Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung von bäuerlichen Verwaltungs- und Nutznießungsrechten

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Bewertung des Jahreswertes eines bäuerlichen Verwaltungs- und Nutznießungsrechts ist von dem Reinertrag auszugehen, der während der Dauer der Nutzung bei einer Verpachtung des landwirtschaftlichen Betriebes im ganzen voraussichtlich erzielt werden könnte, dabei sind Versorgungsansprüche des Hoferben und sonstiger auf dem Hofe unterhaltsberechtigter Personen zu berücksichtigen, wenn sie den Nutzungsberechtigten tatsächlich und wirtschaftlich belasten.

 

Normenkette

BewG § 17 Abs. 3, § 67 Abs. 1 Nr. 4; LAG § 21 Abs. 1 Nr. 1, § 24 Nr. 6

 

Gründe

Das FA setzte bei der Vermögensabgabe-Veranlagung des Bf. ein diesem an dem 40 ha großen landwirtschaftlichen Betrieb seines im Jahre 1935 geborenen Sohnes zustehendes Verwaltungs- und Nutznießungsrecht an. Bei der Ermittlung des Wertes dieses Rechtes ging es von einem Jahreswert der Nutzungen von 3.000 DM aus, den es wie folgt berechnete:

Jahresnettopachtwert (100 DM je ha)

abzüglich:

4.000 DM.

Jahreswert der Altenteilsverpflichtung gegenüber der Schwiegermutter des Bf.

500 DM

Jahreswert der Versorgungsansprüche zweier Kinder des Bf.

500 DM

3.000 DM

Das Berufungsverfahren führte zu einer Änderung der VA-Veranlagung. Das FG führte aus, das bäuerliche Verwaltungs- und Nutznießungsrecht des überlebenden Ehegatten sei bewertungsfähig. Bei der Bewertung sei von der zu erzielenden Nettopacht auszugehen. Das FG halte in Übereinstimmung mit dem eingehenden Gutachten des landwirtschaftlichen Sachverständigen unter Berücksichtigung der besonderen betrieblichen Verhältnisse eine Nettopacht in Hohe von 80 DM je ha für angemessen. Die Versorgungsansprüche der Altenteilerin und der weichenden Erben seien nicht noch zusätzlich von der Nettopacht abzugsfähig. Außerdem seien diese Versorgungslasten vom FA bereits bei der VA-Veranlagung des Sohnes des Bf. als dem Eigentümer des Hofes zum Abzuge zugelassen worden.

Seine Rechtsbeschwerde (Rb) begründet der Bf. wie folgt: Das Nutznießungsrecht sei unrichtig bewertet worden. Eine Jahresnettopacht von 80 DM ie ha sei nach dem Stande vom 21. Juni 1948 erheblich übersetzt. Außerdem sei der Jahreswert nicht aus der Gesamtfläche von 40 ha, sondern – da 6 ha Ödland seien – nur aus einer nutzbaren Fläche von 34 ha zu ermitteln. Der Altenteil und die Versorgungsansprüche müßten zum Abzuge zugelassen werden. Die Versorgungsansprüche der Kinder seien mit 600 DM bis 700 DM Jährlich für jedes Kind anzusetzen, und zwar auch für den Hofeigentümer, den der Bf. am Währungsstichtag erzogen und unterhalten habe.

Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes:

1. Das bäuerliche Verwaltungs- und Nutznießungsrecht des Bf. an dem landwirtschaftlichen Betriebe seines Sohnes ist bewertungsfähig und gehört zum sonstigen Vermögen nach § 67 Abs. 1 Ziff. 4 BewG (vgl. Urteile des BFH III 9/55 U vom 15. April 1955, BStBl 1955 III S. 162, Slg. Bd. 60 S. 423; III 98/56 S vom 6. Juli 1956, BStBl 1956 III S. 271, Slg. Bd. 63 S. 192).

Seine Bewertung hat gemäß §§ 15 Abs. 1, 17 Abs. 3 BewG zu erfolgen. Bei der Ermittlung des Jahreswertes der Nutzungen ist nach den Urteilen des RFH I c A 202/30 vom 23. September 1930 (RStBl 1930 S. 764) und I A 55/26 vom 18. Mai 1926 (Slg. Bd. 19 S. 235) von dem Reinertrage auszugehen, der während der Dauer der Nutzung bei einer Verpachtung des landwirtschaftlichen Betriebes im ganzen voraussichtlich erzielt werden konnte.

