Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht, Abgabenordnung Steuerliche Förderungsgesetze

 

Leitsatz (amtlich)

In Rechtsmittelverfahren, die eine Vergünstigung gemäß § 202 LAG für eine bestimmte Anzahl von Vierteljahrsraten zum Gegenstand haben, ist der Wert des Streitgegenstands nicht unter Verwendung des Ablösungswerts des strittigen Vergünstigungsbetrags zu ermitteln, sondern entsprechend den für Lastenausgleichsabgaben Erlaßverfahren entwickelten Streitwertgrundsätzen durch Vervielfachung des strittigen Vergünstigungsbetrags mit der Zahl der Raten, für die die Vergünstigung begehrt worden ist.

 

Normenkette

AO § 286 Abs. 1, § 320/4; FGO § 140/3; LAG § 202; 13-AbgabenDV-LA 6; 13-AbgabenDV-LA 8; 13-AbgabenDV-LA 10; 13-AbgabenDV-LA 12

 

Tatbestand

Die Rb. richtet sich ausschließlich gegen die von der Vorinstanz im angefochtenen Urteil vorgenommene Feststellung des Wertes des Streitgegenstands.

Gegenstand des Steuerprozesses war die Höhe des vierteljährlichen Vergünstigungsbetrags an Vermögensabgabe für die Verpachtung eines gewerblichen Betriebs an Geschädigte auf Grund des § 202 LAG in Verbindung mit den §§ 6, 8 und 10 der Dreizehnten Durchführungsverordnung über Ausgleichsabgaben nach dem Lastenausgleichsgesetz (13. AbgabenDV-LA) - Eingliederungsverordnung -. Die Bfin. hatte die von ihren Eltern geerbte Apotheke an einen Vertriebenen auf die Dauer von 7 Jahren verpachtet; die übergabe des Betriebs war im Jahre 1950 erfolgt. über die auf Grund der vorgenannten Vorschriften zu gewährende Vergünstigung erließ das Finanzamt gemäß § 12 der 13. AbgabenDV-LA einen Bescheid, in welchem es unter Zugrundelegung eines Betriebswerts (§§ 8 Abs. 1, 6 Abs. 2 der 13. AbgabenDV-LA) von insgesamt 39.000 DM den vierteljährlichen Vergünstigungsbetrag auf 331,50 DM (0,85 v. H. von 39.000 DM) für die Zeit vom 1. April 1952 bis 31. Oktober 1957 (Rate 108 bis einschließlich 87) festsetzte. Gegen den zugleich mit dem - berichtigten - Vermögensabgabebescheid der Bfin. zugesandten Vergünstigungsbescheid wurde Einspruch eingelegt mit dem Antrag, als Gesamtwert des der Vergünstigung unterliegenden verpachteten Betriebs statt 39.000 DM 71.000 DM anzusetzen, da der Wert des mitverpachteten Apothekenrealrechts nicht mit dem zum 1. Januar 1950 auf ein Drittel herabgesetzten Wert, sondern mit dem vollen Wert der Vermögensabgabe unterliege. Der vierteljährliche Vergünstigungsbetrag sei daher statt auf 331,50 DM auf 603,50 DM festzusetzen. Einspruch und Berufung hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht stellte den Wert des Streitgegenstands für die Berufungsinstanz auf 10.377 DM fest und führte zur Berechnung des Streitwerts aus, es habe von dem Unterschiedsbetrag zwischen den von der Bfin. begehrten 603,50 DM und den vom Finanzamt bewilligten 331,50 DM = 272 DM ausgegangen werden müssen. Als Streitwert errechne sich sonach der Ablösungswert dieser 272 DM, vervielfältigt mit 38,1513 bei 108 Raten mit rund 10.377 DM.

