Entscheidungsstichwort (Thema)

Abfallbeseitigungsbetrieb kein Zweckbetrieb

 

Leitsatz (amtlich)

Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb einer von entsorgungspflichtigen öffentlich-rechtlichen Körperschaften gegründeten GmbH, die nach ihrer Satzung die Beseitigung und Verwertung von Abfällen "im Dienste des öffentlichen Gesundheitswesens und der Förderung des Umweltschutzes" betreibt, ist kein Zweckbetrieb i.S. des § 65 AO 1977.

 

Orientierungssatz

1. Steuerbare Leistungen i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 führt eine von Gebietskörperschaften gegründete GmbH auch dann aus, wenn sie deren Aufgaben gegen Entgelt übernimmt, das aufgrund zusätzlicher Vereinbarung außerhalb des Gesellschaftsvertrages geschuldet wird.

2. Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb ist nicht allein deswegen ein Zweckbetrieb, weil er kostendeckende Entgelte erhebt.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1; AO 1977 §§ 55, 64-65, 68, 14; UStG 1980 § 12 Abs. 2 Nr. 8, § 1 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG München (Entscheidung vom 21.06.1990; Aktenzeichen 14 K 14279/85)

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), wurde im Jahre 1983 von den Landkreisen ... gegründet, um die Abfallbeseitigung und Abfallverwertung im Gebiet der Landkreise zu übernehmen.

Nach ihrer Satzung verfolgt die Klägerin "ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke durch die Beseitigung von Abfällen im Dienst des öffentlichen Gesundheitswesens und der Förderung des Umweltschutzes sowie durch die Verwertung der Abfälle zum Zweck der Substituierung von Primärenergie und Rohstoffen" (§ 1 Abs.3 der Satzung). Gegenstand des Unternehmens ist nach der Satzung die ordnungsgemäße Beseitigung von Hausmüll, hausmüllähnlichen Gewerbeabfällen und sonstigen Abfällen im Rahmen der Beseitigungspflicht der Landkreise ..., d.h. das ordnungsgemäße Sammeln, Befördern, Behandeln, Lagern und Ablagern der genannten Abfälle und die damit im Zusammenhang stehenden Tätigkeiten einschließlich der Verwertung dieser Abfälle. Die Gesellschafter sind verpflichtet, der Klägerin den in ihrem Gebiet anfallenden Hausmüll und Gewerbemüll zur Verfügung zu stellen und ihr für jede Tonne angelieferten Abfalls einen kostendeckenden Betrag zu leisten.

Der Abfall wird in erster Linie in der eigenen Verbrennungsanlage der Klägerin beseitigt. Die hierbei anfallende Dampfabwärme soll zu einem späteren Zeitpunkt als dem Streitjahr 1983 zur Erzeugung und zum Vertrieb von Strom und Fernwärme genutzt werden. Die Klägerin betreibt darüber hinaus mehrere Deponien, in denen nichtbrennbare Abfälle bzw. Reststoffe und bis zur Fertigstellung der Verbrennungsanlage auch Hausmüll abgelagert werden. Ferner betreibt sie eine Schlackenverwertungsanlage. Ihr obliegt auch das Einsammeln und Befördern von Hausmüll und Sperrmüll; zur Erfüllung dieser Aufgabe bedient sie sich privater Transportunternehmer. Die Klägerin beschäftigt eigenes Personal. Sie beseitigt und verwertet auch von Dritten angelieferten Abfall und berechnet diesen dafür ein Entgelt. Sie erzielt ferner Erlöse aus dem Verkauf von bei der Verbrennung entstehenden Reststoffen.

Die beteiligten Landkreise erheben für die Beseitigung der Abfälle von den Einwohnern auf der Grundlage einer öffentlich-rechtlichen Satzung Gebühren; in dieser Satzung ist auch der Anschluß- und Benutzungszwang geregelt.

