Entscheidungsstichwort (Thema)

Zu den Wirkungen einer Zurechnungsfortschreibung

 

Leitsatz (NV)

Die im Bescheid über die Zurechnungsfortschreibung getroffene Feststellung, wem ein Grundstück ab einem bestimmten Zeitpunkt zuzurechnen ist, kann nur durch Anfechtung dieses Bescheids, nicht durch Anfechtung des Folgebescheids (z.B. des Vermögensteuerbescheids) angegriffen werden.

Die Bindung an die Zurechnungsfortschreibung schließt bei der Vermögensteuerveranlagung die selbständige Beurteilung der Frage, ob eine im Zusammenhang mit dem Grundstück stehende Verbindlichkeit abgezogen werden kann, nicht aus.

 

Normenkette

BewG § 22 Abs. 2; AO 1977 § 157 Abs. 2, § 182 Abs. 1, § 351 Abs. 2; FGO § 42

 

Verfahrensgang

FG Berlin

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist schweizerischer Staatsangehöriger; er lebt in der Schweiz.

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 28. August 1977 erwarb der Kläger von dem Beigeladenen zunächst ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück in A. Durch bestandskräftigen Einheitswertbescheid vom 27. Oktober 1977 wurde dieses Grundstück auf den 1. Januar 1978 dem Kläger zugerechnet. Der Beigeladene hat aufgrund einer notariell beurkundeten Vollmacht dieses Grundstück im Jahre 1985 im Namen des Klägers an ein Ehepaar weiterveräußert.

Der Kläger erwarb ferner mit notariell beurkundetem Vertrag vom 28. August 1977 von dem Beigeladenen ein unbebautes Grundstück in B, das durch bestandskräftigen Einheitswertbescheid vom 27. Juni 1978 ebenfalls dem Kläger zugerechnet wurde. Auch dieses Grundstück hat der Beigeladene im Namen des Klägers im Jahre 1979 an Dritte weiterveräußert.

Trotz wiederholter Aufforderung gab der Kläger keine Vermögensteuererklärungen ab. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) schätzte daraufhin die Besteuerungsgrundlagen und setzte mit unter Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 der Abgabenordnung - AO 1977 -) stehenden Bescheiden vom 23. Juli 1981 durch Nachveranlagung auf den 1. Januar 1978 und durch Hauptveranlagung auf den 1. Januar 1980 Vermögensteuer fest. Dabei legte das FA als steuerpflichtiges Inlandsvermögen (Grundvermögen) zum 1. Januar 1978 die beiden Grundstücke in A (Einheitswert 176000 DM) und B (Einheitswert 263400 DM) und zum 1. Januar 1980 das Grundstück in A gemäß § 121a des Bewertungsgesetzes (BewG) mit jeweils 140 v.H. des Einheitswertes zugrunde.

Der Einspruch des Klägers blieb erfolglos. Erst nach Erhebung der Klage reichte der Kläger dem FA Vermögensteuererklärungen auf den 1. Januar 1978 und auf den 1. Januar 1980 für beschränkt Steuerpflichtige ein. Dabei setzte er als inländisches Grundvermögen auf den 1. Januar 1978 die beiden Grundstücke in A und B und auf den 1. Januar 1980 das Grundstück in A jeweils mit den Einheitswerten an. Auf die Frage Bestehen Steuerschulden? erklärte der Kläger jeweils nur Bitte, von Amts wegen ermitteln!; im übrigen gab der Kläger unter der Rubrik Abzüge keinerlei Verbindlichkeiten (Schulden oder Lasten) an. Das FA änderte daraufhin den Vermögensteuer-Hauptveranlagungsbescheid auf den 1. Januar 1980, indem es zugunsten des Klägers Steuerschulden in Höhe von 6405 DM berücksichtigte. Gleichzeitig hob es den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Der Vermögensteuer-Nachveranlagungsbescheid auf den 1. Januar 1978 blieb unverändert.

