Leitsatz (amtlich)

Eine Heranschaffung der Güter zum Unternehmen und eine Fortschaffung der Güter vom Unternehmen im Sinne des § 3 Abs. 1 Ziff. 2 des Güterfernverkehrs-Änderungsgesetzes und des § 48 Abs. 1 Ziff. 2 des Güterkraftverkehrsgesetzes ist bei einem Handelsunternehmen in der Regel auch dann gegeben, wenn das Unternehmen die Güter unmittelbar von seinem Lieferanten zu seinem Abnehmer (sog. Direkttransport im Streckengeschäft des Handels) befördert.

 

Normenkette

BefStG 1926 (i. d. F. des Gesetzes zur Änderung des Beförderungsteuergesetzes vom 2. Juli 1936) § 1 Abs. 2 Ziff. 4

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführerin (Bfin.) betreibt den Baustoffgroßhandel. Sie befördert dabei die Baustoffe mit eigenen Kraftfahrzeugen, und zwar u. a. unmittelbar von ihren Lieferanten an ihre Abnehmer, also ohne daß die Baustoffe vor der Lieferung an die Abnehmer von der Bfin. auf Lager genommen werden.

Zu entscheiden ist, ob diese Beförderungen -- sogenannte Direkttransporte im Streckengeschäft des Handels -- solche im Werkverkehr mit Kraftfahrzeugen nach § 1 Abs. 2 Ziff. 4 des Beförderungsteuergesetzes (BefStG) 1926 in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Beförderungsteuergesetzes vom 2. Juli 1936 (Reichsgesetzblatt -- RGBl -- I S. 531) sind. Die Beförderungen im Streitfall, die sämtlich solche über die Grenzen der Nahzone hinaus oder außerhalb dieser Grenzen waren, sind in der Zeit vom 20. März 1951 bis 31. Dezember 1953 getätigt worden. Da sich ab 20. März 1951 der Begriff des Werkfernverkehrs nach den verkehrsrechtlichen Vorschriften bestimmt (§ 2 und § 5 des Gesetzes zur Wiedererhebung der Beförderungsteuer im Möbelfernverkehr und im Werkfernverkehr und zur Änderung von Beförderungsteuersätzen vom 2. März 1951, Bundesgesetzblatt -- BGBl -- 1951 I S. 159), ist für die Beurteilung der in Betracht kommenden Beförderungen, soweit die Beförderungen bis 18. Oktober 1952 getätigt worden sind, die Begriffsbestimmung des Werkverkehrs im § 3 des Güterfernverkehrs-Änderungsgesetzes (Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes -- WiGBl -- 1949 S. 306) und, soweit die Beförderungen in der Zeit nach dem 18. Oktober 1952 getätigt worden sind, die Begriffsbestimmung des Werkverkehrs im § 48 des Güterkraftverkehrsgesetzes -- GüKG -- (BGBl 1952 I S. 697) maßgebend. Diese beiden Begriffsbestimmungen weisen insoweit, als ihre Anwendbarkeit hier im Streitfall in Frage steht, keinen Unterschied auf; es kann daher die Beurteilung der in Betracht kommenden Beförderungen keine unterschiedliche sein. Streitig ist im vorliegenden Falle nur die Auslegung der Worte im Absatz 1 Ziff. 2 der beiden Begriffsbestimmungen

"Die Beförderung muß der Heranschaffung der Güter zum Unternehmen, ihrer Fortschaffung vom Unternehmen oder ...... dienen."

Dieser Wortlaut weist gegenüber dem Wortlaut der entsprechenden Bestimmung der vor dem 20. März 1951 geltenden steuerrechtlichen Begriffsbestimmung des § 27 Abs. 1 Ziff. 2 der Vorläufigen Durchführungsbestimmungen zum Gesetz zur Änderung des Beförderungsteuergesetzes (Beförderungsteuer beim Güter- und Werkfernverkehr) -- VorlBefStDB --, die mit der früheren verkehrsrechtlichen Begriffsbestimmung des § 4 Abs. 1 Ziff. 2 der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über den Güterfernverkehr mit Kraftfahrzeugen vom 27. März 1936 (DurchfV.GFG) übereinstimmte, eine Änderung auf. Die entsprechende frühere Bestimmung hat gelautet:

"Die Beförderung muß der Heranschaffung der Güter zum Unternehmen, ...... oder dem Absatz der Güter bei dem Abnehmer der Ware dienen."

Finanzamt und Finanzgericht bejahten im Streitfall das Vorliegen von Werkfernverkehr.

Die Bfin. macht dagegen in der Rechtsbeschwerde (Rb.) im wesentlichen geltend, aus der Änderung des Wortlauts des in Betracht kommenden Teils der Begriffsbestimmung müsse entnommen werden, daß der Gesetzgeber auch nach der sachlichen Seite hin eine Änderung gewollt habe. Es gehe nicht an, diese Änderung als nicht geschehen anzusehen. Bei der Auslegung von Gesetzen komme es in erster Linie auf den Wortlaut der Gesetze an. Nach dem Wortlaut der auf den Streitfall anzuwendenden gesetzlichen Begriffsbestimmung für den Werkverkehr aber fielen die sogenannten Direkttransporte im Streckengeschäft des Handels nicht unter diesen Begriff. Gegen die Entscheidung des zuständigen Regierungspräsidenten sei Beschwerde beim zuständigen Landesverkehrsministerium eingelegt worden. Dessen Entscheidung lasse mehr oder minder die strittige Frage offen und bringe zum Ausdruck, daß eine gesetzliche Regelung dieser Frage erwartet werde. Auch das Bezirksverwaltungsgericht Koblenz, Kammer Trier, habe in dem zwischenzeitlich ergangenen rechtskräftigen Urteil K 33/54 vom 16. Juni 1954 -- abgedruckt in der Zeitschrift "Das Verkehrsgewerbe" (Mitteilungsblatt des Verbandes für das Verkehrsgewerbe Westfalen-Lippe e. V. und der Straßenverkehrsgenossenschaft Westfalen-Lippe e.G.m.b.H.) Heft Juni 1955, S. 13 ff -- die Streitfrage im Sinn der Auffassung der Bfin. entschieden. In diesem Urteil werde bei Unternehmen des Baustoffhandels eine tatsächliche Lagerhaltung und nicht bloß die Möglichkeit einer Lagerhaltung als Voraussetzung für die Annahme von Werkverkehr bei den sogenannten Direkttransporten gefordert. Diese Meinung finde ihre Stütze in der Neufassung des § 12 BefStG (= § 11 BefStG 1955), der die Steuerpflicht dadurch ausweite, daß er die Beschränkung der Steuerpflicht auf Güterfernverkehr und Werkfernverkehr habe fallen lassen. Diese Ausweitung wäre nicht notwendig gewesen, wenn nicht die Begriffsbestimmung für den Werkfernverkehr hinsicht ich der Direkttransporte eine Lücke enthalten würde. Damit sei im Streitfall kein Werkfernverkehr gegeben. Es liege aber uch keine Güterbeförderung für andere vor. Die auch vom zus ändigen Landesverkehrsministerium vertretene Meinung des Reichsfinanzministers in seinem Erlaß S 6610 24 III vom 11. November 1936 (Reichssteuerblatt -- RStBl -- 1936 S. 1103), wonach jede Güterbeförderung von Kraftfahrzeugen in die Fernzone entweder als Werkfernverkehr oder als gewerblicher Güterfernverkehr anzusehen sei und es eine dritte Art von Güterfernverkehr in die Fernzone nicht gebe, habe der Bundesfinanzhof im Urteil II 41/51 vom 20. Juli 1951 (Steuerrechtsprechung in Karteiform, BefStG § 1 Rechtsspruch 3) als unrichtig abgelehnt.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. hat keinen Erfolg.