Die Klägerin stellte ihre Leistungen im Streitjahr 1983 mit 6,5 v.H. (bis 30. Juni 1983) und 7 v.H. (ab 1. Juli 1983) Umsatzsteuer in Rechnung. In der Umsatzsteuererklärung für 1983 unterwarf sie ihre Umsätze im wesentlichen dem ermäßigten Steuersatz. Mit Schreiben vom 14. Dezember 1984 teilte der Bayerische Staatsminister der Finanzen dem Landkreis A mit, die Gemeinnützigkeit der Klägerin könne nicht anerkannt werden. Mit Bescheid vom 29. März 1985 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Umsatzsteuer für 1983 --unter Versagung des ermäßigten Steuersatzes-- auf ./. 2 275 786 DM, mit Bescheiden vom 22. Juli 1985 die Körperschaftsteuer 1983 auf 0 DM und das verwendbare Eigenkapital (EK 02) zum 31. Dezember 1983 auf ./. 55 771 DM fest. Alle Bescheide, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs.1 der Abgabenordnung --AO 1977--) ergingen, wurden mit Einsprüchen angefochten. Diese Einsprüche blieben erfolglos. Während des Klageverfahrens ergingen (endgültige) Änderungsbescheide vom 29. September 1987 zur Körperschaftsteuer 1983 und vom 14. September 1987 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG); diese Änderungsbescheide sind Gegenstand des Verfahrens.

Die Klage, mit der sich die Klägerin gegen die vom FA gezogenen steuerlichen Folgen aus der Versagung der Gemeinnützigkeit wendete, hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat zur Begründung u.a. ausgeführt: Die Klägerin sei nicht selbstlos i.S. des § 55 Abs.1 AO 1977 tätig. Sie verfolge die eigenwirtschaftlichen Interessen ihrer Gesellschafter. Denn diese hätten die Klägerin gegründet, um ihre öffentlich-rechtliche Pflicht nach § 3 Abs.2 des Abfallbeseitigungsgesetzes (AbfG) vom 5. Januar 1977 (BGBl I 1977, 41) i.V.m. Art.2 Abs.1 BayAbfG zu erfüllen. Damit fehle es am Merkmal der Freiwilligkeit und Opferwilligkeit. Denn die Klägerin tue nur das, wozu ihre Gesellschafter ohnehin gesetzlich verpflichtet seien. Das Urteil des FG ist veröffentlicht in Umsatzsteuer-Rundschau (UR) 1991, 174.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts (§ 5 Abs.1 Nr.9 KStG, § 12 Abs.2 Nr.8 Buchst.a des Umsatzsteuergesetzes --UStG--, jeweils i.V.m. §§ 52, 55 AO 1977). Sie, die Klägerin, fördere nach ihrer Satzung und nach der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich, unmittelbar und selbstlos durch die Abfallbeseitigung und -verwertung das öffentliche Gesundheitswesen und den Umweltschutz. Vorteile für die Gesellschafter --die Landkreise-- könnten sich nur in dem ihnen zugewiesenen Bereich der Pflichtaufgabe "Abfallbeseitigung" ergeben. Es sei fraglich, ob in bezug auf diese hoheitliche Aufgabe überhaupt wirtschaftliche Vorteile entstehen könnten. Mögliche Preisvorteile würden in vollem Umfang an die Bürger weitergegeben. Für die Gesellschafter entstünden keine wirtschaftlichen Vorteile. Entgegen der Auffassung des FG könne der Begriff "eigenwirtschaftliche" nicht auf jeden ideellen Vorteil ausgedehnt werden; anderes ergebe sich auch nicht aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 13. Dezember 1978 I R 39/78 (BFHE 127, 330, BStBl II 1979, 482).