Nach dem Wechsel seines Prozeßbevollmächtigten im Jahre 1984 beantragte der Kläger, den Vermögensteuer-Änderungsbescheid auf den 1. Januar 1980 gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens zu machen und berief sich - erstmals - darauf, daß ihm die beiden Grundstücke in A und B nicht zuzurechnen seien, da er sie lediglich als Treuhänder für den Beigeladenen erworben habe. Dieser habe mittels der treuhänderischen Übertragung der Grundstücke die wirtschaftlichen Verhältnisse seiner Familie sichern wollen, nachdem er durch Verschulden seiner früheren Steuerberaterin in ernste Liquiditätsschwierigkeiten geraten sei. Der Beigeladene habe wegen seiner wirtschaftlich begründeten Geheimhaltungsabsicht hinsichtlich der Treuhandschaft in seinen Vermögensteuerangelegenheiten ab 1977 bis 1981 die betroffenen Grundstücke nicht als sein Eigentum bezeichnet. Für den Fall der Nichtanerkennung des Treuhandverhältnisses machte der Kläger hilfsweise geltend, daß bei der Vermögensteuerveranlagung auf den 1. Januar 1978 die aus den Grundstückskaufverträgen vom 28. August 1977 geschuldeten Kaufpreise und Erwerbsnebenkosten als Verbindlichkeiten zu berücksichtigen seien. Der Kläger beantragte dementsprechend, die ersatzlose Aufhebung der Vermögensteuerfestsetzung auf den 1. Januar 1978 und auf den 1. Januar 1980, hilfsweise die Herabsetzung der Vermögensteuer auf den 1. Januar 1978 auf 0 DM.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung des Finanzgerichts (FG) kann eine anderweitige Zurechnung der beiden Grundstücke im Verfahren gegen die Vermögensteuerbescheide nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden. Bezüglich der vom Kläger geforderten Berücksichtigung von Verbindlich- keiten bei der Vermögensteuerveranlagung auf den 1. Januar 1978 fehle es an einer Rechtsgrundlage. Der Kläger mache damit einen Sachverhalt geltend, der - wie das Treuhandverhältnis - im gegenwärtigen Zeitpunkt wegen Verwirkung nicht mehr zu berücksichtigen sei. Abgesehen davon handle es sich nach dem eigenen Vorbringen des Klägers gar nicht um echte Verbindlichkeiten, sondern um Vorgänge, die zu keiner wirklichen Belastung des Klägers als dem angeblichen Käufer der beiden Grundstücke hätten führen können.

Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist hinsichtlich der Vermögensteuer-Nachveranlagung auf den 1. Januar 1978 begründet. Insoweit ist das Urteil des FG aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Hinsichtlich der Vermögensteuer-Hauptveranlagung auf den 1. Januar 1980 ist die Revision unbegründet (§ 126 Abs. 2 FGO).

1. Der Kläger, der im Inland weder einen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, unterliegt der beschränkten Vermögensteuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Vermögensteuergesetzes (VStG). Die beschränkte Steuerpflicht erstreckt sich lediglich auf das Inlandsvermögen der in § 121 BewG bezeichneten Art (§ 2 Abs. 2 VStG). Hierunter fällt das inländische Grundvermögen (§ 121 Abs. 2 Nr. 2 BewG).

Das FG hat zu Recht entschieden, daß bei den Vermögensteuerveranlagungen als inländisches Grundvermögen des Klägers zum 1. Januar 1978 die Grundstücke in A und B und zum 1. Januar 1980 das Grundstück in A zu erfassen waren.

a) Nach den Feststellungen des FG, die den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO binden, haben die zuständigen Lage-FÄ die vom Kläger mit Kaufverträgen vom 28. August 1977 erworbenen Grundstücke in A und B mit bestandskräftigen Fortschreibungsbescheiden auf den 1. Januar 1978 dem Kläger zugerechnet (§ 22 Abs. 2 BewG). Damit war gemäß § 182 Abs. 1 AO 1977 zugleich bindend festgestellt, daß die beiden Grundstücke ab dem 1. Januar 1978 für andere Feststellungsbescheide, für Steuermeßbescheide, für Steuerbescheide und für Steueranmeldungen (Folgebescheide) dem Kläger und nicht mehr dem Veräußerer der Grundstücke solange zuzurechnen waren, bis aufgrund der späteren Veräußerungen durch den Kläger das Grundstück in B auf den 1. Januar 1980 und das Grundstück in A auf den 1. Januar 1986 den jeweiligen Erwerbern zugerechnet wurden. An diese Feststellungen war das FA bei der Nachveranlagung des Klägers zur Vermögensteuer auf den 1. Januar 1978 (§ 17 Abs. 1 Nr. 1 VStG) sowie bei der Vermögensteuer-Hauptveranlagung auf den 1. Januar 1980 (§ 15 Abs. 1 VStG) gebunden (vgl. Senatsurteil vom 16. Oktober 1985 II R 230/82, BFHE 144, 463, BStBl II 1986, 41).

b) Die im Bescheid über die Zurechnungsfortschreibung getroffene Feststellung, wem ein Grundstück ab einem bestimmten Zeitpunkt zuzurechnen ist, kann nur durch Anfechtung dieses Bescheids, nicht durch Anfechtung des Folgebescheids angegriffen werden (§ 351 Abs. 2 AO 1977, § 42 FGO), denn die verbindliche, eine etwaige Rechtsverletzung auslösende Entscheidung wird bereits im Feststellungsbescheid und nicht erst im Folgebescheid getroffen (Tipke/ Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., § 182 AO 1977 Tz. 1). Dementsprechend bildet die gegenüber dem Kläger getroffene Feststellung über das der Besteuerung zugrunde gelegte Grundvermögen nach § 157 Abs. 2 AO 1977 einen mit Rechtsbehelf nicht selbständig anfechtbaren Teil der Vermögensteuerbescheide auf den 1. Januar 1978 und auf den 1. Januar 1980.