Allerdings wäre dem Finanzgericht im Ergebnis nicht zuzustimmen, wenn seine Auffassung eindeutig gegen den Wortlaut der gesetzlichen Begriffsbestimmung verstoßen würde. Denn bei der Auslegung einer Vorschrift ist grundsätzlich vom Wortlaut auszugehen, es sei denn, daß die wörtliche Auslegung der Vorschrift zu einem sinnwidrigen Ergebnis führen würde (vergleiche z. B. Urteil des Bundesfinanzhofs V 41/53 S vom 17. September 1953, Slg. Bd. 58 S. 41, Bundessteuerblatt -- BStBl -- 1953 III S. 307, und Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2 B v H 2/52 vom 21. Mai 1952, Slg. Bd. 1 S. 299, 312). Von einem Verstoß gegen den Wortlaut der Begriffsbestimmung, soweit sie hier in Frage steht, kann jedoch bei der Auffassung des Finanzgerichts keine Rede sein. Denn es kann sehr wohl in den sogenannten Direkttransporten im Streckengeschäft des Handels eine Heranschaffung zum Unternehmen und eine Fortschaffung vom Unternehmen, beides allerdings in einem Arbeitsgang, erblickt werden, nämlich wenn man bereits die Erlangung der Verfügungsgewalt über die Ware als Heranschaffung zum Unternehmen ansieht, so wie es das Oberlandesgericht Neustadt (Weinstraße) Strafsenat im Urteil Ss 221/52 vom 14. Januar 1953 getan hat, auf das sich das Finanzamt beruft. Der Senat trägt keine Bedenken, dieser Auffassung zu folgen und damit die Auffassung abzulehnen, daß die Worte "Heranschaffung der Güter zum Unternehmen" und "Fortschaffung vom Unternehmen" in rein räumlichem Sinn zu verstehen seien. Denn es würde in der Tat der inneren Begründung entbehren, bei einem Handelsunternehmen den Werkverkehr in dem Fall, in dem die Ware den Sitz oder die Betriebstätte des Unternehmens berührt, zu bejahen und im anderen Fall zu verneinen. Davon, daß die Ware beim Direktverkehr nur buchmäßig über den Betrieb laufe, wie die Vertreter der gegenteiligen Auffassung annehmen, kann angesichts der Erlangung der Verfügungsgewalt über die Ware keine Rede sein. Es ist richtig, daß nach der früheren Fassung der verkehrsrechtlichen Begriffsbestimmung (§ 4 DurchfV. GFG), soweit sie hier strittig ist, die sogenannten Direkttransporte ohne Zweifel Werkverkehr sind. Die Gründe, die zur Änderung dieser Fassung im § 2 der "Ausführungsbestimmungen zu der Anordnung zur Einschränkung des Güterverkehrs mit Kraftfahrzeugen" vom 16. Dezember 1939 (RGBl I S. 2436) -- dieser geänderten Fassung entspricht die Fassung des § 3 des Güterfernverkehrs-Änderungsgesetzes -- geführt haben, sind dem Senat nicht bekannt. Jedenfalls kann aus der Änderung als solcher nicht zwingend geschlossen werden, daß mit der Änderung beabsichtigt war, die sogenannten Direkttransporte nicht mehr unter den Begriff "Werkverkehr" fallen zu lassen.

Wenn das Urteil des Bezirksverwaltungsgerichts Koblenz, Kammer in Trier, vom 16. Juni 1954, auf das sich die Bfin. beruft, zu einem anderen Ergebnis kommt, so kann dem nicht gefolgt werden. Dieses Urteil geht bei Begründung seiner Meinung, der Unternehmer eines Baustoffhandels müsse nach § 48 Abs. 1 Ziff. 2 GüKG ein Lager unterhalten und die Belieferung seiner Kundschaft von diesem Lager aus tätigen, davon aus, daß das GüKG neben dem Güterfernverkehr den Werkverkehr als Ausnahme unter bestimmten Voraussetzungen zulasse, was eben zu dieser Auslegung zwinge. Dazu ist zu sagen, daß der Werkverkehr nicht erst vom GüKG zugelassen wird. Das GüKG sieht lediglich für den Werkverkehr, der ebenfalls Güterbeförderung ist und unter § 1 GüKG fällt, eine andere Regelung wie für den Güterfernverkehr vor, indem es beispielsweise den Werkfernverkehr zum Unterschied vom Güterfernverkehr von der Genehmigungspflicht, der Tarifpflicht und der Versicherungspflicht ausnimmt (§ 50 GüKG). Wegen dieser unterschiedlichen Behandlungsweise legt das Gesetz den Begriff Werkverkehr fest, so wie es auch die Begriffe für die übrigen Arten von Güterverkehr festlegt. Es kann aber keine Rede davon sein, daß der Werkfernverkehr sich gegenüber dem Güterfernverkehr als eine Ausnahme im Sinn der Ausführungen des Urteils des Bezirksverwaltungsgerichts darstellt.

Der Hinweis der Bfin. auf die Neufassung des § 12 BefStG durch das Verkehrsfinanzgesetz 1955 Abschn. II Art. 1 Ziff. 8 (= §§ 11 BefStG 1955) geht fehl. Aus der Neufassung dieser Vorschrift, die nur die Festlegung der Steuersätze zum Gegenstand hat, also nicht den Umfang der Steuerpflicht bestimmt, ergibt sich nichts für die Auffassung der Bfin.

Das Vorliegen von Werkverkehr würde im Streitfall allerdings zu verneinen sein, wenn eine Umgehung der Vorschriften des Güterfernverkehrsgesetzes (GFG) im Sinne des § 4 GFG oder ein Scheintatbestand im Sinne des § 5 GüKG gegeben wären, die die Annahme eines Werkverkehrs ausschließen müßten. Anhaltspunkte hierfür aber sind im Streitfall nach Lage der Akten und nach der Feststellung des Finanzgerichts, an die als Feststellung tatsächlicher Art der Senat gebunden ist (§ 288 der Reichsabgabenordnung), nicht gegeben.

Hiernach war die Rb. als unbegründet zurückzuweisen, ohne daß es noch eines Eingehens auf das Vorbringen der Bfin., es liege auch keine Güterbeförderung für andere im Fernverkehr vor, bedarf.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408368

BStBl III 1956, 14

BFHE 1956, 32

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