Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Schließt der Bauherr (Auftraggeber) selbst oder durch Vermittlung eines Hauptunternehmers mit mehreren selbständigen Bauunternehmern und Bauhandwerkern einen Bauvertrag ab, so daß jeder einzelne Unternehmer zum Bauherrn in unmittelbare Rechtsbeziehungen tritt, so ist jeder Unternehmer mit seinen Lieferungen und Leistungen an den Bauherrn steuerpflichtig.

Soweit der Hauptunternehmer für den Bauherrn Zahlungen an die selbständigen Bauhandwerker in dessen Namen und für dessen Rechnung verauslagt, kann er sie als durchlaufende Posten nach § 5 Abs. 3 UStG von seinem steuerpflichtigen Entgelt absetzen.

 

Normenkette

UStG § 2/2/1, § 10/1, § 5 Abs. 3

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführerin (Bfin.) betreibt ein Baugeschäft, ein Klinkerwerk und ein Architekturbüro. Sie hat Bauaufträge übernommen und im Veranlagungszeitraum 1950 in einem Falle und im Veranlagungszeitraum 1951 in zwei Fällen mit den Auftraggebern vereinbart, daß der Bauherr die notwendigen Steine und den Zement beschafft und daß die Schlußrechnung sich um den Betrag der von dem Bauherrn direkt gekauften Materialien ermäßigt. In den Verträgen, die den Anlaß zu diesem Rechtsstreit gegeben haben, heißt es in einem Falle, daß der Auftraggeber der Bfin. "die Planung und die Bauleitung eines Bauvorhabens in B, B-Straße überträgt; außerdem die Ausführung der Maurerarbeiten, die im Taglohn erfolgt. Die Bfin. erteilt im Namen und im Auftrag des Bauherrn den übrigen am Bau beteiligten Handwerkern die Aufträge". In einem der anderen streitigen Fälle ist vereinbart: "Der Auftraggeber überträgt der Bfin. die Planung, die Anfertigung der Zeichnungen und die Bauleitung seines Bauvorhabens in B, Ecke S- und H-straße. Außerdem erteilt der Auftraggeber der Bfin. den Auftrag auf Ausführung der Maurerarbeiten des gleichen Bauvorhabens gemäß den im vorliegenden Leistungsverzeichnis festgelegten Einzelpreisen. Nach Fertigung des Baues werden die Maurerarbeiten aufgemessen und nach festgelegten Einzelpreisen abgerechnet. Der Auftraggeber beschafft als Bauherr die erforderlichen Steine und den Zement und stellt die Materialien der Bfin. zur Verfügung. Die Schlußrechnung ermäßigt sich um den Betrag der von dem Bauherrn direkt gekauften Materialien".

Es ist nicht streitig, daß die Bfin. bei allen drei Bauvorhaben die Aufträge an die weiterhin am Bau beteiligten Handwerker, wie Klempner, Installateure usw. im Namen und für Rechnung der Bauherren erteilt hat.

Finanzamt und Vorentscheidung sind der Auffassung, daß sich die Bfin. durch die teilweise Bezahlung der Materialien, die in ihren Büchern über Darlehenskonten abgewickelt worden ist, und durch die Ausführung der Bestellung an der Materialbeschaffung in einer Weise beteiligt hat, daß nach den Grundsätzen des Urteils des Reichsfinanzhofs V 164/41 vom 30. November 1944 (Slg. Bd. 54 S. 152) die Aufwendungen auf das Material zum Entgelt ihrer einheitlichen Werklieferung gerechnet werden müßten. Die Vorinstanzen haben auch die Aufwendungen für die Materialien der im Namen und für Rechnung der Bauherren in Auftrag gegebenen Handwerkerarbeiten zum Entgelt der Bfin. gerechnet, weil es üblich sei, daß bei Bauvorhaben der Bauunternehmer berufsfremde Arbeiten, z. B. Zimmer-, Tischler-, Dachdeckerarbeiten usw. an die zuständigen Handwerksbetriebe weitergebe.