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und

1. den Umsatzsteuerbescheid 1983 vom 29. März 1985 dahingehend abzuändern, daß die negative Umsatzsteuer auf 2 519 742,96 DM festgesetzt wird,

2. den Körperschaftsteuerbescheid 1983 vom 22. Juli 1985 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 29. September 1987 aufzuheben,

3. den Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen nach § 47 KStG zum 31. Dezember 1983 vom 22. Juli 1985 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 14. September 1987 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF), das dem Revisionsverfahren beigetreten ist, hat keinen Antrag gestellt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Hinsichtlich der vom FA festgesetzten Umsatzsteuer gehen die Beteiligten übereinstimmend davon aus, daß die Klägerin auch an ihre Gesellschafter steuerbare Leistungen erbringt. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Steuerbare Leistungen i.S. von § 1 Abs.1 Nr.1 UStG 1980 führt eine von Gebietskörperschaften gegründete GmbH auch dann aus, wenn sie deren Aufgaben gegen Entgelt übernimmt, das aufgrund zusätzlicher Vereinbarung außerhalb des Gesellschaftsvertrages geschuldet wird (vgl. BFH-Urteile vom 10. August 1989 V R 154/84, BFH/NV 1990, 398; vom 4. Juni 1992 V R 22/90, BFH/NV 1993, 200).

2. Das FA hat die steuerbaren Leistungen der Klägerin zu Recht mit dem Regelsteuersatz der Umsatzsteuer unterworfen. Der ermäßigte Steuersatz des § 12 Abs.2 Nr.8 UStG ist nicht anwendbar. Nach dieser Vorschrift ermäßigt sich die Steuer für die Leistungen von Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen (§§ 51 bis 68 AO 1977). Das gilt nicht für Leistungen, die im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes ausgeführt werden.

Schließt das Gesetz die Steuervergünstigung insoweit aus, als ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb (§ 14 AO 1977) unterhalten wird, so verliert die Körperschaft die Steuervergünstigung für die dem Geschäftsbetrieb zuzuordnenden Besteuerungsgrundlagen (Einkünfte, Umsätze, Vermögen), soweit der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb kein Zweckbetrieb (§§ 65 bis 68 AO 1977) ist. Betreibt eine Körperschaft ausschließlich einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, der nicht Zweckbetrieb i.S. von § 65 AO 1977 ist (§ 64 Abs.1 AO 1977), so ist sie in vollem Umfang steuerpflichtig, ohne daß es darauf ankommt, ob die formellen und materiellen Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit im übrigen erfüllt sind.

3. Die Klägerin unterhält einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Dies ist nach der Legaldefinition des § 14 AO 1977 eine selbständige nachhaltige Tätigkeit, durch die Einnahmen oder andere wirtschaftliche Vorteile erzielt werden und die über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht. Die Absicht, Gewinn zu erzielen, ist nicht erforderlich (§ 14 Satz 2 AO 1977). Dieser wirtschaftliche Geschäftsbetrieb erfüllt nicht die Voraussetzungen eines Zweckbetriebes (§ 65 AO 1977).

4. Der Senat läßt dahingestellt, ob der Auffassung von Isensee/Knobbe-Keuk (Gutachten der Unabhängigen Sachverständigenkommission zur Prüfung des Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts, Schriftenreihe des Bundesministers der Finanzen Heft 40, 1988, Sondervotum S.404 ff.; s. ferner Isensee, Festschrift für Dürig, 1990, S.33, 57 ff.) und des BMF zu folgen ist, daß der Staat und die von ihm getragenen Körperschaften Steuervergünstigungen für gemeinnützige Tätigkeiten grundsätzlich nicht in Anspruch nehmen können. Auch braucht nicht entschieden zu werden, ob, wie das FG angenommen hat, eine solche Körperschaft ideelle Zwecke "selbstlos" (§ 55 Abs.1 AO 1977) verfolgt, wenn und soweit sie Aufgaben wahrnimmt, die ihren Mitgliedern als hoheitliche Pflichtaufgaben obliegen. Der Reichsfinanzhof (RFH) hat dies zumindest beiläufig abgelehnt (Urteil vom 24. September 1937 VIa A 33/37, RStBl 1937, 1105; vgl. auch RFH-Urteil vom 29. April 1935 I A 57/34, RStBl 1935, 857). Selbstlosigkeit verneinen der BMF (vgl. Erlaß vom 27. Dezember 1990, UR 1991, 57) und ein Teil der Literatur (Franz, Grundlagen der Besteuerung gemeinnütziger Körperschaften bei wirtschaftlicher Betätigung, 1991, S.93 f.; Hüttemann, Wirtschaftliche Betätigung und steuerliche Gemeinnützigkeit, S.71).

