Entscheidungsstichwort (Thema)

Nutzungswert der selbstgenutzten Wohnung im eigenen Zweifamilienhaus

 

Leitsatz (NV)

Zur Ermittlung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Zweifamilienhaus ist als Rohmietwert regelmäßig die Marktmiete anzusetzen. Anhand der sog. Kostenmiete ist der Nutzungswert zu bestimmen, wenn sich die Wohnung in einem besonders aufwendig gestalteten oder ausgestatteten Haus befindet, insbesondere wenn zu dem Wohngrundstück eine Schwimmhalle gehört oder die privat genutzte Wohnfläche der Wohnung größer als 250 qm ist.

 

Normenkette

EStG § 21 Abs. 2; II. BV §§ 4, 19-20, 23a, 27; Anlage 3

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden in den Streitjahren (1982 bis 1986) als Ehegatten zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Die Klägerin erwarb im Jahre 1979 ein mit einem Hauptgebäude (Zweifamilienhaus) und einem Gästehaus bebautes -- als Zweifamilienhausgrundstück bewertetes -- Grundstück (Größe insgesamt ... qm) zum Preis von ... DM. In den Jahren 1980 bis 1982 ließ die Klägerin das Hauptgebäude umbauen. Die nach dem Umbau von den Klägern ab Dezember 1982 genutzte Wohnung umfaßte nach den tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts (FG) in den Streitjahren 320 qm (Hauptgebäude: 282 qm ./. 29 qm Arbeitszimmer des Klägers; Gästehaus: 67 qm). Darüber hinaus enthielt das Hauptgebäude noch eine 60 qm große Einliegerwohnung.

Die Klägerin räumte dem Kläger an dem Grundstück einen Nießbrauch ein. Sie schloß allerdings -- so die tatsächlichen Feststellungen des FG -- selbst die Mietverträge ab und vereinnahmte und versteuerte die Mieten.

Die Kläger ermittelten in den Streitjahren die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für die eigengenutzte Wohnung einschließlich Garage unter Ansatz eines nach der Marktmiete berechneten Rohmietwertes abzüglich Werbungskosten. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) folgte dem zunächst. Später setzte das FA als Rohmietwert der privat genutzten Wohnung die Kostenmiete an und berücksichtigte hierzu 6 v. H. der nach seiner Ansicht auf diese Wohnfläche entfallenden anteiligen Anschaffungs- und Herstellungskosten ( ... DM). Außerdem kürzte es die von den Klägern geltend gemachten Werbungskosten.

Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das FG teilweise statt. Es billigte zwar nach Einholung eines Sachverständigengutachtens den Ansatz der Kostenmiete für die eigengenutzte Wohnung, berechnete diese aber auf der Grundlage der Zweiten Berechnungsverordnung (II. BVO) niedriger als das FA. Das FG berücksichtigte u. a. gemäß § 27 der II. BVO als Einnahme -- geschätzte -- Betriebskosten in Höhe von ... DM pro Jahr, ohne bei der Berechnung der Werbungskosten auf die von den Klägern im Verlaufe des Klageverfahrens geltend gemachten Aufwendungen für Grundbesitzabgaben, Heizöl und Strom einzugehen.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen und formellen Rechts. Sie machen u. a. geltend, das FG habe die Bemessungsgrundlage der Kostenmiete unzutreffend ermittelt.

Die Kläger beantragen, bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung der Streitjahre Werbungskostenüberschüsse in Höhe von ... DM (1982), ... DM (1983), ... DM (1984), ... DM (1985) und ... DM (1986) zugrunde zu legen. Darüber hinaus beantragen sie, bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit im Streitjahr 1982 einen Werbungskostenüberschuß von ... DM zu berücksichtigen und diese Einkünfte des Klägers in den folgenden Streitjahren mit ... DM (1983), ... DM (1984), ... DM (1985) und ... DM (1986) anzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

Das FG ist davon ausgegangen, daß hohe Herstellungskosten, die Bewertung im Sachwertverfahren und die fehlende Feststellbarkeit einer Marktmiete den Ansatz der Kostenmiete bei der Ermittlung des Nutzungswerts einer eigengenutzten Wohnung in einem Zweifamilienhaus begründen. Dies steht nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats zum Ansatz der Kostenmiete.