Soweit das FG entsprechend diesen Grundsätzen eine Nettopacht von 80 DM je ha jährlich schätzte, liegen seine Feststellungen auf tatsächlichem Gebiet. Über solche Verhältnisse entscheidet das FG gemäß § 278 AO nach seiner freien, d.h. der ordnungsmäßig festgestellten Sachlage entsprechenden, aus der Verhandlung und Beweisaufnahme geschöpften Überzeugung. Der BFH ist gemäß §§ 288, 296 AO an die Feststellungen gebunden, sofern sie weder einen Rechtsirrtum oder Verfahrensmangel noch einen Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten erkennen lassen.

Das FG hat seine Feststellungen auf das Gutachten eines landwirtschaftlichen Sachverständigen gestützt. Nach den dargelegten Grundsätzen bestehen dagegen Bedenken insoweit, als in dem Gutachten als für die Ertragsverhältnisse des landwirtschaftlichen Betriebes maßgeblich auch der Umstand genannt ist, daß die Reparaturkosten für Wirtschaftsgebäude in absehbarer Zeit gering sein würden, weil diese im Jahre 1950 wegen Baufälligkeit abgebrochen und vollkommen erneuert worden seien. Dieser Umstand konnte bei einer Bewertung auf den 21. Juni 1948 keine Rolle spielen. Es war zu diesem Zeitpunkte umgekehrt davon auszugehen, daß gerade wegen der Baufälligkeit der Wirtschaftsgebäude und der dadurch bedingten erhöhten Reparaturkosten nur ein entsprechend niedrigerer Ertrag erwartet werden konnte. Außerdem geht aus dem Gutachten nicht hervor, ob sich die von dem Sachverständigen ermittelte Nettopacht von 80 DM je ha auf die Gesamtfläche des Hofes oder nur auf die geringere Nutzfläche bezieht. Das FG durfte daher nicht ohne weiteres den ermittelten Wert auf die gesamte Fläche beziehen.

2. Auch die Auffassung des FG, bei der Ermittlung des Jahreswertes der Nutzungen komme ein Abzug der geltend gemachten Versorgungsansprüche nicht in Betracht, erscheint nicht irrtumsfrei. Diese Ansicht läßt sich nicht damit begründen, daß die Feststellung einer Nettopacht eine Berücksichtigung dieser Lasten ausschließe. Nach den genannten Urteilen des RFH kommt es bei der Ermittlung des Jahreswertes der Nutzungen aus einem landwirtschaftlichen Betriebe nicht allein auf den Reinertrag an, der aus der Verpachtung des Betriebes erzielt werden kann, sondern auf den Reinertrag, der bei Verpachtung des Betriebes dem Nutzungsberechtigten verbleibt. Bei der Feststellung des Jahreswertes der Nutzungen sind daher auch Leistungen zu berücksichtigen, die der Nutzungsberechtigte auf Grund seines Nutzungsrechtes persönlich zu erbringen hat, auch wenn sie, da sie üblicherweise vom Pächter nicht getragen werden, bei der Feststellung der Nettopacht außer Betracht bleiben. Dies ist hier der Fall. In dem Sachverständigengutachten, auf das das FG sich stützt, wurden bei der Schätzung der Nettopacht nur die Lasten berücksichtigt, die üblicherweise vom Pächter getragen werden, wie Gebäudeunterhaltungskosten, Steuern, sonstige Abgaben und Versicherungen.