5. Jedenfalls ist der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb der Klägerin kein Zweckbetrieb i.S. von § 65 AO 1977.

a) Diese Vorschrift will die Steuervergünstigung für bestimmte wirtschaftliche Geschäftsbetriebe erhalten, die unmittelbar und ausschließlich ideellen Zwecken dienen. Ein Zweckbetrieb setzt insbesondere voraus, daß der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb zu nichtbegünstigten Betrieben derselben oder ähnlichen Art nicht in größerem Umfang in Wettbewerb tritt, als es bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist (§ 65 Nr.3 AO 1977). Die Bestimmung regelt den Ausgleich zwischen der Förderung des Allgemeinwohls und der Wettbewerbsneutralität des Steuerrechts (Gutachten der Unabhängigen Sachverständigenkommission, a.a.O., S.159 f., 167 f.). Bereits der RFH hat es als Gebot der steuerlichen Gerechtigkeit herausgestellt, daß Steuersubjekte, die miteinander in Wettbewerb stehen, möglichst gleich besteuert werden sollen (RFH-Urteil vom 6. Juni 1928 I A 192/27, RFHE 23, 309); der Gesichtspunkt der Wettbewerbsneutralität der Besteuerung sei "streng zu handhaben" (RFH-Urteile vom 23. Oktober 1937 VIa 70/37, RStBl 1937, 1160; vom 27. November 1937 VIa 1/37, 2/37, RFHE 42, 303, RStBl 1938, 35; ebenso BFH-Urteil vom 10. Mai 1955 I 173/53 U, BFHE 60, 464, BStBl III 1955, 177). Durch die steuerliche Begünstigung eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes sollen weder Wettbewerber verdrängt noch sollen Marktzutrittsschranken errichtet werden. In letzterer Hinsicht ist auch der potentielle Wettbewerb geschützt (vgl. BFH-Urteile vom 13. August 1986 II R 246/81, BFHE 147, 299, BStBl II 1986, 831; vom 23. November 1988 I R 11/88, BFHE 155, 461, BStBl II 1989, 391; Scholtz in Koch/Scholtz, Abgabenordnung - AO 1977, 4.Aufl. 1993, § 65 Rdnr.9; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 65 AO 1977 Tz.4; Hüttemann, a.a.O., S.180). Hiernach ist es nicht erforderlich, daß die Klägerin tatsächlich in Konkurrenz zu steuerpflichtigen Betrieben derselben oder ähnlicher Art tritt.

b) Soll ein staatlicher Eingriff in den Wettbewerb durch Art.3 Abs.1 des Grundgesetzes (GG) gerechtfertigt sein, bedarf es eines hinreichenden sachlichen Grundes (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 26. Oktober 1976 1 BvR 191/74, BVerfGE 43, 58, 70; Isensee/Knobbe-Keuk, Gutachten der Unabhängigen Sachverständigenkommission - Sondervotum -, a.a.O., S.442 f.). Für die Anwendung des § 65 Nr.3 AO 1977 bedarf es einer Abwägung zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an einem funktionierenden Wettbewerb und der steuerlichen Förderung ideeller Zwecke (BFH-Urteil vom 28. Oktober 1960 III 134/56 U, BFHE 72, 292, BStBl III 1961, 109; Becker/Riewald/Koch, Reichsabgabenordnung, 9.Aufl., § 17 StAnpG Anm.10 b Abs.2 m.w.N.; Scholtz in Koch/Scholtz, a.a.O., § 65 Rdnr.9). Ist die von der Körperschaft verfolgte Mehrung des Gemeinwohls auch ohne steuerrechtlich begünstigte entgeltliche Tätigkeit zu erreichen, so ist aus der Sicht des Gemeinnützigkeitsrechts eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs vermeidbar (vgl. BFH-Urteil vom 11. April 1990 I R 122/87, BFHE 160, 510, BStBl II 1990, 724; Tipke/Kruse, a.a.O., § 65 AO 1977 Tz.4; Hüttemann, a.a.O., S.185).