Mit der gegen diese Streitwertfeststellung eingelegten Rb. wird geltend gemacht, es sei offenkundig, daß der Bfin. bereits bei der Begründung des Einspruchs insofern ein Fehler unterlaufen sei, als ein Erlaß der Vermögensabgaberaten unter Zugrundelegung eines Gesamtwerts des verpachteten Betriebs von 71.000 DM begehrt worden sei, während nach den gesetzlichen Bestimmungen (ß 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 6 Abs. 2 der 13. Abgaben-DV-LA) der Höchstbetrag, auf den ein Erlaß überhaupt gewährt werde, nur 50.000 DM betrage. Während das Finanzamt diesen Fehler bei der Streitwertbemessung in der Einspruchsentscheidung berücksichtigt und richtigerweise als streitigen Betrag nur die Differenz zwischen dem - sich aus 0,85 v. H. von 50.000 DM ergebenden - Betrag von 425 DM und dem gewährten Betrag von 331,50 DM, nämlich 93,50 DM, angesehen habe, sei das Finanzgericht von der Differenz zwischen dem irrtümlicherweise begehrten Vergünstigungsbetrag von 603,50 DM und dem gewährten Betrag von 331,50 DM ausgegangen. Es sei nur übersehen worden, das Begehren in der Berufungsinstanz entsprechend zu ändern; es sei vielmehr automatisch auf die Ausführungen im Einspruchsschreiben hingewiesen worden. Es dürfte aber außer Frage stehen, daß dies nur ein Flüchtigkeitsfehler gewesen sei, was bei der Streitwertfeststellung für die Berufungsinstanz zu berücksichtigen sei. Streitig sei nur ein vierteljährlicher Betrag von 93,50 DM gewesen, und zwar für die Restpachtlaufzeit vom 1. April 1952 bis 31. Oktober 1957; dies seien 22 Raten. Hieraus ergebe sich ein Streitwert von 2.057 DM. Nur diesen Betrag müsse die Bfin. effektiv mehr zahlen, als sie begehrte bzw. nach den gesetzlichen Bestimmungen überhaupt habe begehren können. Der Streitwert für die Berufungsinstanz sei damit auf 2.057 DM festzustellen, zumal die Berufung nicht zuletzt auch mit Rücksicht auf den niedrigen Streitwert, wie er in der Einspruchsentscheidung des Finanzamts mit 1.913 DM festgesetzt wurde, eingelegt worden sei. Weiter werde gebeten zu berücksichtigen, daß die Rechtslage für die Bfin. und ihren Vertreter nicht so erkennbar gewesen sei, wie sie in der Berufungsentscheidung unter wörtlicher Anführung der amtlichen Begründung zu den §§ 5 und 6 der Eingliederungsverordnung, die der Bfin. nicht zur Verfügung gestanden habe, dargestellt worden sei. Daß bezüglich der Vermögensabgabe auf das Apothekenrealrecht eine Gesetzeslücke bestehe, gehe auch daraus hervor, daß nach jahrelangen Bemühungen der betroffenen Abgabepflichtigen die Vermögensabgabe auf den fortgeschriebenen Teil des Apothekenrealrechts gemäß Erlaß des Bundesministers der Finanzen vom 7. August 1959 IV C/4 LA 2260 zu § 21 LAG ab 1. September 1957 bis zum Ende der Laufzeit der Vermögensabgabe allgemein erlassen worden sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist zulässig, aber nur zu einem Teil begründet.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sind Streitwertfeststellungen der Finanzgerichte selbständig mit der Rb. anfechtbar, sofern die Streitwertgrenze des § 286 Abs. 1 AO überschritten ist (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs II 190/54 S vom 30. März 1955, BStBl 1955 III S. 158, Slg. Bd. 60 S. 415; I 10/58 S vom 16. Februar 1960, BStBl 1960 III S. 145, Slg. Bd. 70 S. 388; III 4/62 vom 3. August 1962, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1963 S. 178). Da der Rechtsstreit seit 1959 (Einlegung der Berufung) bei Gericht anhängig ist, hängt die Zulässigkeit der Rb. davon ab, ob der Wert des Streitgegenstands für die Rb. höher ist als 200 DM (ß 286 Abs. 1 AO in der Fassung vor Ergehen des Steueränderungsgesetzes vom 13. Juli 1961). Dies ist hier der Fall. Der Streitwert in dem nur gegen die Streitwertfeststellung gerichteten Verfahren besteht in dem finanziellen Interesse der zur Tragung der Verfahrenskosten verurteilten Rechtsmittelführerin. Das finanzielle Interesse stellt sich dar in dem Unterschied zwischen den von ihr auf Grund der angefochtenen Streitwertfeststellung zu tragenden Kosten und den Kosten, die sie auf Grund des von ihr beantragten Streitwerts treffen würden. Der Berechnung dieses Unterschieds sind die von der Bfin. zu tragenden Rechtsmittelkosten für die Berufungsinstanz zugrunde zu legen sowie die von ihr ihrem Bevollmächtigten für das Verfahren vor dem Finanzgericht zu zahlenden Gebühren (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs I 114/60 S vom 28. Februar 1961, BStBl 1961 III S. 287, Slg. Bd. 73 S. 52). Der nach diesen Grundsätzen festzustellende Streitwert ergibt sich aus folgender Berechnung:

