Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Vertretung im Vorverfahren

 

Leitsatz (NV)

Die mangelhafte Vertretung einer Personengesellschaft im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren kann auch noch nach Ablauf der Anfechtungsfrist geheilt werden.

 

Normenkette

AO 1977 § 34 Abs. 1, § 79 Abs. 1 Nr. 3, § 355 Abs. 1; BGB § 714

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

Bei der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die zu dem Zweck gegründet worden war, ein Grundstück in B zu erwerben und darauf Eigentumswohnungen zu errichten, waren laut Gesellschaftsvertrag (§ 4) fünf Gesellschafter zur Geschäftsführung und Vertretung berufen, von denen jeweils zwei gemeinsam handlungs- und vertretungsbefugt waren.

Nach Erweiterung des Gesellschaftszwecks um die einheitliche Vermietung des Objekts schloß die Klägerin am 24. August 1984 mit einer GmbH einen Mietvertrag, über dessen umsatzsteuerrechtliche Bedeutung es zwischen der Klägerin und dem Beklagten und Revisionsbeklagten, dem Finanzamt (FA), zum Streit kam. Das FA sah die Einschaltung der GmbH als rechtsmißbräuchliche Zwischenvermietung an, ließ die in der Umsatzsteuererklärung der Klägerin für 1984 erklärte Umsatzsteuerschuld von (abgerundet) ./. . . . DM unberücksichtigt und setzte die Umsatzsteuerschuld der Klägerin für diesen Veranlagungszeitraum auf 0 DM fest.

Gegen diesen Bescheid legte mit Schreiben vom 3. März 1986, das nur von einem der vertretungsberechtigten Gesellschafter unterschrieben war, der Unterzeichner im Namen der Klägerin Einspruch ein. Im Verlaufe des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens wurde ein Schreiben (vom 16. Dezember 1986) an das FA gerichtet, das von zwei vertretungsberechtigten Gesellschaftern unterzeichnet war. Im übrigen wurde die Korrespondenz von dem Bevollmächtigten der Klägerin geführt.

Mit Einspruchsentscheidung vom 9. März 1987 wies das FA den Rechtsbehelf als unbegründet zurück.

Das Finanzgericht (FG) stellte sich im anschließenden Klageverfahren, nach entsprechendem Hinweis, auf den Standpunkt, die Klägerin sei bei der Einlegung des Einspruchs nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen, der außergerichtliche Rechtsbehelf innerhalb der Einspruchsfrist nicht wirksam eingelegt worden und die Klage schon deshalb unbegründet.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts. Sie wendet vor allem ein, der Vertretungsmangel habe, entgegen der vom FG vertretenen Ansicht, auch noch nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist durch Genehmigung geheilt werden können.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Zu Unrecht hat das FG den Einspruch als unzulässig angesehen und eine weitere Prüfung der Sach- und Rechtslage unterlassen. Der Vertretungsmangel, der darin liegt, daß unter Verletzung der im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Gesamtvertretungsregelung nur ein vertretungsbefugter Gesellschafter-Geschäftsführer im Namen der Klägerin Einspruch einlegte (§§ 34 Abs. 1, 79 Abs. 1 Nr.3 der Abgabenordnung - AO 1977 -, § 714 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB - i.V.m. § 4 des Gesellschaftsvertrages), konnte - entgegen der vom FG vertretenen Rechtsansicht - auch noch nach Ablauf der Einspruchsfrist (§ 355 Abs. 1 AO 1977) mit rückwirkender Kraft geheilt werden (vgl. Urteil des BFH vom 18. Oktober 1988 VII R 123/85, BFHE 154, 446, 452, BStBl II 1989, 76, 79f. sowie Urteile des BVerwG vom 13. April 1978 2 C 5.74, Buchholz, 237.2, § 79 LBG Berlin Nr.2, DÖV 1979, 195, und vom 18. Oktober 1983 9 C 801.80, Buchholz 402.25, § 6 AsylVfG Nr.1; Laubinger, Verwaltung im Rechtsstaat, Festschrift für Ule, 1987, S. 161, 181 ff., jeweils m.w.N.).

Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen und sein Urteil daher aufzuheben. Es wird im zweiten Rechtsgang bei Vorliegen der übrigen Sachurteilsvoraussetzungen in die sachliche Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts (§§ 40, 100 FGO) eintreten müssen, die dem Senat mangels entsprechender tatsächlicher Feststellungen nicht möglich ist (§ 118 Abs. 2 FGO).

 

Fundstellen

BFH/NV 1993, 453

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