Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsübertragungen zwischen Familienangehörigen

 

Leitsatz (NV)

Bei Betriebsübertragungen zwischen Familienangehörigen wird vermutet, daß die beiderseitigen Leistungen nicht kaufmännisch gegeneinander abgewogen sind. Die Beteiligten können aber durch eindeutige und klare Vereinbarungen zum Ausdruck bringen, daß tatsächlich ein auf äquivalenten Leistungen beruhendes Geschäft abgeschlossen wurde.

 

Normenkette

EStG § 7; EStDV § 7 Abs. 1

 

Tatbestand

Der am 14. Juni 1986 verstorbene Erblasser war mit der Klägerin und Revisionsklägerin zu 1 (Klägerin zu 1) verheiratet, mit der er im Streitjahr 1982 zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurde. Der Erblasser wurde beerbt von der Klägerin zu 1 und seinen Kindern, den Klägern und Revisionsklägern zu 2 und 3 (Kläger zu 2 und 3). Die Mutter des Erblassers (im folgenden: Mutter), war als Alleinerbin ihres 1976 verstorbenen Ehemannes Inhaberin eines in X belegenen Kfz-Betriebs und Eigentümerin der Betriebsgrundstücke und von zwei Privatgrundstücken geworden. Der Erblasser, der von Beruf Kfz- und Lackiermeister war, pachtete diesen Betrieb von seiner Mutter ab dem 1. Januar 1980.

Aufgrund des notariell beurkundeten ,,Kauf"-Vertrags vom 29. Dezember 1981 übertrug die Mutter dem Erblasser die ihr gehörenden Grundstücke in X:

Grundstück Flurstück Flur Größe Lage

1. Blatt 1 1711 qm Z-Straße 1

bewertet als Einfamilienhaus, zum Privatvermögen gehörend;

2. Blatt 1 1791 qm Z-Straße 3

bewertet als Mietwohngrundstück, zum Privatvermögen gehörend;

3. Blatt 1 3033 qm Z-Straße 1

bewertet als Geschäftsgrundstück, zum Betriebsvermögen (Kfz-Betrieb) gehörend.

Der Grundbesitz wurde einschließlich des beweglichen und unbeweglichen Inventars verkauft. Als Kaufpreis für den gewerblich genutzten Teil des Kaufobjekts wurden . . . DM zuzüglich Mehrwertsteuer und für den privaten Teil . . . DM, insgesamt . . . DM, vereinbart. Er wurde wie folgt belegt (§ 1 des Vertrages):

1. Durch Übernahme des Hauskredits bei der Bank . . . DM;

2. durch Übernahme der ERP-Mittel in Höhe von . . . DM;

3. durch Übernahme der übrigen bei der Bank bestehenden Verbindlichkeiten der Mutter in Höhe von . . . DM;

4. durch Übernahme der bei der . . . Bausparkasse bestehenden Verbindlichkeiten der Mutter in Höhe von . . . DM;

5. durch Zahlung der Mehrwertsteuer in Höhe von . . . DM.

Ferner verpflichtete sich der Erblasser in einem gesonderten Vertrag, der Mutter den Betrieb der auf dem Kaufgegenstand befindlichen Tankstelle unentgeltlich so lange zu überlassen, wie sie es wünschte. Für die Zeit nach Beendigung des Nutzungsrechtes wurde die Zahlung einer monatlichen Leibrente in Höhe von . . . DM an die Mutter vereinbart. Als Übergabetermin für den Kaufgegenstand war der 31. Dezember 1981 vorgesehen. Die Mutter übte das Nutzungsrecht an der Tankstelle bis zum 15. Dezember 1984 aus. Seitdem wird ihr die vereinbarte Rente gezahlt. Auf Veranlassung der Hausbank der Mutter war der Wert des auf den Erblasser übertragenen Grundbesitzes für Beleihungszwecke wie folgt geschätzt worden:

Z-Straße 1 (Einfamilienhaus und Geschäftsgrundstück) per 30. September 1980 mit . . . DM

Z-Straße 3 (Mietwohngrundstück) per 17. März 1981 mit . . . DM

Der Erblasser aktivierte das von seiner Mutter erworbene Betriebsvermögen mit dem in dem Kaufvertrag vom 29. Dezember 1981 genannten Teilbetrag des Kaufpreises in Höhe von . . . DM und bemaß die Absetzung für Abnutzung (AfA) nach dieser Bemessungsgrundlage.

Bei einer vor Durchführung der Veranlagungen durchgeführten Betriebsprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, daß der Erblasser die Buchwerte seiner Mutter fortzuführen habe, so daß die AfA um . . . DM herabzusetzen sei. Leistung und Gegenleistung nach dem Kaufvertrag vom 29. Dezember 1981 seien nicht ausgewogen. Der Wert der vom Erblasser empfangenen Leistung belaufe sich bereits auf . . . DM, wobei das Grundstück Z-Straße 1 b sowie das bewegliche Anlagevermögen im Wert von . . . DM noch nicht berücksichtigt worden seien.

Dieses Ergebnis übernahm der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) bei den Veranlagungen.

Einsprüche und Klagen blieben erfolglos.

Mit den Revisionen rügen die Kläger Verletzung formellen und materiellen Rechts.

 

Entscheidungsgründe

Die gemäß §§ 121, 73 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Revisionen sind begründet; sie führen gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO zur Aufhebung der angefochtenen Urteile und zur Zurückverweisung der Sachen an das FG.

1. Bei Betriebsübertragungen zwischen Familienangehörigen besteht eine Vermutung, daß die beiderseitigen Leistungen nicht kaufmännisch gegeneinander abgewogen sind, also ein unentgeltlicher Vorgang vorliegt. In Fällen dieser Art müssen die Beteiligten durch eindeutige und klare Vereinbarungen zum Ausdruck bringen, daß tatsächlich ein auf äquivalenten Leistungen beruhendes Geschäft abgeschlossen wurde (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs vom 23. April 1971 IV 201/65, BFHE 102, 488, BStBl II 1971, 686; vom 31. Mai 1972 I R 49/69, BFHE 106, 71, BStBl II 1972, 696, und vom 24. August 1972 VIII R 36/66, BFHE 107, 365, BStBl II 1973, 111).

Das gewährte Entgelt kann auch ausschließlich in der Übernahme von Betriebsschulden bestehen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 106, 71, BStBl II 1972, 696, und vom 17. Januar 1989 VIII R 370/83, BFHE 156, 103, BStBl II 1989, 563; BFH-Beschluß vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89, BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847, unter C II. 3. b).

Bei einem unentgeltlichen Erwerb hat der Übernehmer des Betriebs nach dem Beschluß in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847, a. a. O., der insoweit ausdrücklich auf das Urteil in BFHE 102, 488, BStBl II 1971, 686 Bezug nimmt, hinsichtlich der vorhandenen positiven und negativen Wirtschaftsgüter gemäß § 7 Abs. 1 der Einkommensteuer - Durchführungsverordnung (EStDV) an die Buchwerte seines Vorgängers anzuknüpfen. Dies schließt es aus, bei vorweggenommener Erbfolge in dem Übergang der Verbindlichkeiten ein Entgelt zu sehen.

Im Streitfall spricht nach den Feststellungen des FG zwar einiges dafür, daß mittels des ,,Kauf"-Vertrags der Kfz-Betrieb (mit Ausnahme der Tankstelle) auf den Erblasser übertragen werden sollte. Auf der Grundlage dieser Feststellungen läßt sich aber nicht mit der gebotenen Gewißheit beurteilen, ob es sich bei dem Kfz-Betrieb um einen selbständigen (Teil-)Betrieb handelte (vgl. BFH-Urteil vom 12. April 1989 I R 105/85, BFHE 157, 93, BStBl II 1989, 653), ob und in welcher Weise der vom 1. Januar 1980 laufende Pachtvertrag durch den Vertrag vom 29. Dezember 1981 abgelöst wurde und ob - im Unterschied zu einer vorweggenommenen Erbfolgeregelung - Leistung und Gegenleistung für die Übernahme des Betriebs nach kaufmännischen Gesichtspunkten ausgewogen wurden. Das FG hat für das Betriebsgrundstück Z-Straße 1 keinen (gesonderten) Wert ermittelt und hat die übernommenen Verbindlichkeiten nur einheitlich aufgeführt. Unklar ist ferner, ob und in welcher Weise die Anlagegüter, die nach den Angaben der Beteiligten einen Wert von . . . DM haben sollen, übertragen wurden.

Das FG wird die entsprechenden Feststellungen nachzuholen haben, um beurteilen zu können, ob und ggf. in welchem Umfang das Betriebsvermögen unentgeltlich übertragen worden ist. Hat die Mutter dem Erblasser einen Betrieb oder einen Teilbetrieb übertragen, so liegt ein entgeltlicher Vorgang nur vor, wenn Leistung und Gegenleistung nach kaufmännischen Gesichtspunkten ausgehandelt wurden (s. oben); hat die Mutter dem Erblasser dagegen nur einzelne Wirtschaftsgüter übertragen, so können Anschaffungskosten in Höhe der auf die einzelnen Wirtschaftsgüter entfallenden übernommenen Verbindlichkeiten anzusetzen sein.

2. Hinsichtlich der Einkommensteuer hätte das FG ferner der Frage nachgehen müssen, ob der Erblasser für das von der Mutter erworbene Privatvermögen Anschaffungskosten aufgewendet hatte. Nach dem Beschluß des Großen Senats in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847, unter C II. 3. führt die Übernahme von Verbindlichkeiten - von der Ausnahme der unentgeltlichen Betriebsübertragung abgesehen - grundsätzlich zu Anschaffungskosten. Höhere Anschaffungskosten, soweit sie auf die Gebäude entfielen, hätten zu höheren Absetzungen und damit - im Rahmen des Streitgegenstandes - zu einer niedrigeren Einkommensteuer führen können.

3. Angesichts der Aufhebung der angefochtenen Urteile ist die Rüge der mangelnden Sachverhaltsaufklärung ohne Bedeutung.

 

Fundstellen

BFH/NV 1992, 168

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