Leitsatz (amtlich)

Vermacht der Erblasser, der an einer OHG beteiligt ist, einem Mitgesellschafter den "Nießbrauch" an seinem Anteil, so ist der Wert dieses "Nießbrauchs" gleich der Differenz der aus dem steuerlichen Wert des Betriebsvermögens der OHG entwickelten Werte des Anteils des "Nießbrauchers" mit und ohne Berücksichtigung des infolge des "Nießbrauchs" erhöhten Gewinnanteils.

 

Normenkette

ErbStG 1959 § 23 Abs. 6; BewG 1934 § 3; BewG i.d.F. des ÄndG-BewG 1963 § 17a

 

Tatbestand

Erbe der 1962 verstorbenen Witwe D A (Schwiegermutter des Klägers) - Erblasserin - ist ihr Enkel (Sohn des Klägers) geworden. Dem Kläger hat sie die "Verwaltung und Nutznießung" ihres Vermögens bis zum 31. Dezember 1970 eingeräumt. Der Nachlaß bestand im wesentlichen aus einem Grundstück mit einem Jahresertrag von 200 DM und einem Anteil an einer offenen Handelsgesellschaft (OHG), die von dem vorverstorbenen Ehemann der Erblasserin und dem Kläger gegründet worden war und an deren Gewinn zuletzt die Erblasserin mit 4/32, der Kläger mit 27/32 und dessen Sohn mit 1/32 beteiligt waren.

Das FA (Beklagter) hatte gegen den Kläger als Nießbraucher Erbschaftsteuer festgesetzt. In der Einspruchsentscheidung hat es die Festsetzung erhöht, weil in dem Steuerbescheid der Wert des Nießbrauchs an dem Grundstück nicht erfaßt worden war. Bei der Errechnung des Wertes des Nießbrauchs an dem Nachlaß ging es hinsichtlich des Nießbrauches an dem OHG-Anteil der Erblasserin von dem durchschnittlich in den Jahren 1959 bis 1961 auf die Erblasserin entfallenden Gewinnanteil aus.

Die Klage, mit der der Kläger vor allem geltend gemacht hat, daß der mit dem Kapitalanteil der Erblasserin verbundene Gewinn, der für die Errechnung des Nießbrauchswertes maßgebend sei, von dem Gesamtgewinn der OHG abzüglich eines angemessenen Gehaltes für den Kläger und einer angemessenen Miete für das von ihm zur Verfügung gestellte Grundstück unter Berücksichtigung einer angemessenen Kapitalverzinsung berechnet werden müsse, hat keinen Erfolg gehabt. Das FG ist davon ausgegangen, daß zu Lebzeiten der Erblasserin keinerlei Vereinbarungen über die Zahlung eines Gehaltes oder einer Miete an den Kläger sowie über die Verzinsung der Kapitalkonten vorhanden waren, daß vielmehr die Arbeit des Klägers durch seinen hohen Gewinnanteil abgegolten werden sollte.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet, wenn auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

Dem FG kann nicht darin gefolgt werden, daß der Wert des dem Kläger vermachten "Nießbrauchs", soweit er den Anteil der Erblasserin an der OHG betrifft, allein auf der Grundlage des im Durchschnitt der Jahre zu erwartenden Gewinnanteils (§ 17 Abs. 3 BewG a. F.) unter Anwendung des in der Hilfstafel 2 vorgesehenen Vervielfachers zu errechnen sei, und zwar ohne Rücksicht darauf, wie das Betriebsvermögen der OHG und die Anteile der Gesellschafter zu bewerten seien. Das Finanzgericht hat die Besonderheiten des vorliegenden Falles nicht ausreichend beachtet, die darin bestehen, daß sowohl der Erbe als auch der Kläger neben der Erblasserin Gesellschafter der OHG waren. Nimmt man an, wovon sowohl das Finanzgericht als auch die Beteiligten ausgehen, daß die OHG durch den Tod der Erblasserin nicht aufgelöst wurde, so ist der Anteil der Erblasserin an der OHG im Erbwege auf den Sohn des Klägers übergegangen. Als Gesellschafter verblieben sind danach der Kläger und sein Sohn. Der Kapitalanteil des Sohnes hat sich um den Kapitalanteil der Erblasserin erhöht. Der Kapitalanteil des Klägers ist unverändert geblieben. Es hat sich aber seine Gewinnbeteiligung aufgrund des "Nachlaßnießbrauchs" vorübergehend, d. h. für die Dauer dieses "Nießbrauchs" erhöht, wie immer man dieses Recht einordnen mag (vgl. zum Nießbrauch an Beteiligungen an Personengesellschaften Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personengesellschaften des Handelsrechts, Heidelberg 1970 S. 413; Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 34. Aufl., § 1068 Anm. 5). Dies alles führt zu dem Schluß, daß der "Nachlaßnießbrauch" des Klägers am Gesellschaftsanteil der Erblasserin nicht anders behandelt werden kann als eine Vereinbarung über die vorübergehende Erhöhung des Gewinnanteils eines Gesellschafters. In diesem Falle ist der Wert, der einer solchen vorübergehenden Erhöhung des Gewinnanteils beizumessen ist, gleich der Differenz der Werte des jeweiligen Kapitalanteils mit und ohne Berücksichtigung der vorübergehenden Erhöhung des Gewinnanteils. Diese Werte sind aus dem steuerlichen Wert des Betriebsvermögens (vgl. § 23 Abs. 6 ErbStG 1959) zu entwickeln, wie sich aus § 3 BewG ergibt, wonach der Wert eines Wirtschaftsgutes (hier: des Betriebsvermögens), wenn es mehreren zusteht, auf die Beteiligten nach dem Verhältnis ihrer Anteile zu verteilen ist. Vorübergehend veränderte Gewinnanteile müssen dabei angemessen berücksichtigt werden. Das dabei letztlich erreichte Ergebnis stimmt mit dem überein, das sich bei unmittelbarer Anwendung des nach dem Erbfall eingeführten § 17 a BewG auf den vorliegenden Fall ergäbe. Der erkennende Senat führt damit seine Rechtsprechung fort, die er mit dem Urteil vom 25. Juni 1969 II 131/63 (BFHE 96, 416, BStBl II 1969, 653) begonnen hat.

Eine Abweichung vom Urteil des III. Senats vom 17. Mai 1963 III 406/58 S (BFHE 77, 571, BStBl III 1963, 530) liegt nicht vor. Dort hat der III. Senat zwar für die Zeit vor dem Inkrafttreten des § 17 a BewG ausgesprochen, aus dem Bewertungsgesetz könne ein allgemeiner Grundsatz nicht abgeleitet werden, daß für ein Nutzungsrecht an einem Vermögensgegenstand kein höherer Wert anzusetzen sei als für. den steuerlichen Wert des Gegenstandes selbst. Jedenfalls dann aber, wenn einem Mitgesellschafter infolge eines Nutzungsrechtes an einem auf einen anderen Gesellschafter übergegangenen Kapitalanteil eines verstorbenen Gesellschafters vorübergehend ein erhöhter Gewinnanteil zusteht, kann aus § 3 BewG, wie bereits ausgeführt, etwas anderes entnommen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72100

BStBl II 1977, 2

BFHE 1977, 268

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