Leitsatz (amtlich)

Der Erwerb eines Grundstücks mit landwirtschaftlichem Wohn- und Wirtschaftsgebäude ist nicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 des Niedersächsischen Gesetzes über Befreiungen von der Grunderwerbsteuer beim Erwerb von Grundstücken zur Verbesserung der Struktur land- und forstwirtschaftlicher Betriebe vom 25. März 1959 (GVBl 57) von der Besteuerung nach dem Grunderwerbsteuergesetz ausgenommen, wenn der Erwerber seine Gärtnerei bisher auf Pachtland und mit gepachteten Gebäuden betrieben hat.

 

Normenkette

Nds. GrEAgrG § 1 Abs. 1 Nr. 4

 

Tatbestand

Der Kläger ist Gärtner. Durch notariell beurkundeten Kaufvertrag erwarb er Grundbesitz mit den darauf befindlichen Gebäuden, einem - wie der Kläger ausführt - alten Bauernhaus, "zur Errichtung einer Gärtnerei". Bisher hatte der Kläger seine Gärtnerei auf Pachtland und mit gepachteten Gebäuden betrieben. Er macht geltend, daß die Vergünstigungsvorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 4 des Niedersächsischen Gesetzes über Befreiungen von der Grunderwerbsteuer beim Erwerb von Grundstükken zur Verbesserung der Struktur land- und forstwirtschaftlicher Betriebe vom 25. März 1959 - GrEAgrG - GVBl 57 auch auf gärtnerische Betriebe und auch dann anwendbar sei, wenn der Erwerber vorher noch nicht Eigentümer von Grund und Boden gewesen sei.

Einspruch und Berufung gegen die Steuerfestsetzung waren erfolglos.

Mit der Rechtsbeschwerde vertritt der Kläger weiter die Auffassung, daß auch der Inhaber eines gärtnerischen Pachtbetriebes Wohn- und Wirtschaftsgebäude nicht nur als "Zuerwerb", sondern auch als "Ersterwerb" steuerbegünstigt gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEAgrG erwerben könne.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist nicht begründet.

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEAgrG ist auf Antrag von der Besteuerung nach dem GrEStG 1940 ausgenommen der Erwerb von Grundstücken mit landwirtschaftlichen Wohn- und Wirtschaftsgebäuden nebst dem dazugehörigen Hofraum, wenn a) einerseits deren Veräußerung im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur steht und b) andererseits deren Erwerb "der Verbesserung der betriebswirtschaftlichen Verhältnisse eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes dient".

Das FG hat zu Recht erkannt, daß bereits die Voraussetzung des Buchst. b des § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEAgrG deshalb nicht erfüllt ist, weil die betriebswirtschaftlichen Verhältnisse eines solchen Betriebes beim Erwerber nur dann "verbessert" werden können, wenn dieser Erwerber bereits Eigentümer entsprechender Grundstücke ist.

Der Kläger meint, das FG habe sich zu Unrecht auf die Urteile des BFH vom 3. Juli 1963 II 100/62 U und vom 26. Juni 1963 II 176/62 U (BFHE 77, 384 und 243, BStBl III 1963, 461 und 407) berufen, da diese Entscheidungen zu § 1 Abs. 1 Nrn. 1 und 3 GrEAgrG ergangen seien. Dort möge es wegen der Notwendigkeit, ein betriebswirtschaftlich ungünstiges Grundstück zu veräußern (Nr. 1 Buchst. b, a. a. O.), und der der "Aufstockung" eines Kleinbetriebes (Nr. 3, a. a. O.) erforderlich sein, daß der Erwerber bereits Eigentümer land- oder forstwirtschaftlich genutzter Grundstücke sei. Ein solches Tatbestandsmerkmal enthalte die Nr. 4 des § 1 Abs. 1 GrEAgrG nicht. Das trifft nur scheinbar zu. Denn die "Agrarstruktur" und "die betriebswirtschaftlichen Verhältnisse eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes" können im Falle des § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEAgrG ebenso wie im Falle der Nr. 1 (a. a. O.) objektiv (sachbezogen) nur "verbessert" werden in bezug auf einen dem Erwerber bereits gehörenden Betrieb. Die Verbesserung der Bewirtschaftung eines Pachtbetriebes in der Hand des jeweiligen Pächters wird durchaus sinnvoll und durch Zupacht (auch im Austausch) oder auch durch "Ersterwerb" einzelner besser bewirtschaftbarer Flächen erstrebenswert sein. Die Förderung von Maßnahmen solcher Art kann aber nicht der Zweck eines auf die Befreiung des Eigentumswechsels von der Grunderwerbsteuer abstellenden Gesetzes sein. Das Befreiungsgesetz bezweckt, wie sein Name, seine Entstehungsgeschichte und seine in allen seinen Tatbständen erkennbare Tendenz zeigen, einheitlich und mit allen seinen Befreiungsvorschriften die "Verbesserung der Struktur land- und forstwirtschaftlicher Betriebe", die - wenn sie nur zu "verbessern" sind - als solche bereits beim Erwerber-Eigentümer vorhanden sein müssen. Unter dem so gesehen objektiven Gesetzeszweck ist es zwar unerheblich, ob der Eigentümer eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes diesen Betrieb selbst bewirtschaftet oder verpachtet, wenn nur die Struktur dieses seines Betriebes durch Zu- und Verkäufe verbessert wird (vgl. BFH-Urteil vom 28. April 1970 II 56/65, BFHE 99, 255, 257, BStBl II 1970, 597). Von einer so verstandenen objektiven Strukturverbesserung kann aber jedenfalls so lange nicht gesprochen werden, als die Land- oder Forstwirtschaft bisher nur auf Pachtland und von gepachteten Wohn- und Wirtschaftsgebäuden aus betrieben und erstmals Grundbesitz mit entsprechenden Gebäuden neu erworben wird. Diese dem begrenzten Gesetzeszweck entsprechende sachgerechte Auslegung hält sich im Rahmen des mit dem Wortlaut übereinstimmenden Wortsinnes und wird auch durch die Entstehungsgeschichte bestätigt. Danach sollte die Eigeninitiative der Landwirte zur "privaten Flurbereinigung" angeregt werden (Begründung zur Gesetzesvorlage, Niedersächsischer Landtag, dritte Wahlperiode, Landtagsdrucksache Nr. 1070; Sitzungsprotokoll der 81. Sitzung vom 5. März 1959 S. 4552, 4554; vgl. auch BFH-Urteil vom 26. Juni 1963 II 22/63 U, BFHE 77, 245, 247, BStBl III 1963, 408). Eine - auch private, aber objektive - Flurbereinigung (vgl. § 1 des Flurbereinigungsgesetzes vom 14. Juli 1953 - FlurbG -, BGBl I, 591) kann aber nur durch das Auswechseln, nicht durch den einseitigen Neuerwerb von Grundstücksflächen und in bezug auf Hofstellen grundsätzlich auch nur durch Teilnehmer durchgeführt werden, die bereits Eigentümer von Grundstücken sind (vgl. § 2 Abs. 1, § 10 Nr. 1, § 16 FlurbG).

Nach allem ist kein Grund ersichtlich, der in Abweichung von der bisherigen Linie der Rechtsprechung hinsichtlich des § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEAgrG eine andere Auslegung als hinsichtlich der Nr. 1 (a. a. O.) gerechtfertigt erscheinen ließe.

 

Fundstellen

BStBl II 1973, 708

BFHE 1973, 474

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