Die Bfin. hat die auf die Materialbeschaffung und auf die Handwerkerrechnungen entfallenden Beträge als durchlaufende Posten gemäß § 5 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) behandelt und deren Umsatzsteuerpflicht verneint. Sie hat insbesondere bestritten, daß sie nach Art eines Generalunternehmers die gesamte Ausführung der Bauwerke übernommen habe.

Im Rechtsbeschwerdeverfahren ist nur noch die Frage streitig, ob die im Namen und für Rechnung der Bauherren an die Handwerksbetriebe vergebenen Aufträge bei der Bfin. eine Umsatzsteuerpflicht auslösen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Zutreffend geht die Vorentscheidung davon aus, daß die Tätigkeit der Bfin. nicht ausschließlich als die eines künstlerisch schaffenden Architekten im Sinne des § 4 Ziff. 17 UStG 1951 beurteilt werden kann, sondern daß sie, soweit sie die Ausführung übernommen hat, insoweit die gewerbliche Tätigkeit eines Bauunternehmers ausübt (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs V A 177/35 vom 20. Dezember 1935, Slg. Bd. 38 S. 346, Reichssteuerblatt - RStBl. - 1936 S. 207). Insoweit kommen auch die Grundsätze in Betracht, die der Reichsfinanzhof im oben angeführten Urteil vom 30. November 1944 ausgesprochen und die der erkennende Senat durch Urteil V 117/53 S vom 30. Oktober 1953 (Bundessteuerblatt - BStBl. - 1953 III S. 366) bestätigt hat. Diese Grundsätze sind auch anzuwenden, wenn es sich nicht um die Lieferung eines schlüsselfertigen Gebäudes, sondern nur um einen bestimmten Bauabschnitt handelt, sofern, wie auch im Streitfall durch übernahme der Maurerarbeiten, eine in sich abgeschlossene Aufgabe in Betracht kommt, die für sich genommen ein Werk darstellt und Gegenstand einer Werklieferung sein kann (vgl. das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil des erkennenden Senats V 215/53 U vom gleichen Tage). Wenn hiernach das Finanzgericht eine Beteiligung der Bfin. an der Materialbeschaffung im Sinne jener Entscheidung festgestellt hat, so ruht die Umsatzsteuer auch auf den Materialien, wie Steinen und Zement, die für das übernommene Werk verwendet worden sind. Die Bfin. ist somit mit dem Entgelt für ihre Leistungen als Architektin (Anfertigung von Entwürfen, Planung und Bauleitung) und mit dem Entgelt der von ihr übernommenen Werklieferung (Erstellung des Rohbaues durch übernahme der Maurerarbeiten) einschließlich der insoweit verwendeten Materialien steuerpflichtig. Diese Frage ist jedoch im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht mehr streitig.