Auch soweit sich das FG darauf beruft, daß die Versorgungsansprüche entsprechend der Rechtsprechung des BFH vom FA bereits bei der VA-Veranlagung des Sohnes zum Abzuge zugelassen worden seien, kann ihm nicht gefolgt werden. Das in der VA-Sache des Sohnes des Bf. ergangene Urteil des BFH schloß zwar, ebenso wie das Urteil des BFH III 98/56 S vom 6. Juli 1956, a.a.O., den Abzug von Versorgungslasten beim Anerben nicht grundsätzlich aus. Voraussetzung für den Abzug in diesen Fällen war allerdings, daß Versorgungsansprüche den Anerben am Stichtage tatsächlich und wirtschaftlich belasteten. Selbst wenn das FA auf Grund dieser Rechtsprechung den Abzug der geltend gemachten Versorgungsansprüche oder eines Teiles beim Sohne des Bf. zugelassen hat, mußte das FG – mangels einer bindenden Wirkung dieser Veranlagung für die VA des Bf. – in dessen VA-Sache selbständig prüfen, ob die geltend gemachten Versorgungsansprüche zu berücksichtigen waren, um so mehr als das FA mit dem Bf. davon ausgeht, daß die Versorgungsansprüche vom Bf. befriedigt wurden. Es ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, daß das FA bei der Veranlagung des Sohnes des Bf. zwar Versorgungslasten abgezogen, andererseits aber das Verwaltungs- und Nutznießungsrecht des Bf. nur mit einem um diese Versorgungslasten verminderten Wert zum Abzuge zugelassen hat.

Für eine Berücksichtigung der geltend gemachten Versorgungsansprüche bei der Bewertung des Verwaltungs- und Nutznießungsrechtes des Bf. spricht auch, daß, soweit nicht etwas anderes vereinbart ist, dieses Verwaltungs- und Nutznießungsrecht die Verpflichtung einschließt, für den Unterhalt des Hoferben, und der sonstigen auf dem Hofe unterhaltsberechtigten Personen zu sorgen. Diese Verpflichtungen ergeben sich zwar nicht unmittelbar aus einer Anwendung der Vorschriften des Rechtes der elterlichen Gewalt oder des Nießbrauchrechtes des BGB. Die Verwaltung und Nutznießung des Reichserbhofgesetzes und der Erbhoffortbildungsverordnung (EHFV) ist trotz aller Ähnlichkeit weder ein Nießbrauch im Sinne des BGB noch steht sie dem elterlichen Recht der Verwaltung und Nutznießung gleich. Sie ist vielmehr ein besonders geregeltes, der Sicherung des überlebenden Ehegatten dienendes Recht, dessen Inhalt und Wirkung sich nach den mit der Verwaltung und Nutznießung verfolgten Zwecken bestimmt (vgl. § 17 Abs. 6 EHFV; Urteil des BFH III 9/55 U vom 15. April 1955, a.a.O., S. 164). Dem Rechte des Verwalters auf die Hofnutzungen entspricht aber – ähnlich den im Nießbrauchrecht des BGB und im Recht der elterlichen Gewalt zum Ausdruck gekommenen Rechtsgrundsätzen – die Pflicht, für den Unterhalt des Hoferben und der sonstigen auf dem Hofe unterhaltsberechtigten Personen zu sorgen (vgl. § 17 Abs. 3 EHFV; Lange-Wulff, Die Höfeordnung, 5. Aufl., Anm. 188 a zu § 14 der Höfeordnung).

Diese Pflicht ist Ausfluß des Verwaltungs- und Nutznießungsrechtes des überlebenden Ehegatten und gehört zum Inhalt dieses Rechtes. Sie ist daher bei der Bewertung des Rechtes grundsätzlich zu berücksichtigen. Es handelt sich dabei – dem erbrechtlichen Charakter des Verwaltungs- und Nutznießungsrechtes entsprechend – nicht um eine familienrechtliche Verbindlichkeit auf Grund gesetzlicher Unterhaltspflicht. Ihre Berücksichtigung ist daher auch nicht gemäß § 24 Ziff. 6 LAG ausgeschlossen.

4. Da nach dem Gesagten das zur VA herangezogene Verwaltungs- und Nutznießungsrecht des Bf. nochmals zu bewerten ist und bei der Feststellung des Jahreswertes der Nutzungen eine Berücksichtigung der geltend gemachten Versorgungsansprüche der Schwiegermutter, der beiden Kinder und des Hoferben in Betracht kommt, war das Urteil des FG aufzuheben. Die Sache geht an dieses zurück, das den Fall unter Beachtung der vorstehenden Ausführungen erneut zu überprüfen hat.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1170740

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