Leitsatz (amtlich)

Die Zulassung von Touristen zur Benutzung eines Campinggeländes ist keine umsatzsteuerfreie Grundstücksvermietung.

 

Normenkette

UStG 1951 § 4 Nr. 10

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) unterhält auf eigenen und gepachteten Grundstücken einen Campingplatz. Dieser ist nach den Feststellungen des FG aufgeteilt in mehrere am Ufer eines Baches liegende, durch Zäune umgrenzte Parzellen, die an Dauerbenutzer zum Aufstellen von Zelten und Wohnwagen in der Regel für mehrere Jahre überlassen werden und in eine nicht unterteilte weiträumige Fläche, die der Aufnahme von Touristen zum vorübergehenden Campieren mit Zelten oder Wohnwagen dient. Daneben sind noch ein Kinderspielplatz und ein Parkplatz vorhanden. An Einrichtungen weist der Campingplatz lediglich eine Wasserpumpe sowie eine Wasch- und Toilettenanlage auf. Mit den Dauergästen schloß die Steuerpflichtige schriftliche "Pachtverträge" ab, in denen insbesondere die Größe der Vertragsfläche und die Art der zugelassenen Nutzung, die "Pachtgebühr" und die Kündigungsfristen geregelt wurden. Mit den Touristen wurden lediglich mündliche Vereinbarungen geschlossen. Sie hatten ein nach Tagen des Aufenthalts bemessenes Entgelt zu bezahlen und konnten dafür auf dem allgemeinen Campingplatz an einer beliebigen Stelle campieren sowie den Spielplatz, den Parkplatz und die sanitären Einrichtungen benutzen.

Im Veranlagungszeitraum 1964 zog der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) die gesamten Einnahmen aus dem Campingplatz mit 4 v. H. zur Berechnung der Umsatzsteuer heran. Gegen den Umsatzsteuerbescheid legte die Steuerpflichtige insoweit Sprungklage ein und machte geltend, ihre diesen Einnahmen zugrunde liegende Tätigkeit sei Vermietung oder Verpachtung eines Grundstücks und deshalb gemäß § 4 Nr. 10 UStG 1951 steuerfrei.

Im angefochtenen Urteil hat das FG den Steuerbescheid teilweise aufgehoben und den Steuerbetrag um ... DM ermäßigt. Im übrigen, also wegen eines strittigen Steuerbetrages von ... DM, hat es die Klage abgewiesen. Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Das FG hat ausgeführt: Die Überlassung von abgegrenzten Flächen an Dauerbenutzer sei steuerfrei, weil in diesen Fällen der Besitz eines bestimmten Grundstücksteils hauptsächlicher Vertragsgegenstand, die Überlassung der Einrichtungen des Campingplatzes aber nur Nebenleistung sei. Die Leistung der Steuerpflichtigen sei insoweit eine Grundstücksvermietung; § 37 UStDB 1951 (Ausschluß der Steuerfreiheit für Betriebsanlagen auf einem Grundstück) finde keine Anwendung. An die Touristen habe die Steuerpflichtige jedoch auf Grund eines Vertrags besonderer Art geleistet. Für solche Benutzer komme es wegen der vorübergehenden Dauer ihres Aufenthalts und der durch die weiteren Besucher bedingten Einschränkungen nicht auf die Überlassung eines bestimmten Platzes an. Es stehe im Vordergrund, daß diese Gäste irgendwo auf dem Campingplatz parken, zelten und abkochen sowie sich der vorhandenen Einrichtungen (Wasch- und Toilettenanlagen, Spielplatz usw.) und der Organisation bedienen könnten. Die entsprechende Leistung des Unternehmers sei keine Grundstücksvermietung. Der angefochtene Steuerbescheid sei deshalb insoweit rechtmäßig, als er die Steuer aus den Entgelten für die Überlassung des Campingplatzes an Touristen festgesetzt habe. Diese Auffassung stehe in Übereinstimmung mit dem Urteil des BFH V 303/59 vom 20. Juni 1962 (Steuerrechtsprechung in Karteiform, Umsatzsteuergesetz 1951, § 4 Nr. 10, Rechtsspruch 28).

Die Steuerpflichtige hat das Urteil des FG angefochten, soweit ihre Klage abgewiesen wurde. Dazu hat sie ausgeführt: Bei der Überlassung von Teilflächen zur kurzfristigen Aufstellung eines Zeltes oder Wohnwagens handle es sich um Grundstückspachtverträge. Auf diese Überlassung richte sich das Hauptinteresse des Gastes. Die Überlassung von Wasch- und WC-Anlagen sowie eines Kinderspielplatzes zum gemeinsamen Gebrauch aller Gäste sei gleichfalls als Grundstückspacht zu beurteilen. Ein ausschließlicher Gebrauch durch einen Pächter sei für das Wesen des Pachtvertrags nicht bestimmend.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet.

Nach § 4 Nr. 10 UStG 1951 ist u. a. die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken - abgesehen von der Beherbergung in Gaststätten - steuerfrei. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist bei Anwendung dieser Vorschrift der Begriff Vermietung oder Verpachtung nach bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen zu bestimmen (so z. B. das Urteil V 120/64 vom 25. April 1968, BFH 93, 393, BStBl II 1968, 94). Eine Verpachtung als mögliche Leistung hat auszuscheiden, da die Steuerpflichtige den Touristen keinen Fruchtgenuß gewährt (§ 581 BGB). Strittig ist also die Rechtsfrage, ob der Steuerpflichtigen die Entgelte der Touristen für die Vermietung eines Grundstücks zugeflossen sind.

Nach §§ 535, 536 BGB besteht die Leistung des Vermietens in der Gewährung des Gebrauchs der gemieteten Sache während der Mietzeit sowie in der Überlassung und Erhaltung der Mietsache in einem zum vertragsmäßigen Gebrauch geeigneten Zustande.

Es ist einzuräumen, daß die strittige Leistung der Steuerpflichtigen Elemente enthält, die, für sich allein gesehen, als Vermietung zu beurteilen wären. Die Vermietung ist aber nicht der alleinige Inhalt dieser Leistung. Jeder Camping-Vertrag stellt darauf ab, daß sich der Tourist auf dem gesamten Campinggelände, soweit es nicht für die Dauerbenutzer eingezäunt oder von anderen Touristen für die Aufstellung von Zelten oder Wohnwagen in Anspruch genommen wird, frei bewegen kann. Im konkreten Fall war jeder Gast berechtigt, sich allenthalben zu lagern und abzukochen, das angrenzende Wasser aufzusuchen, den Parkplatz in Anspruch zu nehmen, seine Kinder auf den Spielplatz zu schicken und dgl. m. Die Gestattung der Benutzung des gegenüber dem jeweiligen Zeltplatz unverhältnismäßig größeren Geländes ist ein wesentlicher Bestandteil der Unternehmerleistung. Insoweit fehlt aber der Tätigkeit der Steuerpflichtigen der Charakter der Vermietung. Diese Leistung entspricht auch keinem anderen Vertragstypus des bürgerlichen Rechts. Sie ist deshalb als eine Leistung eigener Art zu beurteilen. Zwar steht auch hier der Gebrauch von Grund und Boden zu einem vertragsmäßig vereinbarten Zweck in Frage. Das Grundstück wird aber nicht einem einzelnen oder einer durch einen einheitlichen Vertrag zusammengefaßten Gemeinschaft überlassen, vielmehr wird eine nach Zahl und Zusammensetzung wechselnde Mehrheit von Personen zum Gebrauch zugelassen. Der unmittelbare Besitz, dessen Übertragung das Mietverhältnis kennzeichnet (§§ 536, 868 BGB), verbleibt sowohl nach dem Vertragswillen der Vertragsparteien wie auch nach den tatsächlich bestehenden Herrschaftsverhältnissen beim Inhaber des Campinggeländes. Eine Mitbenutzung bedeutet nicht auch ein Mitbesitzen, wenn der Alleinbesitz des anderen anerkannt ist und ein eigener Besitzwille fehlt (Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 108 S. 123). Da, wie schon betont, diese Zulassung zur Geländebenutzung für den Camping-Vertrag als wesentlich anzusehen ist, und mit der Überlassung der zum Aufstellen von Wohnvorrichtungen dienenden, nach Mietgrundsätzen überlassenen geringfügigen Fläche eine unauflösliche Einheit bildet, sieht der Senat keinen Anlaß, von seiner bisherigen, im Urteil V 303/59 (a. a. O.) im Ergebnis zum Ausdruck gebrachten Rechtsüberzeugung abzuweichen, nach der auf die Leistungen des Unternehmers aus kurzfristigen Camping-Verträgen die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 10 UStG 1951 unanwendbar ist. Die Revision der Steuerpflichtigen war aus diesen Erwägungen mit der Kostenfolge nach § 135 Abs. 2 FGO als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

BStBl II 1971, 646

BFHE 1971, 433

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