Entscheidungsstichwort (Thema)

Die Übernahme einer Garantie auf den Motor des vermittelten Fahrzeuges steht der Vermittlereigenschaft nicht entgegen

 

Leitsatz (NV)

1. Die Frage, ob ein sog. Gebrauchtwagenhändler als Vermittler oder als sog. Eigenhändler zu beurteilen ist, ist anhand der Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 i. V. mit § 3 Abs. 1 UStG 1973 zu prüfen; entscheidend ist, ob der Händler das Fahrzeug an den Abnehmer liefert oder ob er lediglich eine entgeltliche Geschäftsbesorgung - als Vermittler - gegenüber dem Auftraggeber erbringt.

2. Dem Tatbestandsmerkmal des § 10 Abs. 1 Satz 4 UStG 1973 ,,für Rechnung eines anderen", also ,,für fremde Rechnung", kommt keine andere Bedeutung zu. Für fremde Rechnung handelt nur, wer das Risiko des vermittelten Geschäfts nicht selbst trägt. Ein eigenes Interesse an dem Geschäft und mithin Gestaltungsfreiheit im Hinblick auf das Ziel, eine angemessene Vermittlungsprovision zu erzielen, steht dem Handeln für fremde Rechnung nicht entgegen.

3. Die Übernahme einer auf sechs Monate begrenzten Motorgarantie rechtfertigt es nicht, den Händler als sog. Eigenhändler und nicht als Vermittler zu beurteilen.

 

Normenkette

UStG 1973 § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 3 Abs. 1, § 10 Abs. 1 S. 4; BGB § 164 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreiben in Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) einen Gebrauchtwagenhandel. Während ein Teil der Umsätze in den Streitjahren 1977 bis 1979 aus sog. Eigengeschäften bestand, bei denen die GbR die Kraftfahrzeuge im eigenen Namen und auf eigene Rechnung einkaufte und verkaufte, wurde der übrige Teil auf der Grundlage von sogenannten Agenturverträgen abgewickelt. Bei diesen Agenturgeschäften schloß die GbR mit den Verkäufern der gebrauchten Fahrzeuge einen Vermittlungsvertrag ab, in dem sie beauftragt wurde, im Namen und für Rechnung des Auftraggebers unter Ausschluß jeder Gewährleistung das übergebene Kraftfahrzeug zu verkaufen. Beim Verkauf eines solchen Fahrzeugs bestellte der Käufer mittels eines ,,Vermittlungs-Kaufantrags" bei der im Namen und für Rechnungen des Auftraggebers auftretenden GbR das Fahrzeug, das ,,gebraucht, wie besichtigt, unter Ausschluß jeder Gewährleistung" verkauft wurde. Zur Abwicklung der Geschäfte verwendete die GbR die vom Zentralverband des Kraftfahrzeuggewerbes empfohlenen Vertrags- und Rechnungsformulare. Beim Verkauf sog. ,,Mercedes-Jahreswagen" setzte die GbR auf das Vertragsformular ,,Vermittlungs-Kaufantrag" einen zusätzlichen Stempel, der folgenden Inhalt hatte:

,,10 000 km Motor-Garantie, höchstens 6 Monate in eigener Werkstatt bei Auto-X. Bei Eigenverschulden des Kunden keine Haftung."

Nach einer Betriebsprüfung beurteilte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die mit dieser Garantiezusage abgewickelten Verkäufe als sogenannte Eigengeschäfte der GbR und unterwarf die hierbei erzielten Erlöse insgesamt der Umsatzsteuer. Durch Bescheide vom 21. Januar 1982 änderte das FA die zuvor unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Umsatzsteuerbescheide 1977 bis 1979 dementsprechend und hob zugleich den Vorbehalt der Nachprüfung auf.

Der Einspruch hatte hinsichtlich der Beurteilung der Gebrauchtwagengeschäfte keinen Erfolg. Das FA setzte die Umsatzsteuer lediglich aus anderen Gründen herab.

Die Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab. Zur Begründung führte es aus, daß die Anerkennung einer Vermittlungsleistung voraussetze, daß der Unternehmer in fremdem Namen und für fremde Rechnung handle und dies bei dem Geschäftsabschluß in eindeutiger Weise zu erkennen gebe. Maßgebend sei insoweit nicht, ob zivilrechtlich eine Vermittlungstätigkeit vereinbart worden sei, sondern ob eine solche nach der tatsächlichen Gegebenheit umsatzsteuerrechtlich anerkannt werden könne (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. Mai 1960 V 152/58 U, BFHE 71, 337, BStBl III 1960, 374; vom 30. November 1967 V 131/64, BFHE 91, 320, BStBl II 1968, 330, und vom 9. April 1970 V R 80/66, BFHE 98, 564, BStBl II 1970, 506). Zwar habe die GbR bei den zu beurteilenden Geschäftsvorfällen ihre Vermittlereigenschaft offengelegt und ausdrücklich darauf hingewiesen, daß ein unmittelbares Rechtsverhältnis nur zwischen dem Auftraggeber und dem Käufer bestehe. Sie habe aber durch den Stempelaufdruck mit dem oben wiedergegebenen Inhalt selbst eine Garantie für den Motor, und damit für das maßgebende Aggregat des vermittelten Fahrzeugs übernommen. Mit dieser Garantieübernahme habe die GbR ein Risiko übernommen, das über das übliche Geschäftsrisiko eines Vermittlers hinausgehe und dem eines Eigenhändlers entspreche.