Bei dem vom Finanzgericht festgestellten Streitwert von 10.377 DM betragen die Kosten der Berufung einschließlich Abfindung (§§ 31 Abs. 2 Ziff. 2, 313 Abs. 2 AO) .............................. 386.- DM und die Gebühren des Bevollmächtigten (eine Prozeßgebühr und eine Verhandlungsgebühr) 2 X 265 DM = ............................ 530.- DM -- 916.- DM. Bei dem von der Bfin. begehrten Streitwert von 2.057 DM betragen die Kosten der Berufung einschließlich Abfindung ................ 154,10 DM und die Gebühren des Bevollmächtigten (eine Prozeß- und eine Verhandlungsgebühr) 2 X 99 DM = ............................. 198.- DM -- 352,10 DM. Der Streitwert der Rb. beträgt somit ............................................... 563,90 DM.Die Rb. ist daher zulässig.

Bei der Bemessung des Streitwerts ist von den Rechtsmittelanträgen der Rechtsmittelführerin auszugehen. Nach ständiger Rechtsprechung ist dabei stets der weitestgehende Antrag, der in der Instanz gestellt worden ist, maßgebend, und zwar auch dann, wenn der Antrag in der Instanz später eingeschränkt worden wäre. Die Bfin. hatte zwar in der Berufungsinstanz keinen bezifferten Rechtsmittelantrag gestellt. Aus dem schriftlichen Vortrag mußte jedoch das Finanzgericht entnehmen, daß es der Bfin. entscheidend darauf ankam, innerhalb des Gesamtwerts des verpachteten Betriebs das Apothekenrealrecht nicht mit dem zum 1. Januar 1950 auf ein Drittel herabgesetzten Wert, sondern mit dem vollen Wert anzusetzen, der auch der Vermögensabgabeveranlagung zugrunde lag. Dies ergibt sich unmißverständlich aus der Berufungsbegründung und wird durch die in ihr enthaltene Verweisung auf einen früheren Schriftsatz, in welchem ausdrücklich der begehrte vierteljährliche Vergünstigungsbetrag auf 603,50 DM beziffert war, erhärtet. Es ist daher nicht zu beanstanden, daß das Finanzgericht den sich hiernach aus der Berufungsbegründung ergebenden Antrag auf Festsetzung des Vergünstigungsbetrags auf 603,50 DM seiner Streitwertbemessung zugrunde gelegt hat. Wenn die Bfin. meint, dies gehe nicht an, weil nach den Bestimmungen der Eingliederungsverordnung überhaupt nur ein Vergünstigungsbetrag von vierteljährlich 425 DM als Höchstbetrag in Betracht kommen könne (0,85 v. H. von 50.000 DM) und die Bfin. einen höheren Betrag gar nicht habe begehren können, so ist dem entgegenzuhalten, daß einem Rechtsmittelbegehren, dem nicht stattgegeben wird, in der Regel gesetzliche Bestimmungen entgegenstehen werden, der Rechtsmittelantrag aber dennoch der Streitwertbemessung zugrunde zu legen ist. Die Feststellung, ob und inwieweit einem Rechtsmittelbegehren gesetzliche Bestimmungen entgegenstehen oder nicht, ist ja regelmäßig Zweck und Inhalt des Rechtsstreits überhaupt. Hierin liegt das Risiko des Prozesses, dessen wertmäßiger Rahmen in der Streitwertbemessung seinen Ausdruck findet. Ein Abgehen von diesen Grundsätzen ist auch nicht durch Billigkeitserwägungen, wie sie von der Bfin. in den letzten 3 Absätzen ihrer Rechtsbeschwerdebegründung vorgebracht werden, gerechtfertigt. Die Streitwertbemessung ist nach ständiger Rechtsprechung unabhängig von Billigkeitserwägungen durchzuführen. Das Finanzgericht ist hiernach zutreffend von dem Differenzbetrag zwischen dem begehrten Vergünstigungsbetrag von 603,50 DM je Vierteljahr und dem vom Finanzamt gewährten Betrag von 331,50 DM je Vierteljahr, d. h. von 272 DM je Vierteljahr ausgegangen.

