Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Werden Nutzungsrechte an Werken der Tonkunst durch den Künstler übertragen, so ist als wesentlicher Inhalt der Leistung das Dulden der Wiedergabe der Werke auch dann anzusehen, wenn die übertragung nicht der eigenen Nutzung des Erwerbers dient.

Als Ort der Leistung ist bei der Duldung der Ort anzusehen, an dem die Tätigkeit, die geduldet wird, stattfindet. Erstreckt sich das Dulden auf das In- und Ausland, so fällt nur der inländische Teil der Leistung unter das UStG.

 

Normenkette

UStG § 1 Ziff. 1, § 3/8, § 3/10; UStDB § 7/1, § 7 Abs. 2

 

Tatbestand

Der Steuerpflichtige (Stpfl.) ist Komponist und Pianist. Er hat durch Berechtigungsvertrag vom ..... der Genossenschaft zur Verwertung musikalischer Aufführungsrechte (GEMA), einer Gesellschaft zur Wahrnehmung der Aufführungs-, Sende- und mechanischen Vervielfältigungsrechte der Komponisten, Textdichter und Verleger, als Treuhänderin alle ihm damals zustehenden und später zufallenden musikalischen Urheberrechte für alle Länder übertragen. Nach dem Vertrag war er verpflichtet, alle unter diesen Vertrag fallenden Werke anzumelden und jede erforderliche Auskunft zu erteilen. Es war ihm untersagt, in unlauterer Weise auf das Zustandekommen von Aufführungen, Sendungen und mechanischen Vervielfältigungen oder auf die Ausfüllung der Programme Einfluß zu nehmen. Der GEMA wurde das Recht eingeräumt, die übertragenen Rechte im eigenen Namen auszuüben und weiter zu übertragen. In den Verträgen vom ...... hat der Stpfl. sich außerdem der X.-Gesellschaft gegenüber verpflichtet, Werke seines Repertoires zum Zwecke der Schallplattenaufnahme vorzutragen und der Gesellschaft das ausschließliche übertragbare und auch in bezug auf die künftigen Nutzungsarten nicht beschränkte Recht eingeräumt, diese Aufnahmen in der ganzen Welt in jeder beliebigen Weise zu verwerten, insbesondere zu vervielfältigen, öffentlich aufzuführen und zu senden. Er war verpflichtet, auf Ersuchen der X.-Gesellschaft bei Aufnahmen mit anderen Künstlern mitzuwirken und während der Dauer des Vertrages sich Dritten für Schallplattenaufnahmen nicht zur Verfügung zu stellen und nicht zuzulassen, daß seine Darbietung von Dritten ohne Zustimmung der Gesellschaft aufgenommen werden.

Der Stpfl. war der Meinung, daß er mit den Tantiemeeinnahmen von der GEMA für die Aufführungen im Ausland und in den Lizenzeinnahmen von der X.-Gesellschaft für die Herstellung von Schallplatten im Ausland nicht umsatzsteuerpflichtig sei, weil es sich insoweit um die Verwertung seiner Rechte im Ausland gehandelt habe.

Das Finanzamt (FA) hielt die Steuerpflicht für gegeben. Seiner Auffassung nach hat der Stpfl. sein Recht zur Verwertung im In- und Ausland im Inland übertragen. Der Einspruch wurde vom FA als unbegründet zurückgewiesen.

Mit der Berufung hatte der Stpfl. keinen Erfolg. Die Vorinstanz schloß sich der Auffassung des FA an. Die GEMA habe durch den Abschluß des Vertrages die Rechtsstellung einer Treuhänderin mit weitgehend selbständigen Befugnissen zur Wahrnehmung der übertragenen Urheberrechte erhalten. Sie sei insbesondere in den Stand gesetzt worden, diese Rechte im eigenen Namen geltend zu machen. Die wirtschaftliche Auswirkung der Rechtsübertragung des Stpfl. liege im Inland, weil die wirtschaftlichen Vorteile aus der übertragung und der Auftragserteilung an die GEMA dem Stpfl. im Inland erwachsen seien. Es sei ohne Bedeutung, ob die Werke im In- oder im Ausland aufgeführt würden. Das gleiche müsse von den Leistungen des Stpfl. gegenüber der X.-Gesellschaft gelten. Die steuerliche Leistung sei auch hier in der übertragung der Urheberrechte und Duldung der Auswertung der Werke des Stpfl. zu erblicken. Sie wirke sich wirtschaftlich ebenfalls im Inland aus. Denn die Treuhänderin habe ihren Sitz im Inland und entfalte hier die von ihr vertraglich übernommene Tätigkeit. Daß sie Schallplatten auch im Ausland presse, habe auf die Rechtsübertragung des Stpfl. keinen Einfluß. Es handele sich dabei um Vorgänge im Bereich einer Tätigkeit, die die X.-Gesellschaft kraft eigenen Rechts entfalte.