c) Der Rechtsbegriff des Zweckbetriebes hat sich auf der Grundlage der Rechtsprechung des RFH entwickelt. Die Entscheidung darüber, wann der Förderung der Allgemeinheit, und wann dem Gesichtspunkt der Wettbewerbsgleichheit der Vorrang einzuräumen sei, richtet sich nach unterschiedlichen Gesichtspunkten. Eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs mit nicht begünstigten Unternehmen ist insbesondere als unschädlich angesehen worden, wenn Leistungen erbracht wurden, die --als Veranstaltungen der Wohlfahrtspflege-- "in besonderem Maße der minderbemittelten Bevölkerung dienten" (vgl. --für Krankenhäuser-- RFH-Urteil vom 23. Oktober 1937 VIa 25/36, RStBl 1937, 1159; vom 24. Juli 1937 VIa A 1/35, RStBl 1937, 1103; --für Altersheime-- RFH-Urteil in RStBl 1937, 1160; --für die Versorgung Minderbemittelter mit preiswerter Verpflegung-- RFH-Urteil vom 24. September 1937 VIa A 42/37, RStBl 1937, 1104). Gemeinsamer Grundgedanke dieser Anwendungsbeispiele ist vor allem die Erwägung, daß die gemeinnützige Körperschaft ihre Dienstleistungen oder Waren einem Personenkreis anbietet, der das Waren- oder Dienstleistungsangebot der steuerpflichtigen Unternehmen überwiegend nicht in Anspruch nimmt (vgl. Hüttemann, a.a.O., S.186 ff.). Der Wettbewerbsgedanke tritt ferner zurück, wenn Leistungen - z.B. solche von Einrichtungen der Fürsorgeerziehung oder der Blindenfürsorge (z.B. RFH-Urteile vom 4. Oktober 1938 VIa 43/38, RFHE 45, 80, RStBl 1939, 92; vom 28. Januar 1939 VIa 53/38, RFHE 46, 84, RStBl 1939, 545) notwendiges Mittel zur Erreichung eines ideellen Zweckes sind, den Wettbewerber ihrerseits nicht verfolgen. Die steuerliche Begünstigung von kulturellen Einrichtungen (§ 68 Nr.7 AO 1977) ist sinnvoll, weil das Kulturleben auf eine Vielfalt des Angebots angewiesen ist.

Diese Erwägungen haben Niederschlag gefunden im gesetzlichen Katalog der Zweckbetriebe. Soweit diese gesetzlichen Anwendungsfälle --so z.B. § 67a, § 68 Nr.6 AO 1977-- ausnahmsweise rechtsbegründenden (konstitutiven) Charakter haben, ist die Geschäftstätigkeit des steuerbegünstigten Zweckbetriebes gegenständlich begrenzt. Mit letzterer Maßgabe können die in §§ 66 bis 68 AO 1977 aufgeführten Beispiele ihrerseits für den Zweckbetrieb "Anhaltspunkte" für die Auslegung des § 65 AO 1977 geben (BFH-Urteil vom 9. April 1987 V R 150/78, BFHE 149, 319, BStBl II 1987, 659; vgl. auch Becker/Riewald/Koch, a.a.O., § 17 StAnpG Anm.10 b Abs.3 und 4).

d) Im Bereich der Müllbeseitigung bzw. -verwertung sind übergeordnete Gemeinwohlerwägungen, die zugunsten der Klägerin ein Zurücktreten des Wettbewerbsgesichtspunkts rechtfertigen könnten, nicht ersichtlich. Die Klägerin wird auf einem Markt tätig, auf dem ungeachtet des durch das AbfG bzw. das Abfallgesetz vom 27. August 1986 (BGBl I 1986, 1410) angeordneten Vorrangs der öffentlich-rechtlichen Entsorgung gleichartige Leistungen von privaten Unternehmern in einer Weise angeboten werden, die eine unterschiedliche Bewertung am Maßstab des Allgemeinwohls nicht zuläßt. Die Klägerin tritt in einen i.S. von § 65 Nr.3 AO 1977 "vermeidbaren" Wettbewerb zu --potentiellen-- steuerlich nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlicher Art.

Ein solcher Wettbewerb ist nicht schon dadurch ausgeschlossen, daß die Verpflichtung zur Abfallentsorgung i.S. von § 1 Abs.2 AbfG nach § 3 Abs.2 Satz 1 AbfG den nach Landesrecht zuständigen Körperschaften des öffentlichen Rechts auferlegt ist. Seit dem AbfG 1972 ist die Abfallbeseitigung (jetzt: Abfallentsorgung) eine grundsätzlich öffentliche Aufgabe (§ 3 Abs.2 AbfG), die so zu erfüllen ist, daß das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt wird (§ 2 AbfG). Die Abfallbeseitigung ist nach heutigem Rechtsverständnis eine Aufgabe der Daseinsvorsorge; sie dient der Erhaltung einer menschenwürdigen Umwelt, der Volksgesundheit und der Landschaftspflege (vgl. BVerfG-Beschluß vom 23. November 1988 2 BvR 1619, 1628/83, BVerfGE 79, 127, 156; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts --BVerwG-- vom 9. März 1990 7 C 21.89, Deutsches Verwaltungsblatt --DVBl-- 1990, 589). Zur Erreichung dieses Ziels sichert das AbfG den Vorrang der öffentlich-rechtlichen Zuständigkeit und Verantwortung. Der grundsätzlich bestehenden Entsorgungspflicht der öffentlichen Hand (§ 3 Abs.2 Satz 1 AbfG) entspricht der Anschluß- und Benutzungszwang für den Abfallbesitzer (§ 3 Abs.1 AbfG). Die Bedeutung der umweltgerechten Abfallentsorgung als "Gemeininteresse von hoher Bedeutung" (BVerfG, a.a.O.) ist auch daraus ersichtlich, daß die zuständigen Behörden bei bestehenden --auch privaten-- Abfallentsorgungsanlagen umfangreiche Überwachungspflichten und -befugnisse haben (§ 11 AbfG).

Die Einrichtung der Abfallentsorgung als grundsätzlich öffentliche Aufgabe hat nicht zur Beseitigung des privaten Entsorgungsgewerbes geführt. Dieses kann im Rahmen des § 3 Abs.2 Satz 2, Abs.4 und 6 AbfG vielfältig tätig werden (Kloepfer, Umweltrecht, 1989, § 12 Rdnr.87; Winkelmann, Umwelt- und Planungsrecht --UPR-- 1991, 169). Die Entsorgungsverpflichteten können sich gemäß § 3 Abs.2 Satz 2 AbfG zur Erfüllung ihrer Pflicht Dritter bedienen. Nach § 3 Abs.6 AbfG kann dem Inhaber einer Abfallentsorgungsanlage, der Abfälle wirtschaftlicher entsorgen kann als die nach § 3 Abs.2 AbfG entsorgungsverpflichtete Körperschaft, die Entsorgung dieser Abfälle übertragen werden.