Dennoch ist der Wert des Streitgegenstands vom Finanzgericht unrichtig bemessen worden. Die Streitwertfeststellung des Finanzgerichts wird insoweit nicht den vom Bundesfinanzhof für die Streitwertermittlung entwickelten Grundsätzen gerecht, als nach ständiger Rechtsprechung in den Fällen, in denen ein Erlaß der Steuer begehrt wird, der begehrte strittige Erlaßbetrag als Wert des Streitgegenstands anzusehen ist. Dies gilt nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats grundsätzlich auch für Rechtsstreite, die einen Erlaß von Lastenausgleichsabgaben zum Gegenstand haben. Der Verwendung von Ablösungswerten, wie sie bei der Streitwertbemessung insbesondere in Rechtsstreiten, die die Veranlagung von Lastenausgleichsabgaben zum Gegenstand haben, angemessen ist, stehen daher in Lastenausgleichserlaßverfahren die vorgenannten Grundsätze entgegen. Im Streitfall handelt es sich um ein Rechtsmittelverfahren, das die Vergünstigung gemäß § 202 LAG, und zwar nur für eine bestimmte Anzahl von Vierteljahresraten, zum Gegenstand hat, die einem Erlaß von bestimmten Vierteljahrsraten insoweit also gleichzustellen ist. Für die Streitwertbemessung müssen daher auch die für Lastenausgleichserlaßverfahren geltenden Grundsätze zur Anwendung kommen. Dies hat das Finanzgericht nicht berücksichtigt. In dem vom Finanzamt erteilten besonderen Bescheid gemäß § 12 der 13. Abgaben-DV-LA, das den Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens bildete, wurde die Vergünstigung in Höhe von 331,50 DM für die Zeit vom 1. April 1952 bis 31. Oktober 1957, d. h. für die Raten 108 bis 87 einschließlich ausgesprochen. Um diese 22 Raten ging demnach der Rechtsstreit, nicht aber um alle 108 Vermögensabgaberaten, die das Finanzgericht seiner Streitwertfeststellung zugrunde gelegt hat. Daß der Pachtvertrag später erneuert worden ist und damit die Grundlagen für eine weitere Gewährung einer Vermögensabgabevergünstigung nach § 202 LAG gegebenenfalls geschaffen worden sind, hat außer Betracht zu bleiben. Der streitige Differenzbetrag von 272 DM je Vierteljahr ist mit 22, der Anzahl der strittigen Raten, zu multiplizieren, um den Wert des Streitgegenstands für die Berufungsinstanz zu erhalten. Hieraus ergibt sich als Streitwert der Betrag von 5.984 DM. Auf diesen Betrag war der Wert des Streitgegenstandes der Berufungsinstanz festzustellen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411715

BStBl III 1965, 602

BFHE 1966, 282

BFHE 83, 282

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge