nach den für Auslandsdienstreisen geltenden Pauschbeträgen in Höhe von 55 DM täglich zum Werbungskostenabzug geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte den Abzug der Umzugskosten ab und erkannte Mehraufwendungen für Verpflegung nur nach den für eine doppelte Haushaltsführung geltenden Pauschbeträgen für die ersten 14 Tage 55 DM täglich und für die Folgezeit 22 DM täglich zum Werbungskostenabzug an.

Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen aus: Umzugskosten seien nur dann als Werbungskosten abziehbar, wenn berufliche Gründe für den Umzug entscheidend gewesen seien und Umstände der privaten Lebensführung allenfalls eine ganz untergeordnete Rolle gespielt hätten. Zwar seien im Streitfall auch berufliche Gründe für den Umzug maßgeblich gewesen (Verkürzung der Fahrzeit von 25 auf 10 Minuten, ungestörtes Arbeiten in der neuen Wohnung). Daneben hätten aber auch private Gründe eine nicht unerhebliche Rolle gespielt. Der Kläger habe seine Wohnsituation durch den Umzug in die wesentlich größere Wohnung erheblich verbessert. Zur Zeit des Umzugs sei der Kläger 25 Jahre alt gewesen, so daß die Gründung eines eigenen Hausstandes nach der Lebenserfahrung auch auf dem Wunsch nach Selbständigkeit und Unabhängigkeit beruht habe. Auf Grund dieser Umstände könne nicht davon ausgegangen werden, daß die beruflichen Gründe für den Umzug weitaus überwogen hätten. Dem Kläger stehe ein Abzug seiner Mehraufwendungen für Verpflegung nach Dienstreisegrundsätzen nicht zu. Der Kläger habe im Rahmen seines Ausbildungsplanes die Arbeitsstätte gewechselt. Die jeweilige Ausbildungsstelle sei von vornherein als regelmäßige Arbeitsstätte des Klägers anzusehen. Zwar wohne dem Begriff der regelmäßigen Arbeitsstätte ein gewisses Dauerelement inne, so daß bei einer auf einen Monat oder wenige Wochen begrenzten Abordnung an eine auswärtige Ausbildungsstelle die regelmäßige Arbeitsstätte bei der bisherigen Dienststelle verbleiben könne. Der Kläger sei aber für drei Monate an die Handelskammer in X abgeordnet worden; das für die Annahme einer regelmäßigen Arbeitsstätte erforderliche Dauerelement sei damit gegeben.

Der Kläger verfolgt mit der Revision sein Klagebegehren weiter. Er beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung und Abänderung der Verwaltungsentscheidungen die Umzugskosten und die Mehraufwendungen für Verpflegung nach Dienstreisegrundsätzen zum Werbungskostenabzug zuzulassen. Zur Begründung führt er im wesentlichen aus: Der Umzug sei nicht privat veranlaßt gewesen. Er sei vielmehr wegen der Verkürzung der Fahrzeit als auch wegen der verbesserten Arbeitsbedingungen erfolgt. Das FG habe nicht ausreichend gewürdigt, daß die Fahrzeit nicht unerheblich verkürzt worden sei. Die Vorentscheidung lasse nicht erkennen, weshalb die privaten Gründe die beruflichen wesentlich überwogen hätten. Soweit das FG auf die Lebenserfahrung abstelle, wende es eine Fiktion an. Es sei nicht gerechtfertigt, bei Abordnungen bis zu drei Monaten im Rahmen von Ausbildungsverhältnissen die neue Ausbildungsstelle von vornherein als regelmäßige Arbeitsstätte zu betrachten. Daher sei die Abordnung ins Ausland eine Dienstreise gewesen.