Die Vorentscheidung hat aber, obwohl vertragsgemäß nur die übernahme der Maurerarbeiten Gegenstand der Werklieferung war, auch die unstreitig im Namen und für Rechnung der Bauherrin an die Handwerker vergebenen Aufträge, soweit die Entgelte hierfür durch die Bücher der Bfin. über Darlehenskonto gelaufen sind, zum steuerpflichtigen Entgelt gerechnet. Die Vorentscheidung hat sich damit in Widerspruch zur Rechtsprechung (vgl. Urteile des Reichsfinanzhofs V A 613/35 vom 12. Juni 1936, RStBl. 1936 S. 1164, und V A 811/31 vom 17. Juni 1932, Steuer und Wirtschaft - StuW - 1933 Nr. 369) und zur Verwaltungsübung (vgl. Erlaß des Reichsministers der Finanzen S. 4105 - 4044/III vom 4. Juni 1934, Umsatzsteuerkartei S 4105 Karte 1, vgl. ferner Plückebaum, UStG, 5. Auflage Anm. 66 c zu §§ 1 - 3 S. 254 ff.) gesetzt. Hiernach wäre die Auffassung des Finanzgerichts nur gerechtfertigt, wenn die Bfin. nach Art eines Gesamt- oder Generalunternehmers (sogenannte Generalentreprise) die Gesamtausführung des Baues übernommen hätte. Für die Besteuerung nach dem Gesamtentgelt ist aber Voraussetzung, daß der Bauunternehmer die Lieferungen und Leistungen der Bauhandwerker mit diesen nicht nur für eigene Rechnung, sondern auch im eigenen Namen vereinbart und daher mit der Zahlung des Entgelts an sie eine eigene Verbindlichkeit, nicht die des Bauherrn erfüllt. Unstreitig sind aber im Streitfall durchweg unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen den Bauherren und den Handwerkern entstanden. Die Vorentscheidung hat auch nicht feststellen können, daß entgegen der vertraglichen Gestaltung der tatsächliche Geschäftsablauf eine andere umsatzsteuerrechtliche Beurteilung rechtfertigen könnte. Es fehlt vielmehr an allen Merkmalen, nach denen die Bfin. als Generalunternehmerin angesehen werden könnte. Lediglich der Umstand, daß die Bfin., wie sie unbestritten vorträgt, gelegentlich den Bauherren kurzfristige Darlehen zur Begleichung einzelner Handwerkerrechnungen zur Verfügung gestellt hat, reicht nicht zu der Annahme aus, daß die Handwerker etwa nur Erfüllungsgehilfen der Bfin. bei der von dieser übernommenen Aufgabe gewesen seien. Der Akteninhalt gibt auch sonst keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Bauhandwerker ihre gewerbliche Selbständigkeit gegenüber den Bauherren verloren hätten; sie sind deshalb mit den von ihnen an die Bauherren bewirkten Lieferungen und Leistungen steuerpflichtig, während die Bfin., soweit sie Zahlungen an die Handwerker verauslagt hat, diese Beträge gemäß § 5 Abs. 3 UStG als durchlaufende Posten absetzen kann.

Die zur Frage der Materialbeistellung ergangenen Urteile werden also durch die in der Rechtsbeschwerdeinstanz allein noch streitige Frage, ob die Bfin. als Generalunternehmerin anzusehen ist, gar nicht berührt; insbesondere wird die Annahme des Finanzgerichts, die Bauherren hätten bei der Bfin. ein Haus bestellt, durch den Akteninhalt nicht bestätigt. Eine unzulässige Aufspaltung eines einheitlichen Wirtschaftsvorgangs kommt mithin nur insoweit in Betracht, als die Bfin. als Bauunternehmerin vertraglich eine Aufgabe übernommen hat. Nur insoweit ist sie deshalb auch mit den Materialien steuerpflichtig, weil sie sich an deren Beschaffung beteiligt hat. Die Auffassung des Finanzgerichts könnte nur zutreffen, wenn der tatsächliche Geschäftsablauf den vertraglichen Abmachungen zuwiderliefe. Solche Feststellungen konnten jedoch im Streitfalle nicht getroffen werden.

Da die Vorentscheidung diese Rechtslage verkannt hat, war sie aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Aus den Akten ist nicht erkennbar, welcher Teil der zusätzlich zur Umsatzsteuer herangezogenen Entgelte auf die für die Handwerker verauslagten Rechnungsbeträge entfällt. Das Finanzamt, an das die Sache zur anderweiten Entscheidung zurückverwiesen wird, wird diese Feststellung noch nachzuholen haben. Es wird alsdann auch den Streitwert für die Rechtsbeschwerdeinstanz feststellen können und die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens zu treffen haben (§ 318 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung).

 

Fundstellen

Haufe-Index 407894

BStBl III 1954, 154

BFHE 1954, 640

BFHE 58, 640

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