Hiergegen richtet sich die Rb. des Stpfl., die gemäß § 184 Abs. 2 Ziff. 1 FGO als Revision zu behandeln ist. Seiner Auffassung nach kommt es darauf an, wo sich die Leistungen des Stpfl. ausgewirkt haben. Auf den Ort der Entgegennahme der von der GEMA gezahlten Tantiemen durch den Stpfl. sei nicht abzustellen. Ebensowenig könne bei den Leistungen des Stpfl. an die X.-Gesellschaft auf den Sitz der Vertragsschließenden, auf den Ort des Vertragsabschlusses oder den Ort, an dem die X.-Gesellschaft ihre eigene Tätigkeit entfaltet habe, oder auf den Erfüllungsort abgestellt werden. Die Vorinstanz hätte untersuchen müssen, welche wesentliche Bedeutung den vertraglichen Abmachungen zukommt und welchen Inhalt die aus ihnen entspringenden Leistungen haben. Bei der übertragung von Nutzungs- oder Verwertungsrechten, die als voll wirksame Schutzrechte anerkannt seien, habe die Rechtsprechung als Gegenstand der Umsatzbesteuerung stets die Duldung der wirtschaftlichen Auswertung angesehen. In dem vorliegenden Fall bestehe der Inhalt der Leistungen des Stpfl. darin, daß er Aufführungen, Rundfunksendungen und mechanische Vervielfältigungsrechte seiner Musikwerke durch die GEMA und die Herstellung, Vervielfältigung, Verleihung, öffentliche Aufführung und Sendung der Schallplattenaufnahmen durch die X.-Gesellschaft im In- und Ausland geduldet habe. Daraus ergebe sich aber zwingend, daß eine Duldung der Verwertung im Ausland insoweit stattgefunden habe, als die übertragenen Rechte und Befugnisse im Ausland genutzt und verwertet worden seien. Bei den Leistungen an die X.-Gesellschaft komme es auf den Verkauf und nicht auf das Pressen der Platten an. Die Begründung des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) V 79/59 U vom 16. März 1961 (BStBl 1961 III S. 223, Slg. Bd. 72 S. 613) trage insoweit den Rechtssatz des Urteils nicht. Die Urheberrechte wirkten sich erst dann wirtschaftlich aus, wenn sie tatsächlich genutzt und verwertet würden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen.

In der Revisionsbegründung wird vom Stpfl. zutreffend ausgeführt, daß, bevor der Ort der Leistung bestimmt werden könne, untersucht werden müsse, welchen Inhalt die Leistung habe, und daß es bei der Entscheidung dieser Frage auf die wirtschaftliche Bedeutung des abgeschlossenen Vertrages ankomme.

Als Gesellschaft zur Wahrnehmung von Aufführungs- und Senderechten sowie mechanischen Vervielfältigungsrechten der Komponisten, Textdichter und Verleger hat die GEMA die Aufgabe, die ihr übertragenen Rechte im Interesse der Angehörigen der genannten Berufsgruppen treuhänderisch geltend zu machen. Das Wahrnehmungsrecht schließt das Recht ein, die Nutzung der Werke in allen Ländern zu gestatten, die Wiedergabe zu überwachen und die Tantiemen einzuziehen. Zur Erfüllung dieser Aufgaben wird das Recht zur Aufführung, Rundfunksendung und Vervielfältigung übertragen. Die übertragung dient dem Zweck, die Nutzungsrechte, die dem Stpfl. kraft seines Urheberrechts zustehen, wirtschaftlich zu verwerten. Die Verwertung geschieht dadurch, daß die Werke des Stpfl. Dritten gegen Entgelt zur Wiedergabe zur Verfügung gestellt werden. Als wesentlicher wirtschaftlicher Gehalt der getroffenen Abmachungen ist hiernach nicht die übertragung der Nutzungsrechte anzusehen. Es kommt auch nicht so sehr darauf an, daß der Stpfl. der GEMA gestattet, die Rechte im eigenen Namen zu nutzen. Wesentlicher Inhalt der Leistung des Stpfl. ist vielmehr das Dulden der Aufführungen, Sendungen und Vervielfältigungen, die dem Stpfl. den wirtschaftlichen Ertrag bringen. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob der GEMA die Rechte zur eigenen Nutzung oder zur Nutzung durch Dritte überlassen werden. Auch wenn die Rechte erst durch die GEMA der tatsächlichen Nutzung zugeführt werden, bleibt Inhalt der Leistung des Stpfl. an die GEMA das Dulden der Wiedergabe seiner Werke. Die persönlichkeitsrechtlichen Befugnisse sind auch nach der übertragung der Verwertungsbefugnisse bei dem Stpfl. verblieben und können deshalb auf die Vorgänge auswirken, die letzten Endes zu den Einnahmen des Stpfl. führen. Die GEMA hat, wie das in dem Berechtigungsvertrag deutlich zum Ausdruck kommt, die Stellung einer Treuhänderin. Als solche nimmt sie bei der Weiterübertragung der Nutzungsrechte auch die wirtschaftlichen Interessen des Stpfl. wahr. Das Dulden des Stpfl. erstreckt sich hiernach auf die Wiedergabe seiner Werke sowohl im Inland als auch im Ausland.

Als Ort der Leistung ist bei einer Duldung der Ort anzusehen, an dem die Tätigkeit, die geduldet wird, stattfindet. Gemäß § 7 Abs. 2 UStDB wird eine Duldung im Inland ausgeführt, wenn der Unternehmer eine Handlung oder einen Zustand im Inland duldet. Eine Bestimmung, wie zu verfahren ist, wenn das Dulden teils auf das Inland, teils auf das Ausland entfällt, ist in § 7 UStDB nicht ausdrücklich vorgesehen. Da jedoch nach dem Wortlaut des § 7 Abs. 2 UStDB nur bei der positiven Leistung darauf abgestellt ist, ob der Unternehmer ausschließlich oder zum wesentlichen Teil im Inland tätig wird, nicht dagegen bei der negativen Leistung des Duldens oder Unterlassens, hält der Senat die Aufteilung der Leistung des Stpfl. auf das In- und Ausland für angebracht. Soweit in dem BFH-Urteil V 79/59 U vom 16. März 1961 (a. a. O.) von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen wurde, wird daran nicht mehr festgehalten. Darauf, wo der Urheber die wirtschaftlichen Vorteile aus der übertragung des Nutzungsrechts und Auftragserteilung zu erwarten hat, kann es für die Bestimmung des Orts der Leistung nicht ankommen. Die vorstehende Beurteilung stimmt auch mit der bisherigen Rechtsprechung überein, die darauf abstellt, wo die Leistung sich auswirkt (vgl. BFH-Urteile V 205/56 U vom 26. Februar 1959, BStBl 1959 III S. 225, Slg. Bd. 68 S. 591, und V 86/57 vom 28. April 1960, BStBl 1960 III S. 278, Slg. Bd. 71 S. 83).

Der X.-Gesellschaft gegenüber hat sich der Stpfl. verpflichtet, Werke seines Repertoires zum Zwecke der Schallplattenaufnahmen vorzutragen, bei Aufnahmen mit anderen Künstlern mitzuwirken und sich auf die Dauer des Vertrages Dritten mit Schallplattenaufnahmen nicht zur Verfügung zu stellen und nicht zuzulassen, daß seine Darbietungen von Dritten aufgenommen werden. Er hat außerdem der X.-Gesellschaft das Recht eingeräumt, die Aufnahmen in jeder beliebigen Weise in der ganzen Welt zu verwerten. Diese vertraglichen Abmachungen bilden ein einheitliches Ganzes. Sie enthalten als Leistungen ein positives Tun, ein Dulden und ein Unterlassen. Der wirtschaftlichen Bedeutung nach steht auch bei diesen Leistungen die übertragung der Nutzungsrechte zur wirtschaftlichen Verwertung, d. h. das Dulden der Herstellung der Schallplatten und ihrer Veräußerung im Vordergrund. Die tatsächliche Nutzung gegen Entgelt gewährleistet den wirtschaftlichen Erfolg, den der Vertrag bezweckt. Die Verwertung erstreckt sich sowohl auf das Inland als auch auf das Ausland. Wie in den Fällen der übertragung der Nutzungsrechte auf die GEMA sind deshalb auch hier die Leistungen auf das In- und Ausland aufzuteilen. Der Auffassung der Vorinstanz, daß sich die übertragung der Nutzungsrechte allein im Inland auswirke, weil diese ihren Sitz im Inland habe und auch hier die von ihr vertraglich übernommene Tätigkeit entfalte, kann nicht beigetreten werden. Es geht hier nicht um die Leistung der Erwerberin, sondern um die Leistung des Stpfl. Besteht aber dessen Leistung hauptsächlich in einem Dulden, so kommt es entscheidend auf den Ort der Duldung an. Dieser ist, soweit die Schallplatten im Ausland veräußert werden, das Ausland.

Die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung, die von einer anderen Rechtsauffassung ausgingen, waren hiernach aufzuheben.

 

Fundstellen

BStBl III 1966, 302

BFHE 1966, 257

BFHE 85, 257

StRK, UStG:1/1 R 404

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