Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Der Bundesfinanzhof tritt der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs bei, daß eine nichtumsatzsteuerbare Materialbeistellung dann nicht gegeben ist, wenn der Werkunternehmer an der Beschaffung der Werkstoffe durch den Werkbesteller in irgend einer Weise beteiligt ist.

 

Normenkette

UStG § 3/4

 

Tatbestand

Der Steuerpflichtige (Stpfl.), ein Bauunternehmer, hat von der in der Gesamtabrechnung mit seiner Auftraggeberin aufgeführten Gesamtbausumme für Materialbeistellung seitens der Bauherrin, für die er ein Maschinen- und ein Kesselhaus erstellt hat, 66.732 DM in Abzug gebracht und nicht der Umsatzsteuer unterworfen. Das Finanzamt hat dem erklärten Umsatz diesen Betrag hinzugerechnet und zur Umsatzsteuer herangezogen. Die hiergegen gerichtete Sprungberufung hatte Erfolg.

Im Berufungsverfahren hat der Stpfl. geltend gemacht, daß er als Beauftragter der Bauherrin in deren Namen und für deren Rechnung die für den Bau benötigten Materialien beigestellt habe. Die Baustoffe seien unmittelbar an die Baustelle geliefert und dort von der Bauherrin abgenommen worden, die auch die auf ihren Namen ausgestellten Rechnungen beglichen habe. Der Stpfl. habe bei der Vergebung des Bauauftrags einen äußerst niedrigen Preis einräumen müssen, um den Auftrag zu erhalten; deshalb habe er, um die Umsatzsteuer auf die Materiallieferungen einzusparen, der Auftraggeberin selbst vorgeschlagen, die Baustoffe, wie es in der Bauindustrie vielfach üblich ist, selbst zu beschaffen. Entgegenkommenderweise habe er sich bereit gefunden, die Bestellungen selbst im Namen und für Rechnung der Bauherrin vorzunehmen. Bei dieser einwandfreien vertraglichen Regelung liege hinsichtlich der durch die Bauherrin (Besteller) beigestellten Materialien ein Umsatz zwischen ihm und der Bauherrin nicht vor.

Das Finanzgericht ist im Ergebnis dem Stpfl. gefolgt und hat die Materialbeistellung vom steuerpflichtigen Umsatz abgesetzt.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Der erkennende Senat hält an der Auffassung fest, wie sie in der Entscheidung des Reichsfinanzhofs V 164/41 vom 30. November 1944 (Slg. Bd. 54 S. 152) zum Ausdruck gekommen und durch die zur Veröffentlichung bestimmte Entscheidung des Senats V 116/52 U vom 17. September 1953 bestätigt worden ist. Danach ist eine umsatzsteuerfreie Beistellung von Werkstoffen dann nicht gegeben, wenn der Besteller des Werks die Werkstoffe vom Werksunternehmer für sich hat einkaufen lassen, wie es im Streitfalle geschehen ist. Der Meinung der Vorinstanz, daß der hier zu beurteilende Tatbestand, soweit er als unstreitig angesehen werden kann, gegenüber dem Sachverhalt des oben angeführten Urteils des Reichsfinanzhofs vom 30. November 1944 wesentliche Unterschiede aufweise, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigten, kann nicht beigetreten werden. Die Vorentscheidung will diesen wesentlichen Unterschied darin erblicken, daß die Bestellerin (Bauherrin) die Baustoffe "selbst verantwortlich geprüft und abgenommen habe". Einmal bietet der Akteninhalt für eine eigenverantwortliche Prüfung der Materialien durch die Bauherrin keinen Anhaltspunkt. Denn in der Einspruchsschrift des Stpfl. vom 18. September 1952 und dem Schreiben der Bauherrin vom 23. Oktober 1952 ist wohl allgemein von einer Abnahme durch diese die Rede. In der eingehenden Vernehmung des Prokuristen der Bauherrin vom 27. April 1953 ist dagegen ausdrücklich und in bestimmter Weise bekundet worden, daß die eigenverantwortliche Prüfung der Materialien durch den Stpfl. erfolgt sei, während die Bauherrin nur die Rechnungen in Besitz gehabt, diese jedoch an den Stpfl. zur Ausstellung des Prüfungsvermerks übergeben habe, und daß erst auf Grund dieses Prüfungsvermerks die Bezahlung erfolgt sei. Auf diesen Widerspruch kommt es jedoch nicht entscheidend an.