Mit der Revision rügt die GbR die Verletzung von § 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG). Die GbR habe hinsichtlich der Mercedes-Jahreswagen keine Lieferungen an die Kunden ausgeführt, sondern nur Vermittlungsleistungen erbracht und zu Recht lediglich die hierfür vereinnahmte Provision der Umsatzsteuer unterworfen.

Sie beantragt sinngemäß, die Umsatzsteuer 1977 bis 1979 um die auf die Beurteilung der Gebrauchtwagengeschäfte als Eigengeschäfte entfallende Steuer herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung sowie der Einspruchsentscheidung und zur Herabsetzung der Umsatzsteuer entsprechend dem Revisionsantrag.

1. Der Vorentscheidung ist aufzuheben, weil sie auf einer Verletzung von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1 UStG 1973 beruht. Das FG hat verkannt, daß die Übernahme der auf 10 000 km, höchstens auf sechs Monate begrenzten Motorgarantie es nicht rechtfertigt anzunehmen, daß die GbR nicht als Vermittler, sondern als sogenannter Eigenhändler gehandelt habe und dementsprechend hinsichtlich der Gebrauchtwagen ihr zuzurechnende Lieferungen vorlagen.

Nach der neueren Rechtsprechung des BFH zur Beurteilung von Gebrauchtwagengeschäften (Urteile vom 20. Februar 1986 V R 133/75, BFH / NV 1986, 311; vom 25. Juni 1987 V R 78/79, BFHE 150, 205, BStBl II 1987, 657; vom 29. September 1987 X R 13/81, BFHE 151, 469, BStBl II 1988, 153, und vom 27. Juli 1988 X R 40/82, BFHE 154, 264, BStBl II 1988, 1017) entscheidet sich die Frage, ob die Zwischenperson (der Händler) als Vermittler oder als sog. Eigenhändler zu beurteilen ist, nach den umsatzsteuerrechtlichen Leistungsbeziehungen, also danach, ob eine entgeltliche Lieferung des Gebrauchtwagens durch die Zwischenperson an den Abnehmer vorliegt, oder ob die Zwischenperson lediglich eine (entgeltliche) Geschäftsbesorgung - als Vermittler - erbringt. Dies ist anhand der Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 i. V. m. § 3 Abs. 1 UStG 1973 zu prüfen. Außer Betracht bleibt dabei, ob die Zwischenperson ein - wie das FG es ausdrückt - über das übliche Geschäftsrisiko eines Vermittlers hinausgehendes Risiko übernimmt. Dem Tatbestandsmerkmal des § 10 Abs. 1 Satz 4 UStG 1973 ,,für Rechnung eines anderen", also für fremde Rechnung, aus dem das FG seine Auffassung ableitet, kann etwas anderes nicht entnommen werden. Wie der erkennende Senat im Urteil in BFH / NV 1986, 311 zu 2. dargelegt hat, kommt der genannten Vorschrift keine selbständige, umsatzsteuerbegründende oder den Steuertatbestand ausschließende Bedeutung zu. Vielmehr setzt sie voraus, daß derjenige, der Beträge im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt oder verausgabt, insoweit selbst keine Leistung erbracht hat. Für fremde Rechnung handelt nur, wer das Risiko des vermittelten Geschäfts nicht selbst trägt; ein eigenes Interesse an dem Geschäft und mithin Gestaltungsfreiheit im Hinblick auf das Ziel, eine angemessene Vermittlungsprovision zu erzielen, steht dem Handeln für fremde Rechnung nicht entgegen. Entscheidend ist, ob der Zwischenperson, entsprechend den Voraussetzungen für die Annahme einer Lieferung, Substanz, Wert und Ertrag der Gebrauchtwagen übertragen worden ist.

Für einen Sachverhalt, der dem dem Streitfall zugrunde liegenden vergleichbar ist, hat der X. Senat in dem Urteil in BFHE 151, 469, BStBl II 1988, 153 daher auch entschieden, daß die Übernahme der gegenständlich und zeitlich begrenzten Gewährleistung gegenüber dem Gebrauchtwagenkäufer für sich allein nicht dazu führe, die Leistungen der Zwischenperson nicht als Geschäftsbesorgungen gegenüber den Verkäufern, sondern als (eigene) Lieferungen der Gebrauchtwagen an die Käufer zu beurteilen.

2. Die Sache ist spruchreif.

Nach den den erkennenden Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) ist die GbR beim Abschluß der Kaufverträge im Namen der Gebrauchtwagenverkäufer aufgetreten. Gemäß § 164 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sind damit die Verkäufer aus den Gebrauchtwagengeschäften berechtigt und verpflichtet worden. Umsatzsteuerrechtlich hat dies zur Folge, daß die GbR als Vermittler tätig geworden ist. Anhaltspunkte dafür, daß die Vermittlungsverträge nicht wie vereinbart durchgeführt worden wären, sind weder vom FG festgestellt worden noch sonst ersichtlich. Gegenrügen hat das FA nicht erhoben.

Unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung vom 20. Juli 1983 ist die durch den Umsatzsteuersammelbescheid vom 21. Januar 1982 festgesetzte Umsatzsteuer für die Veranlagungszeiträume 1977 bis 1979 um die auf die streitigen Gebrauchtwagengeschäfte entfallende Umsatzsteuer herabzusetzen.

 

Fundstellen

BFH/NV 1990, 333

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