Das FA tritt der Revison im wesentlichen mit den Gründen der Vorentscheidung entgegen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Ohne Erfolg bleibt die Revision allerdings, soweit der Kläger den Abzug der Umzugskosten begehrt. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats können Umzugskosten nur dann als Werbungskosten abgezogen werden, wenn einwandfrei feststeht, daß der Umzug nahezu ausschließlich beruflich veranlaßt war und private Gründe keine oder nur eine ganz untergeordnete Rolle gespielt haben. Dabei können insbesondere in Fällen, in denen der Umzug nicht mit einem Arbeitsplatzwechsel in Zusammenhang steht, die durch den Umzug erreichte Wegezeitverkürzung und eine dadurch bedingte Verbesserung der Arbeitsbedingungen eine Rolle spielen (Urteile des Bundesfinanzhofs vom 6. November 1986 VI R 106/85, BFHE 148, 164, BStBl II 1987, 81; vom 28. April 1988 IV R 42/86, BFHE 153, 357, BStBl II 1988, 777, und vom 16. Oktober 1992 VI R 132/88, BFH/NV 1993, 241). Das FG ist davon ausgegangen, daß die Begründung eines eigenen Hausstandes in einer größeren Wohnung nach der Lebenserfahrung auch auf dem Wunsch des Klägers nach Selbständigkeit und Unabhängigkeit beruht hat und daß aus diesem Grunde nicht davon ausgegangen werden kann, daß die beruflichen Gründe für den Umzug die privaten weitaus überwogen haben. Diese tatrichterliche Würdigung, gegen die der Kläger keine erheblichen Verfahrensrügen vorgebracht hat, ist für den Senat bindend. Auf der Grundlage dieser tatrichterlichen Würdigung und der nicht wesentlichen Wegezeitverkürzung hat das FG die Klage insoweit zutreffend abgewiesen.

2. Die Revision des Klägers führt aber hinsichtlich des Streitpunktes der Mehraufwendungen für Verpflegung zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Nach der neuen Rechtsprechung des Senats, die das FG seiner Entscheidung nicht zugrunde legen konnte, können auch für Arbeitnehmer, die in Ausbildung stehen und die ihre Arbeit an verschiedenen Ausbildungsstätten zu erbringen haben, Dienstreisegrundsätze Anwendung finden, sofern eine der verschiedenen Ausbildungsstätten allen anderen gegenüber als dauerhafter Mittelpunkt der Ausbildungstätigkeit angesehen werden kann. In einem solchen Fall stehen dem auszubildenden Arbeitnehmer für die ersten drei Monate eines Einsatzes an einem von der regelmäßigen Ausbildungsstätte entfernt liegenden vorübergehenden Ausbildungsort grundsätzlich Verpflegungsmehraufwendungen nach Dienstreisegrundsätzen zu (Urteile vom 4. Mai 1990 VI R 93/86, BFHE 160, 542, BStBl II 1990, 859, Steueranwärter; VI R 156/86, BFHE 160, 538, BStBl II 1990, 861, Finanzanwärter; s. auch das zur Einsatzwechseltätigkeit eines Zollbeamten ergangene Urteil vom 4. Mai 1990 VI R 144/85, BFHE 160, 532, BStBl II 1990, 856). Diese neue Rechtsprechung des Senats ist nicht auf bestimmte Berufsgruppen beschränkt; sie gilt allgemein und damit auch für Rechtsreferendare.

Damit ist im Streitfall die Möglichkeit, daß Dienstreisegrundsätze zur Anwendung kommen können, nicht von vornherein ausgeschlossen. Da das FG keine entsprechenden Feststellungen getroffen hat, war die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur weiteren Aufklärung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen. Sollten die weiteren Feststellungen des FG ergeben, daß dem Grunde nach Dienstreisegrundsätze zur Anwendung kommen können, wird sich die weitere Frage stellen, ob die Anwendung der Dienstreisepauschbeträge nicht zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führt. Zur Prüfung dieser Frage besteht u.a. deshalb Veranlassung, weil der Ansatz der Dienstreisepauschbeträge einen monatlichen Abzugsbetrag ergeben würde, der das monatliche Bruttogehalt des Klägers erreicht. Im weiteren Verfahren wird der Kläger daher seine Wohn- und Verpflegungssituation in X ausführlich darzulegen haben.

 

Fundstellen

BFH/NV 1994, 234

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