Die Urteile des Reichsfinanzhofs, die eine nicht steuerbare Materialbeistellung angenommen haben, lassen erkennen, daß gerade die vorteilhafteren Beschaffungsmöglichkeiten durch den Besteller der Anlaß zur Beistellung von Werkstoffen gewesen waren (vgl. Urteile des Reichsfinanzhofs V A 642/33 vom 19. November 1934, Reichssteuerblatt - RStBl. - 1936 S.189, und V 48/38 vom 3. November 1939, Slg. Bd. 47 S. 340, RStBl. 1940 S. 22). Im Streitfalle waren es eingestandenermaßen lediglich preisliche Gründe, die den Stpfl. veranlaßten, die Beschaffung von Baustoffen durch die Bauherrin vorzuschlagen. Das wirtschaftliche Ziel des ganzen Geschäftsvorgangs, das sich für die Bestellerin als Erwerb eines durch den Stpfl. herzustellenden fertigen Bauwerks, für den Stpfl. als Lieferung dieses Bauwerks darstellte, wird aber nicht dadurch berührt, daß der Hersteller die Stoffe im Namen und für Rechnung des Bestellers einkauft. Es mag dahingestellt bleiben, ob, wie der Stpfl. bestreitet, in der Wahl dieses Weges ein Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts im Sinne des § 6 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) erblickt werden kann; ebenso hat die Frage, ob die Kalkulation des Stpfl. auch Aufschläge auf das "beigestellte" Material enthalte, wie die Rb. meint, für die Streitfrage keine entscheidende Bedeutung. Wesentlich ist, daß die Werklieferung als typischer Anwendungsfall der Materialbeistellung als unteilbares Ganzes angesehen werden muß, wie aus dem tatsächlichen und insoweit unstreitigen Geschäftsablauf eindeutig erhellt. Hiernach war die Lieferung eines fertigen Bauwerks ausgeschrieben, und der Zuschlag an den Stpfl. ist zu einem Gesamtpreis erfolgt, auf dem auch die Umsatzsteuer für den gesamten Werkstoff ruht. Wirtschaftliche Gründe der in den oben angeführten Urteilen vom 19. November 1934 und 3. November 1939 genannten Art, wonach der Werkstoffeinkauf unter Beteiligung des Stpfl. für die Frage des Inhalts des Leistungsaustausches außer Betracht bleiben könnte, sind im Streitfalle nicht ersichtlich. Die nach Meinung der Vorentscheidung klare vertragliche Regelung rechtfertigt es jedenfalls nicht, den einheitlichen Vorgang seiner wirtschaftlichen Bedeutung entgegen in zwei Teilvorgänge zu zerlegen. Die Vorentscheidung wird auch nicht dadurch gestützt, daß die Baustoffe unmittelbar auf den Bauplatz angeliefert worden sind. Denn dies ist, wie die Rb. zutreffend hervorhebt, auch sonst bei bereits im Gange befindlichen Bauten durchaus das Übliche. Für die von der Vorentscheidung ausgesprochene Vermutung, daß der Materiallieferant möglicherweise aus irgendwelchen Gründen dem Stpfl. selbst gar nicht geliefert hätte, bietet der Sachverhalt keinen Anhaltspunkt. Auch der im Schrifttum (vgl. Schettler, Deutsche Steuerzeitung 1952 S. 196/201) erhobene, beachtliche Einwand, die hier vertretene Auffassung berücksichtige nicht die Rechtsstellung des Dritten (Materiallieferanten), die für die Beurteilung des Verhältnisses des Kommittenten zum Kommissionär von maßgebender Bedeutung sei, kann nicht zu einer anderen Beurteilung führen. Denn für die hier zu entscheidende Frage ist es ohne Bedeutung, ob eine Lieferung des Dritten an den Besteller oder an den Bauunternehmer anzunehmen ist. Es ist zwar sicherlich zutreffend, daß der Dritte in rechtliche Beziehungen zum Auftraggeber getreten ist, der infolge der ausdrücklichen gesetzlichen Fiktion des § 3 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDB) 1951 als Abnehmer anzusehen ist. Allein für die hier nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu beurteilende Frage des Leistungsaustausches zwischen Besteller und Unternehmer fehlt es an einer solchen Bestimmung. Der Senat ist insbesondere der Auffassung, daß in den Fällen, in denen der Besteller das Material durch den Bauunternehmer für sich einkaufen läßt, gleichgültig, ob dieser als Einkaufskommissionär, Agent oder Einkaufsbevollmächtigter auftritt, an dem durch die wirtschaftliche Betrachtungsweise gerechtfertigten Standpunkt festgehalten werden muß, daß ein einheitlicher Wirtschaftsvorgang für die umsatzsteuerliche Beurteilung als ein unteilbares Ganzes anzusehen ist, so daß ungeachtet der rechtlichen Vertragsgestaltung die Werklieferung nicht in Teilvorgänge zerlegt werden darf. Es widerspricht, unabhängig von den durch § 6 StAnpG gesetzten Schranken, umsatzsteuerlichen Grundsätzen, aus steuerlichen oder preislichen Gesichtspunkten einen Geschäftsvorgang, an dessen wirtschaftlicher Zielsetzung durch die unter Einschaltung des Werkunternehmers herbeigeführte Beistellung des Materials nichts geändert wird, anders zu beurteilen, als den normalen Fall einer Werklieferung.

Da die Vorentscheidung dies verkannt hat, ist sie aufzuheben und die Berufung gegen den Umsatzsteuerbescheid des Finanzamts vom 2. Oktober 1952 als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 307 der Reichsabgabenordnung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407789

BStBl III 1953, 366

BFHE 1954, 196

BFHE 58, 196

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