Es kann dahingestellt bleiben, ob diese abfallrechtlichen Vorschriften einen Vorrang der Auftragsvergabe an private Unternehmen begründen, wenn diese die Entsorgungsaufgabe ordnungsgemäß und ebenso wirtschaftlich erfüllen können (so Hösel/von Lersner, Recht der Abfallbeseitigung, Kennziffer 1130 Rdnr.15). Jedenfalls hat sich auf der Grundlage dieser Vorschriften ein Markt für private Abfallentsorger --und zwar auch für den Bereich der Müllverbrennung-- entwickelt (vgl. Aschfalk, Besteuerung und Abfallwirtschaft, 1983, S.32, 33, 70; Schmeken, Der Städtetag 1989, 239, 245; Appold/Beckmann, Verwaltungsarchiv --VerwArch-- Bd.81 --1990-- S.307, 322 f.; Struß, Abfallwirtschaftsrecht, 1991, S.18 ff., 20 ff.; Schoch, Privatisierung der Abfallentsorgung, 1992, S.18 ff.; Beckmann, DVBl 1993, 9; allgemein zur Entwicklung der Privatisierung auf Kommunalebene König, VerwArch Bd.79 --1988--, S.241, 260 ff.; Bolsenkötter, Der Betrieb --DB-- 1993, 445). Nach Auffassung der Bundesregierung ist vor allem bei der Verwertung von Abfällen zur Rückgewinnung von Rohstoffen ein "sinnvolles Zusammenwirken" der entsorgungspflichtigen Körperschaften mit privaten Unternehmen wünschenswert (Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des AbfG, BTDrucks 10/2885, S.15).

Es gibt keine Allgemeinwohlerwägungen, die es rechtfertigen würden, durch steuerliche Begünstigung einzelner Unternehmen den Wettbewerb von Anbietern und Technologien auf diesem Markt zu stören. Bei dieser Beurteilung fällt ins Gewicht, daß auch der private Träger einer Entsorgungsanlage ungeachtet dessen, daß er in der Regel eigennützige privatwirtschaftliche Ziele anstrebt, zugleich dem Gemeinwohl dienende Zwecke verfolgt (Urteil des BVerwG vom 9. März 1990, a.a.O., unter 2.a).

e) Da der potentielle Wettbewerb geschützt ist, kann das Vorliegen eines Zweckbetriebes auch nicht damit begründet werden, daß die öffentlich-rechtlich entsorgungsverpflichteten Körperschaften eine Beauftragung Dritter ablehnen können (a. A. Brengel, Kommunale Steuer-Zeitschrift --KStZ-- 1982, 1, 4). Die Anordnung eines Anschluß- und Benutzungszwanges ist lediglich ein technisches Instrument, mit dem im Einzelfall --unabhängig von einer öffentlich-rechtlichen oder privatwirtschaftlichen Entsorgung-- der Entsorgungsweg festgelegt und die Auslastung der bestehenden Entsorgungsanlagen sichergestellt werden.

f) Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb ist nicht allein deswegen ein Zweckbetrieb, weil er kostendeckende Entgelte erhebt (BFH-Urteil vom 2. Oktober 1968 I R 40/68, BFHE 93, 522, BStBl II 1969, 43; Scholtz in Koch/Scholtz, a.a.O., § 65 Rz.9).

6. Die Revision ist auch insoweit unbegründet, als das FG die Klage gegen die angefochtenen Bescheide über Körperschaftsteuer und über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen nach § 47 KStG abgewiesen hat. Nach § 5 Abs.1 Nr.9 KStG sind von der Körperschaftsteuer befreit u.a. Körperschaften, die nach der Satzung und nach der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen und kirchlichen Zwecken dienen (§§ 51 bis 68 AO 1977). Wird ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb --ausgenommen selbstbewirtschaftete Forstbetriebe-- unterhalten, ist die Steuerbefreiung insoweit ausgeschlossen. Bei diesem Ausschluß der Steuerbefreiung verbleibt es, da der Geschäftsbetrieb der Klägerin wie dargelegt kein Zweckbetrieb ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 64656

BFH/NV 1994, 33

BStBl II 1994, 314

BFHE 173, 254

BFHE 1994, 254

BB 1994, 1554

BB 1994, 1554-1556 (LT)

BB 1994, 713

DB 1994, 918-920 (LT)

DStR 1994, 1041-1042 (KT)

HFR 1994, 450-452 (LT)

StE 1994, 201 (K)

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