Hiervon ist auch die Vorinstanz zutreffend ausgegangen. Der vom Kläger geltend gemachte Einwand, er sei nur Treuhänder für den Beigeladenen gewesen, die beiden Grundstücke seien deshalb gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO 1977 dem Beigeladenen als Treugeber zuzurechnen, kann im Rahmen der Überprüfung der angefochtenen Vermögensteuerbescheide nicht berücksichtigt werden. Um eine Zurechnung der Grundstücke auf den Beigeladenen zu erreichen, hätte der Kläger entweder rechtzeitig die Einheitswertbescheide über die Zurechnung anfechten oder - nach Eintritt der Bestandskraft der Einheitswertbescheide - eine fehlerberichtigende Zurechnungsfortschreibung nach § 22 Abs. 3 BewG beantragen müssen.

2. Bei der Ermittlung des nach § 2 Abs. 2 VStG steuerpflichtigen Inlandsvermögens sind gemäß § 121 Abs. 3 BewG nur solche Schulden und Lasten i.S. des § 118 BewG abzugsfähig, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit dem Inlandsvermögen stehen.

a) Soweit der Kläger bezüglich der Vermögensteuer-Nachveranlagung auf den 1. Januar 1978 im Klageverfahren den Abzug von Verbindlichkeiten geltend gemacht hat, ermöglichen die Feststellungen des FG keine Entscheidung darüber, ob die beantragte Herabsetzung der Vermögensteuer auf 0 DM zu Recht abgelehnt wurde. Die Revision führt insoweit zur Aufhebung des Urteils.

Zwar kann entgegen der Auffassung der Revision nicht bereits aus der Zurechnung der beiden Grundstücke auf den Kläger gefolgert werden, daß beim Kläger damit auch eine entsprechende Kaufpreisverpflichtung zu berücksichtigen sei. Denn die auf § 182 Abs. 1 AO 1977 beruhende formale Bindung an die Zurechnungsfortschreibung schließt die selbständige Beurteilung der Frage, ob eine im Zusammenhang mit dem Grundstück stehende Verbindlichkeit abgezogen werden kann, nicht aus.

Der Kläger war zwar aufgrund der Kaufverträge vom 28. August 1977 bürgerlich-rechtlich Schuldner des vereinbarten Kaufpreises. Soweit diese Verpflichtung am Veranlagungsstichtag 1. Januar 1978 noch nicht erfüllt war, ist sie grundsätzlich bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Vermögens abzuziehen, wenn sie für den Kläger auch eine ernsthafte wirtschaftliche Belastung darstellt (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12. Dezember 1975 III R 32/74, BFHE 117, 497, BStBl II 1976, 209 und vom 11. April 1975 III R 93/72, BFHE 116, 43, 48, BStBl II 1975, 657, 659 m.w.N.). Hieran könnte es im Streitfall fehlen, wenn wegen des behaupteten Treuhandverhältnisses zwischen dem Verkäufer der Grundstücke (Beigeladener) als Treugeber und dem Kläger als Treuhänder der Kläger nicht mit einer Inanspruchnahme durch den Treugeber rechnen mußte. Lag ein Treuhandverhältnis vor, könnte sich hieraus jedoch entgegen der Auffassung der Revision keine das Vermögen des Klägers mindernde Verpflichtung zur Herausgabe des Grundstücks ergeben, da anderenfalls die oben dargelegten bindenden Wirkungen der Zurechnungsfortschreibung (§ 182 Abs. 1 AO 1977) im Ergebnis aufgehoben würden.

Das angegriffene Urteil enthält zu der Frage, ob tatsächlich zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen ein Treuhandverhältnis bestand, keine Feststellungen. Die Vorinstanz hat das Vorliegen eines Treuhandverhältnisses wegen der von ihr angenommenen Verwirkung letztlich offengelassen. Ob tatsächlich im Streitfall von einer illoyal verspäteten Geltendmachung des Treuhandverhältnisses auszugehen ist, obwohl der Kläger bereits im Jahre 1984 auf das Treuhandverhältnis hingewiesen hat, läßt der Senat dahingestellt. Das FG wird zunächst feststellen müssen, ob dem Grunde nach ein Treuhandverhältnis vorlag.

b) Bezüglich der Vermögensteuer-Hauptveranlagung auf den 1. Januar 1980 hat der Kläger mit der Klage lediglich die Zurechnung des Grundstücks in A als inländisches Grundvermögen angegriffen, jedoch keine Verbindlichkeiten - auch nicht hilfsweise - geltend gemacht. Soweit der Kläger erstmals mit der Revision den Ansatz des am 1. Januar 1980 noch geschuldeten Restkaufpreises oder einer Verpflichtung zur Herausgabe des Grundstücks begehrt, handelt es sich um neues tatsächliches Vorbringen, das in der Revisionsinstanz nicht mehr berücksichtigt werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 19. Mai 1987 VIII R 327/ 83, BFHE 150, 140, 144, BStBl II 1987, 848, 850); Verfahrensrügen hat der Kläger insoweit nicht erhoben. Damit verbleibt es bei dem vom FG bestätigten steuerpflichtigen Gesamtvermögen des Klägers. Der Kläger wird insoweit durch das angegriffene Urteil in seinen Rechten nicht verletzt.

 

Fundstellen

BFH/NV 1994, 452

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