Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung Steuerliche Förderungsgesetze

 

Leitsatz (amtlich)

Die für die Einlegung der Rb. erforderliche Höhe des Streitwertes hat der Bundesfinanzhof von sich aus ohne Rücksicht auf die Feststellungen des Streitwertes in den Vorinstanzen auf Grund der bei Einlegung der Rb. gegebenen Sach- und Rechtslage zu prüfen.

Der Wert des Streitgegenstandes bei der Einheitswertfeststellung von Vermögen in Berlin-West auf den 1. April 1949 ist seit der Neufassung des § 88 Abs. 2 LAG durch das 8. ändGLAG nicht wie bei den sonstigen Einheitswertfeststellungen auf den Währungsstichtag mit Rücksicht auf die Vermögensabgabe um 20 v. H., sondern nur um 1/3 von 20 v. H. gegenüber den bisherigen Tausendsätzen des strittigen Wertunterschiedes höher festzustellen.

 

Normenkette

AO § 286 Abs. 1; FGO § 115/1; AO § 320; FGO § 140; LAG § 88 Abs. 2

 

Tatbestand

Streitig ist neben der sachlich-rechtlichen Frage der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der Wert des Streitgegenstandes und damit die Zulässigkeit der Rb.

Die Bfin. - eine GmbH in Berlin - reichte mit ihrer Vermögensaufstellung zur Ermittlung des Einheitswertes des gewerblichen Betriebes auf den 1. April 1949 eine berichtigte DM-Eröffnungsbilanz ein, die rückständige Gehaltsforderungen ihres Gesellschafter-Geschäftsführers in Höhe von 2.200 DM als Gesellschaftsschuld enthielt. In der ursprünglichen DM-Eröffnungsbilanz waren Gehaltsrückstände nicht enthalten.

Das Finanzamt erkannte die Berichtigung der DM-Eröffnungsbilanz und damit die Berücksichtigung der Gehaltsforderungen beim Einheitswert auf den 1. April 1949 nicht an, und ließ in dem Einheitswertbescheid vom 8. Oktober 1956 die 2.200 DM wegen Fehlens eines Vergütungsanspruches des Geschäftsführers zum Abzug nicht zu.

Einspruch und Berufung, mit denen die Bfin. die Absetzung des Geschäftsführergehaltes bei Feststellung des Einheitswertes begehrte, blieben ohne Erfolg. In der Einspruchsentscheidung wurde der Wert des Streitgegenstandes auf 480 DM festgestellt, berechnet mit 22 v. H. von 2.200 DM. Gegen die Einspruchsentscheidung vom 4. Juli 1957 legte die Bfin. mit Schreiben vom 11. Juli 1957, eingegangen beim Finanzamt am 13. Juli 1957, Berufung ein. Diese blieb ohne Erfolg. Der Wert des Streitgegenstandes wurde wiederum auf 480 DM festgestellt. Die Rechtsmittelbelehrung des Urteils des Finanzgerichts (Verwaltungsgerichts) vom 24. Juni 1958 lautete u. a. dahin, die Bfin. könne gegen dieses Urteil Rb. anbringen, "wenn der Wert des Streitgegenstandes der Rb. 200 DM übersteigt".

Während die Bfin. erneut die Absetzung der 2.200 DM geltend macht, beantragt das Finanzamt als Bg., in erster Linie die Rb. als unzulässig zu verwerfen, da der Wert des Streitgegenstandes für die Rb. nur 191 DM betrage. Infolge änderung des § 88 Abs. 2 LAG durch das Achte Gesetz zur änderung des Lastenausgleichsgesetzes (8. ändGLAG) werde die sogenannte Berlin-Ermäßigung bis zum Ende der Laufzeit der Vermögensabgabe gewährt. Infolgedessen sei der Streitwert für die Vermögensabgabe der Bfin. nur mit einem Drittel von 20 v. H. von 2.200 DM anzusetzen, unbeschadet der weiteren 2 v. H. von 2.200 DM. Die Höhe des Streitwertes sei vom Bundesfinanzhof selbständig zu prüfen.

Demgegenüber wendet die Bfin. ein, das Unzulässigkeitsbegehren stelle eine Erinnerung gegen die Streitwertfeststellung der Einspruchsentscheidung nach § 323 AO dar, die nach § 323 Abs. 2 AO verspätet und daher unzulässig sei. Es sei zu unterstellen, daß das Verwaltungsgericht seinerseits den Streitwert überhaupt nicht gemäß § 320 Abs. 4 AO geprüft habe. Bei einer Erinnerung hätte das Verwaltungsgericht überlegungen über die Zulässigkeit der Rb. wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache anstellen müssen. Nachdem der Streitwert übereinstimmend von zwei Instanzen festgestellt worden sei, würde die vom Finanzamt für die Rb. beantragte anderweitige Feststellung die weitere Rechtsverfolgung unmöglich machen und gegen das Grundgesetz verstoßen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist als unzulässig zu verwerfen. Der Wert des Streitgegenstandes der Rb. ist nicht höher als 200 DM, und das Verwaltungsgericht hat nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache die Rb. zugelassen (ß 286 Abs. 1 AO in Verbindung mit § 6 Abs. 2 des Gesetzes über den Bundesfinanzhof vom 29. Juni 1950).

Der Streitgegenstand der Rb. ist das, was die Bfin. mit der Rb. erreichen will (Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 691/31 vom 14. April 1931, RStBl 1931 S. 299, Slg. Bd. 28 S. 222). Entscheidend ist, sofern nicht eine nachträgliche Erhöhung erfolgt, das Begehren bei Einlegung des Rechtsmittels. Der Streit in der Vorinstanz und der vom Verwaltungsgericht für die Berufungsentscheidung festgestellte Streitwert sind für die Frage, ob der Wert des Streitgegenstandes für die Rb. gemäß § 286 AO erreicht ist, ohne Bedeutung. Die Rechtsbeschwerdeinstanz hat von sich aus die Zulässigkeit der Rb. zu prüfen (Urteil des Reichsfinanzhofs III A 9/37 vom 11. Februar 1937, RStBl 1937 S. 475, Slg. Bd. 41 S. 125). Im vorliegenden Falle handelt es sich um die Feststellung des Einheitswertes des Betriebsvermögens auf den Währungsstichtag (Berlin-West: 1. April 1949). Auf Grund des Gutachtens des Reichsfinanzhofs III D 1/37 vom 15. Juli 1937 (RStBl 1937 S. 907, Slg. Bd. 42 S. 12) wird in ständiger Rechtsprechung der Streitwert bei Einheitswertsachen in der Regel pauschal bemessen. Nach einem koordinierenden Beschluß der Vertreter der Finanzverwaltungen der Länder des Bundesgebietes (vgl. BStBl 1951 II S. 26) sollen für die Streitwertermittlung beim Betriebsvermögen 20 v. T. (= 2 v. H.) des strittigen Wertunterschiedes angesetzt werden. Diesen Pauschsatz wendet auch der Bundesfinanzhof unter Bezugnahme auf § 320 Abs. 4 AO an. Bei Streitigkeiten über den Einheitswert auf den Währungsstichtag hat der Senat mit Rücksicht auf die von diesem Stichtag abhängigen Abgaben nach dem LAG den Streitwert grundsätzlich um 20 v. H. des strittigen Einheitswertes erhöht (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs III 17/53 S vom 14. Mai 1954, BStBl 1954 III S. 211, Slg. Bd. 59 S. 5), so daß sich alsdann bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens als Streitwert insgesamt 2 v. H. + 20 v. H. = 22 v. H. des strittigen Einheitswertes ergeben (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs III 383/57 U vom 23. Mai 1958, BStBl 1958 III S. 326, Slg. Bd. 67 S. 137).

Gegenstand des Streites ist in allen Instanzen die Minderung des Einheitswertes des Betriebsvermögens um 2.200 DM. Die Streitwertfeststellungen der Einspruchsentscheidung und des Berufungsurteils sind somit zutreffend (22 v. H. von 2.200 DM = rund 480 DM). Anders verhält es sich mit dem Streitwert für die Rb. Durch das 8. ändGLAG vom 26. Juli 1957, in Kraft getreten am 3. August 1957 (BStBl 1957 I S. 380), also nach Einlegung der Berufung, aber vor Einlegung der Rb., ist die Abgabepflicht für Vermögen in Berlin-West insgesamt (die Vierteljahrsbeträge bis 31. März 1979) auf 1/3 herabgesetzt worden. Dementsprechend ist bei Einlegung der Rb. durch die Bfin. am 7. August 1958 nur noch 1/3 der Vermögensabgabe des LAG vom Einheitswert auf den 1. April 1949 abhängig gewesen. Bei Abgabepflichtigen, auf die die Ermäßigung des § 88 Abs. 2 LAG in der Fassung des 8. ändGLAG zutrifft, ist der Streitwert, den der erkennende Senat mit Rücksicht auf die vom Einheitswert abhängige Vermögensabgabe auf 20 v. H. des strittigen Einheitswertes (zusätzlich zu den bisherigen 2 v. H.) pauschal feststellt, auf 1/3 von 20 v. H. zuzüglich 2 v. H. des strittigen Einheitswertes zu mindern. Der Streitwert der vorliegenden Rb. beträgt somit 2 v. H. von 2.200 DM 44 DM und 1/3 von 20 v. H. von 2.200 DM = 146.67 DM, insgesamt 190,67 DM. Es besteht keine Veranlassung, im vorliegenden Fall von der pauschalen Berechnung abzugehen.

Die Ausführungen der Bfin. und die Entgegnung des Bg. zu den §§ 320, 322 und 323 AO sowie zu der Frage, ob eine niedrigere Feststellung des Streitwertes für die Rb. in Abweichung von den Entscheidungen der Vorinstanzen gegen Treu und Glauben oder das Grundgesetz verstoßen würde, sind abwegig, weil, wie dargelegt, die Streitwerte für das Einspruchsverfahren und das Berufungsverfahren zutreffend mit über 200 DM festgestellt wurden. Erst das die Bfin. begünstigende 8. ändGLAG senkte den Streitwert für die Rb. Die Rechtsmittelbelehrung des Berufungsurteils ist zutreffend. Es war Angelegenheit der Bfin., deren Geschäftsführer zudem Steuerberater ist, zu erkennen, ob der Streitwert der Rb. über 200 DM liegt. Das ist nicht der Fall. Da das Verwaltungsgericht die Rb. nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat, ist die Rb. als unzulässig zu verwerfen.

 

Fundstellen

BStBl III 1960, 370

BFHE 1961, 324

BFHE 71, 324

StRK, AO:286 R 16

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