Entscheidungsstichwort (Thema)

Körperschaftsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Wenn eine GmbH eine Kapitalerhöhung im Lauf eines Wirtschaftsjahres beschließt und die Gesellschafter ihre Einzahlungsverpflichtungen erfüllen, so steht der Umstand, daß die Eintragung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister erst im nächsten Wirtschaftsjahr erfolgt, der Zugrundelegung des erhöhten Kapitals bei Anwendung des § 19 Abs. 2 nicht entgegen.

 

Normenkette

KStG § 19 Abs. 2

 

Tatbestand

Es ist mündliche Verhandlung beantragt. Es erschien dem Senat zweckmäßig, einen Bescheid nach § 294 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) zu erlassen.

Am 1. Januar 1953 betrug das Stammkapital der Beschwerdeführerin (Bfin.) einer GmbH, deren Geschäftsanteile sich in der Hand einer ausländischen Muttergesellschaft befinden, 1 441 600 DM. Am 21. Dezember 1953 wurde zu notariellem Protokoll beschlossen, das Stammkapital durch Ausgabe von Freianteilen an die Gesellschafter auf 4 800 000 DM zu erhöhen. Dieser Beschluß wurde am gleichen Tage buchmäßig durchgeführt. Nachdem die devisenrechtliche Genehmigung am 18. Februar 1954 erteilt war, trug der Registerrichter die Kapitalerhöhung am 16. März 1954 in das Handelsregister ein. Am 15. November 1954 wurde eine Dividende von 1 800 000 DM für 1953 ausgeschüttet. Die Bfin. will gemäß § 19 Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1953 den Teil des Einkommens, der 8 v. H. des erhöhten Stammkapitals von 4 800 000 DM entspricht, also 384 000 DM, zum ermäßigten Körperschaftsteuersatz von 30 v. H. versteuern. Das Finanzamt hat den zu dem ermäßigten Steuersatz zu versteuernden Teil des Einkommens mit 8 v. H. des am 31. Dezember 1953 im Handelsregister eingetragenen Stammkapitals von 1 441 600 DM berechnet, weil die Erhöhung des Stammkapitals erst mit der Eintragung in das Handelsregister wirksam geworden sei. Das Finanzgericht ist dem gefolgt.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) der Steuerpflichtigen ist begründet.

Der ermäßigte Steuersatz von 30 v. H. ist nach § 19 Abs. 2 KStG 1953 auf einen Teil des Einkommens in Höhe der "berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen" anzuwenden. Nach § 44 Abs. 3 in Verbindung mit den §§ 55 und 57 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) ist eine Kapitalerhöhung handelsrechtlich erst wirksam, wenn sie in das Handelsregister eingetragen ist. Die Vorinstanzen schließen daraus, daß es auch für die Berechnung der 8 v. H. immer auf das im Handelsregister eingetragene Stammkapital ankomme. Der Senat vermag sich dieser Auffassung, die nach dem Wortlaut des § 19 Abs. 2 KStG 1953 an sich vertretbar ist, nicht anzuschließen. Bei wirtschaftlicher Betrachtung müssen Tatbestände steuerlich unter Umständen anders beurteilt werden als im bürgerlichen Recht. So entspricht es der ständigen Rechtsprechung (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs I 8/52 U vom 6. Mai 1952, Slg. Bd. 56 S. 446, Bundessteuerblatt - BStBl - 1952 III S. 172), eine in der Gründung begriffene und demnächst eingetragene Kapitalgesellschaft bereits vom Tage der Errichtung des Gesellschaftsvertrags an als Kapitalgesellschaft zu behandeln und die Erträge der Körperschaftsteuer zu unterwerfen, obgleich die Kapitalgesellschaft als Rechtsperson erst mit der Eintragung im Handelsregister entsteht. Demgemäß ist auch § 19 Abs. 2 KStG 1953 wirtschaftlich auszulegen.

Die Bfin. hatte mit dem Gesellschafterbeschluß und der übernahme des neuen Geschäftsanteils durch ihre alleinige Gesellschafterin im Wirtschaftsjahr 1953 das von sich aus Erforderliche für die Durchführung der Kapitalerhöhung getan. Die Eintragung in das Handelsregister ist im Jahre 1954 nachgefolgt, nachdem die devisenrechtlichen Schwierigkeiten überwunden waren. Bei dieser Sachlage erscheint es steuerlich nicht gerechtfertigt, dem Zeitpunkt der Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister, auf die die Bfin. kaum Einfluß hatte, ausschlaggebende Bedeutung beizumessen. Die Auslegung, die der Senat dem § 19 Abs. 2 KStG 1953 gibt, widerspricht auch nicht dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift. Nach der Begründung zum Gesetz zur änderung steuerlicher Vorschriften und zur Sicherung der Haushaltsführung vom 24. Juni 1953 (Drucksache Nr. 4092 vom 21 Februar 1953 der Verhandlungen des Bundestags 1. Wahlperiode) sollte durch die gesetzlichen Bestimmungen unter anderem klargestellt werden, daß Kapitalgesellschaften in Form der GmbH, insbesondere Einmanngesellschaften, die 8 v. H. nicht auch vom verdeckten Stammkapital oder den offenen Rücklagen berechnen dürfen. Berücksichtigt man, daß die Bfin. bereits vor dem 31. Dezember 1953 die offenen Reserven in Höhe der gewährten Freianteile ausgeschüttet, die Gesellschafterin den Betrag der Bfin. als Kapital wieder zugeführt und schließlich die Bfin. den Vorgang in der Bilanz zum 31. Dezember 1953 ausgewiesen hatte, so kann der in Stammkapital umgewandelte Teil der offenen Rücklagen trotz der allein noch fehlenden Eintragung bei der Berechnung der berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen bereits als Stammkapital behandelt werden.

Die Vorentscheidung ist aufzuheben. Die Sache ist entscheidungsreif. Dem ermäßigten Steuersatz von 30 v. H. ist der Teil des Einkommens zu unterwerfen, der 8 v. H. des erhöhten Stammkapitals von 4 800 000 DM entspricht. Mithin entfallen auf 384 000 DM an Körperschaftsteuer 115 200 DM. Hinzu kommen auf das restliche Einkommen von 12 388 592 DM zum Steuersatz von 60 v. H. = 7 433 154 DM. Die Körperschaftsteuer für das Wirtschaftsjahr 1953 war danach vorläufig auf 7 548 354 DM festzusetzen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408921

BStBl III 1958, 42

BFHE 1958, 105

BFHE 66, 105

BB 1958, 184

DB 1958, 125

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