Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Bei Verzögerungen der Ausstellung des Flüchtlingsausweises ist für die Bestimmung des Dreijahreszeitraums des § 52 Abs. 16 EStG 1958 als Erstjahr das Jahr der endgültigen Anerkennung und der Ausstellung des Flüchtlingsausweises anzusetzen.

 

Normenkette

EStG § 52 Abs. 16, § 52/20

 

Tatbestand

Streitig ist, ob dem Bf. für das Jahr 1959 der Freibetrag für Sowjetzonenflüchtlinge gemäß § 33 a EStG 1953 zu gewähren ist.

Der Bf., der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt, die dem Steuerabzug vom Arbeitslohn unterliegen, ist am 20. Januar 1956 aus der sowjetisch besetzten Zone geflüchtet. Auf Grund seines am 20. August 1956 gestellten Antrages wurde ihm der Flüchtlingsausweis C erst am 7. Oktober 1957 erteilt.

Er begehrte im Lohnsteuer-Ermäßigungsverfahren für das Jahr 1959, ebenso wie zuvor in den Jahren 1957 und 1958, die Gewährung des Freibetrages für Sowjetzonenflüchtlinge. Das Finanzamt versagte den Freibetrag, weil die Voraussetzungen bereits im Jahre 1956 erstmals vorgelegen hätten, der Dreijahreszeitraum des § 52 Abs. 16 EStG 1958 also mit dem Jahre 1958 abgelaufen sei.

Der Einspruch und die Berufung blieben erfolglos. Mit der Rb. wird gerügt, daß die Vorinstanzen den Beginn des nach § 52 Abs. 16 EStG 1958 geltenden Dreijahreszeitraumes falsch angesetzt hätten. Erst ab der Erlangung des Flüchtlingsausweises sei der Dreijahreszeitraum zu rechnen, mithin hier ab 7. Oktober 1957.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.

33 a EStG 1953 sah Freibeträge für bestimmte Personengruppen vor, so auch für Sowjetzonenflüchtlinge. Jedoch sollte dieser Freibetrag letztmals für den Veranlagungsabschnitt 1954 gewährt werden. § 52 Abs. 12 EStG 1955 (ß 52 Abs. 16 EStG 1958) schaffte eine übergangsregelung, die dem in § 33 a EStG 1953 bezeichneten Personenkreis soweit er die Voraussetzungen für eine Vergünstigung nach § 33 a EStG 1953 noch keine drei Jahre erfüllt hatte, die Möglichkeit gab, diese Vergünstigung für insgesamt drei Veranlagungszeiträume zu beantragen. Als Erstjahr des Dreijahreszeitraumes bestimmt § 52 Abs. 16 EStG 1958 das Jahr, in welchem bei dem Steuerpflichtigen die Voraussetzungen für die Gewährung des Freibetrages eingetreten sind. Die Vorschrift des § 25 b Abs. 4 LStDV 1959 erläutert dazu, daß die Voraussetzung für die Gewährung des Freibetrages bei einem Steuerpflichtigen in dem Kalenderjahr eintritt, in welchem er als unbeschränkt Steuerpflichtiger erstmalig zu den im Gesetz bezeichneten Personengruppen gehört hat. Diese Bestimmung der LStDV ist eine sinnvolle und zutreffende Auslegung des Gesetzes. Es liegt nahe, den Beginn des Dreijahreszeitraumes an den Eintritt der unbeschränkten Steuerpflicht zu knüpfen weil das eine objektive und im Bereich der steuerlichen Betrachtung gelegene Festlegung ist. Sonach kann der Beginn des Dreijahreszeitraumes auch nicht - wie es dem Bf. vorschwebt - etwa an die Einweisung in ein Land der Bundesrepublik oder die Arbeitsaufnahme geknüpft werden.

Jedoch ist zu beachten, daß ein Steuerpflichtiger praktisch nicht in der Lage ist, einen Antrag auf Gewährung des Freibetrages zu stellen, bevor er endgültig als Flüchtling anerkannt ist, wenngleich die Erteilung des Ausweises keine rechtsbegründende (konstitutive), sondern nur eine rechtsbestätigende (deklaratorische) Bedeutung hat.

Im Streitfalle hat sich die Erteilung des Flüchtlingsausweises und damit die Anerkennung als Flüchtling um 1 1/4 Jahr bis spät in das Jahr 1957 verzögert. Um dem Zweck des § 52 Abs. 16 EStG 1958, nämlich dem genannten Personenkreis den Freibetrag für drei Jahre zu gewähren, gerecht zu werden, ist es angebracht, als Erstjahr das Jahr der endgültigen Anerkennung als Flüchtling anzusetzen (so auch Blümich-Falk, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 7. Aufl., § 33 a Anm. 7 S. 1110). Demgemäß bildet für den Bf. das Jahr 1957 das Erstjahr, so daß ihm für 1959 letztmalig der Freibetrag zusteht.

Die angefochtene Entscheidung und die Einspruchsentscheidung vom 6. Dezember 1958 waren demnach wegen unrichtiger Anwendung von § 52 Abs. 16 EStG 1958 aufzuheben. Die Sache wird an das Finanzamt zurückverwiesen, das dem Bf. den begehrten Freibetrag für 1959 zu gewähren hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410445

BStBl III 1962, 257

BFHE 1962, 695

BFHE 74, 695

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