1. Zur Ermittlung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Haus i. S. des § 21 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist als Rohmietwert regelmäßig die Marktmiete und nur in bestimmten Fällen die Kostenmiete anzusetzen. Die ortsübliche mittlere Miete für vergleichbare Wohnungen kann dann nicht als Rohmiete angesetzt werden, wenn sich die Wohnung in einem besonders aufwendig gestalteten oder ausgestatteten Haus befindet und die Marktmiete daher den besonderen Wohnwert der Wohnung nicht angemessen widerspiegeln würde (z. B. Urteile vom 22. Oktober 1993 IX R 35/92 und IX R 33/91, BFHE 174, 51, 120). Diese Voraussetzungen sind nach den genannten Entscheidungen stets als erfüllt anzusehen, wenn zu dem Wohngrundstück eine Schwimmhalle gehört oder die nach den Bestimmungen der II. BVO berechnete privat genutzte Wohnfläche größer als 250 qm ist. Darüber hinaus nur dann, wenn andere besonders gewichtige Gestaltungs- oder Ausstattungsmerkmale gegeben sind, die dem besonderen persönlichen Wohnbedürfnis der Wohnungsinhaber Rechnung tragen. Entgegen der Ansicht des FG reichen hohe Anschaffungskosten/Herstellungskosten ebensowenig wie die Bewertung des Grundstücks im Sachwertverfahren für sich allein aus, um den Ansatz der Kostenmiete zu begründen (vgl. dazu Urteil in BFHE 174, 51).

2. Da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif.

a) Das FG wird im weiteren Verfahren zunächst zu prüfen haben, ob die von den Klägern eigengenutzte Wohnung eine Fläche von mehr als 250 qm aufweist. Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz hatte die privat genutzte Wohnung der Kläger zwar in den Streitjahren eine Größe von 320 qm. Im Gegensatz hierzu hat das FG aber auch festgestellt, daß die Klägerin Mietverträge abgeschlossen und Mieten vereinnahmt und versteuert hat. Aus dem Urteil der Vorinstanz ergibt sich nicht, daß die Vermietung nur die 60 qm große Einliegerwohnung betroffen hat. Unklar bleibt damit, ob und ggf. in welchem Umfang in den Streitjahren neben der Einliegerwohnung noch andere Teile des Hauptgebäudes vermietet worden sind.

Das FG wird ferner zu ermitteln haben, ob und über welchen Zeitraum die Einliegerwohnung -- entsprechend den Angaben der Kläger -- einer Hausangestellten überlassen worden ist. Die Frage der steuerrecht lichen Anerkennung des Mietvertrages über die Einliegerwohnung hat zwar im Zusammenhang mit der Anwendbarkeit des § 21 a Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG keine Bedeutung; denn im Streitfall liegen nach den Feststellungen des FG die Voraussetzungen des § 21 a Abs. 7 EStG (Antrag auf Baugenehmigung vor dem 31. Juli 1981) vor. Wäre das Mietverhältnis jedoch steuerlich nicht anzuerkennen, so würden sich Auswirkungen auf die Größe der eigengenutzten Wohnfläche ergeben.

b) Sollte die Wohnung der Kläger eine privat genutzte Wohnfläche von nicht mehr als 250 qm aufweisen, so wird das FG erneut nach Maßgabe der Rechtsgrundsätze des erkennenden Senats in BFHE 174, 51 zu prüfen haben, ob andere besonders gewichtige Ausgestaltungs- oder Ausstattungsmerkmale gegeben sind, die den Ansatz der Kostenmiete erfordern. Unerheblich ist dabei, ob sich eine für vergleichbare Objeke am Wohnungsmarkt erzielbare Miete feststellen läßt.

c) Wenn im Streitfall die Kostenmiete anzusetzen ist, bestehen gegen deren Berechnung nach den Bestimmungen der II. BVO dem Grunde nach keine Bedenken (vgl. z. B. Urteil vom 30. November 1993 IX R 99/91, BFH/NV 1994, 776, m. w. N.). Das FG wird allerdings bei dem Ansatz von Betriebskosten i. S. von § 27 i. V. m. Anlage 3 der II. BVO die von den Klägern geltend gemachten Aufwendungen überprüfen und ggf. -- soweit sie auf die eigengenutzte Wohnung entfallen -- berücksichtigen müssen. Darüber hinaus wird es zu beachten haben, daß die Eigenkapitalkosten (§ 19 Abs. 1, § 20 Abs. 1 der II. BVO) mit dem marktüblichen Zinssatz für erste Hypotheken (vgl. § 20 Abs. 2 Satz 1, § 23 a der II. BVO; zum maßgebenden Zeitpunkt, vgl. § 4 der II. BVO) anzusetzen sind.

 

Fundstellen

BFH/NV 1995, 669

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge