Leitsatz (amtlich)

1. Der Senat hält an der Auffassung fest, daß die Überlassung von Standplätzen bei Volksfesten, Schützenfesten, Kirchweihen, Jahrmärkten und dgl. keine reine Grundstücksvermietung, sondern entweder eine gemischte Leistung oder eine Leistung besonderer Art darstellt.

2. Eine Stadt wird in Ausübung öffentlicher Gewalt tätig, wenn sie gegen Entgelt Bürgschaften zur Finanzierung von Aufgaben übernimmt, die im Interesse des Gemeinwohls liegen; Voraussetzung ist, daß sich die Tätigkeit auf einem Gebiet abspielt, auf dem ein freier Wettbewerb regelmäßig nicht stattfindet.

2. Zur Frage der Ausübung öffentlicher Gewalt und der Entgeltvereinnahmung bei der Überlassung städtischer Anstalten und Einrichtungen seitens einer Stadt an eine Universität zur Mitbenutzung.

2. Die Bewachung eines Geldinstituts gegen Entgelt durch Wachmänner, die eine Stadt zu diesem Zwecke eingestellt hat, erfolgt seit Aufhebung des Waffenmonopols der Polizei nicht in Ausübung öffentlicher Gewalt.

 

Normenkette

UStG 1951 § 1 Nr. 1, § 2 Abs. 3, § 4 Nr. 10, § 5 Abs. 1 S. 1

 

Gründe

Die Revision der Steuerpflichtigen kann in diesem Punkte keinen Erfolg haben. Die Ausführungen der Vorentscheidung sind weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht zu beanstanden. Aus ihnen ergibt sich, daß im Jahre 1953 die Bewachung von Geldinstituten durch bewaffnete Wachmänner weder eine den Gemeinden durch Gesetz, Rechtsverordnung oder Gewohnheitsrecht zugewiesene noch eine ihnen eigentümliche und vorbehaltene Aufgabe war. Eine ursprünglich hoheitliche Tätigkeit kann sich durch den Wegfall der von der Rechtsprechung hierfür aufgestellten Voraussetzungen in eine gewerbliche Tätigkeit verwandeln. Eine solche Umwandlung tritt u. a. regelmäßig dann ein, wenn eine bislang bestimmten Körperschaften des öffentlichen Rechts eigentümliche und vorbehaltene Aufgabe (hier Bewachung durch bewaffnete Wachmänner) durch Änderung der gesetzlichen Vorschriften (hier Aufhebung des Waffenmonopols der Polizei) auch Gegenstand privater Unternehmen (z. B. von Wach- und Schließgesellschaften) wird, zu denen die Körperschaft des öffentlichen Rechts bei Fortsetzung ihrer Tätigkeit in Wettbewerb tritt.

Die Steuerpflichtige geht fehl, wenn sie es darauf abstellt, ob die Vereinbarung, die sie nach dem Abzug der Militärpolizei im Juli 1948 mit dem Geldinstitut über die Gestellung einer Wachmannschaft traf, privat-rechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Natur war. Das UStG besteuert nicht Vereinbarungen, sondern die in § 1 UStG 1951 genannten Umsätze. Wenn sich der Gegenstand einer Vereinbarung seinem Wesen nach ändert, kann dies auf dem Gebiet des Umsatzsteuerrechts, das wirtschaftliche Vorgänge grundsätzlich ohne Rücksicht auf ihre formalrechtliche Ausgestaltung erfaßt, nicht unbeachtet bleiben. Die Tätigkeit der Steuerpflichtigen blieb nach Aufhebung des Waffenmonopols der Polizei nicht deshalb Ausübung öffentlicher Gewalt, weil die zur Bewachung des Bankinstituts herangezogene Wachmannschaft "als Polizei" auftrat. Ihre Aufgabe hätte im Jahre 1953 ebensogut von einem privaten Bewachungsunternehmen durchgeführt werden können. Entgegen der Ansicht der Steuerpflichtigen ist es für die Umsatzbesteuerung auch ohne Bedeutung, ob der Leistende gewerblich oder hoheitlich tätig werden will. Auf den Willen des Leistenden kommt es in diesem Zusammenhang nicht an, sondern allein auf die tatsächlichen Gegebenheiten, die im Streitfalle - wie oben dargelegt - eindeutig gegen eine Ausübung öffentlicher Gewalt sprechen.

c) ...

IV.

Nach den obigen Ausführungen sind die Revision des FA im Punkt 2 (Gewährung von Bürgschaften) und die Revision der Steuerpflichtigen in den Punkten 4 (Gestellung von Wachmannschaften) und 5 (...) unbegründet. Die Revision des FA ist in Punkt 1 (Überlassung von Standplätzen bei Volksfesten usw.), die Revision der Steuerpflichtigen in Punkt 3 (Überlassung städtischer Krankenhäuser usw. zur Mitbenutzung) begründet. In Punkt 1 bedarf der Sachverhalt noch der weiteren Klärung. Bezüglich dieses Punktes war daher die Sache zur Durchführung weiterer Ermittlungen und zur erneuten Entscheidung (unter Beachtung der Ausführungen des Senats) an das FG zurückzuverweisen. In dieser erneuten Entscheidung wird das FG die Umsatzsteuer der Steuerpflichtigen für 1953 zahlenmäßig neu zu berechnen haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68373

BStBl II 1969, 94

BFHE 1968, 393

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