Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Der Senat hält an den in der Entscheidung IV 347/53 S vom 4. Februar 1954, Slg. Bd. 58 S. 528, BStBl. III S. 112, aufgestellten Grundsätzen fest. Eine schädliche Entnahme im Sinne des § 10 Abs. 1 Ziff. 3 EStG 1949 ist dort nicht gegeben, wo eine Einzelfirma zu den Buchwerten in eine Kapitalgesellschaft eingebracht wird, und der bisherige Unternehmer und seine Ehefrau die sämtlichen Anteile an der Kapitalgesellschaft erhalten.

Eine steuerschädliche Entnahme liegt hinsichtlich eines Betriebsgrundstückes auch dann nicht vor, wenn ein Einzelunternehmer sein Betriebsvermögen ohne das Betriebsgrundstück in eine von ihm beherrschte Betriebs-GmbH einbringt und das Betriebsgrundstück an die GmbH verpachtet.

 

Normenkette

EStG § 6 Ziff. 4, § 6/1/4, § 10 Abs. 1 Ziff. 3, § 10a

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.) war bis zum 30. September 1949 Alleininhaber einer Textil- und Schuhwareneinzelhandelsfirma. Am 1. Oktober 1949 gründete er mit seiner Ehefrau zusammen eine GmbH. Die Stammeinlagen betrugen 28.000 DM für den Bf. und 2.000 DM für seine Ehefrau. Nach dem Gesellschaftsvertrag vom 3. Oktober 1949 brachte der Bf. das von ihm betriebene Einzelhandelsgeschäft nebst Zubehör mit Aktiven und Passiven nach dem Stande vom 1. Oktober 1949 in die Gesellschaft ein. Lediglich das Firmengrundstück X - Straße 1 wurde nicht in das GmbH - Vermögen übernommen. Der Gesamtwert der Einlage des Bf. wurde auf 124.964,94 DM festgesetzt. Hiervon wurde ein Teilbetrag von 28.000 DM auf die Stammeinlage des Bf. angerechnet. Den Mehrbetrag von 96.964,94 DM sollte die Gesellschaft an den Bf. zur Auszahlung bringen. Die Ehefrau des Bf. sollte ihre Stammeinlage in Geld leisten. Schließlich mietete die Gesellschaft von dem Bf. sämtliche Räume im Hause X - Straße 1, in denen dieser bisher seinen Geschäftsbetrieb hatte, zum Mietpreis von 1.500 DM monatlich. Der Bf. erklärte für II/1948 und 1949 u. a. Einkünfte aus Gewerbebetrieb von insgesamt 215.332 DM und beantragte die Steuervergünstigung des nicht entnommenen Gewinns in Höhe von 8.613 DM für II/1948 und 19.380 DM für 1949. Das Finanzamt versagte die Vergünstigung mit der Begründung, daß die Umwandlung der Einzelfirma in eine Kapitalgesellschaft in vollem Umfang als Entnahme anzusehen sei, so daß für einen steuerlich begünstigten nicht entnommenen Gewinn kein Raum sei. Die Mieteinnahmen in Höhe von 4.500 DM rechnete es im Anschluß an den Betriebsprüfungsbericht zu den gewerblichen Einkünften. Durch die Hinzurechnung stellten sich die Einkünfte aus Gewerbebetrieb für II / 1948 und 1949 auf insgesamt 221.882 DM. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos. Das Finanzamt war der Auffassung, daß eine Veräußerung des Betriebs im ganzen und damit eine Entnahme vorliege. Der Steuerpflichtige führe, nachdem sein Einzelhandel mit Textilwaren auf die GmbH übergegangen sei, keinen Gewerbebetrieb weiter. In die GmbH seien lediglich das Geschäftsgrundstück X - Straße 1 nicht eingebracht worden sowie einige unbedeutende Geldkonten privater Natur. Er buche zwar seine Miet- und Zinseinnahmen und stelle Gewinn- und Verlustrechnungen bzw. Bilanzen auf. Diese Tätigkeit mache aber seine Einnahmen aus Vermietung und Kapitalvermögen nicht zu gewerblichen Einnahmen. Er habe sein gesamtes Betriebsvermögen am 30. September 1949 entnommen. Es sei zum Privatvermögen geworden. Die Entnahme des Geschäftsgrundstücks sei nach § 6 des Einkommensteuergesetzes mit dem Teilwert anzusetzen. Er werde vom Finanzamt auf 95.500 DM geschätzt. Hierdurch ergebe sich ein Mehrgewinn von 32.455 DM.

Die Berufung hatte teilweise Erfolg. Das Finanzgericht begründete seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt:

Seitens des Steuerpflichtigen sei an eine Gewinnrealisierung bezüglich der in die GmbH eingebrachten Betriebsvermögensgegenstände nicht gedacht worden. Die Einbringung eines Einzelunternehmens in eine Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten stelle grundsätzlich nur dann eine Veräußerung dar, wenn damit eine Realisierung der in der Einzelfirma vorhandenen Werte Hand in Hand gehe. Eine bloße änderung der Unternehmensform unter Verzicht auf die Realisierung stiller Reserven sei keine Veräußerung. Nehme man aber keine Veräußerung an, so müsse konsequenter Weise insoweit eine Entnahme verneint werden. Streitig bleibe hiernach lediglich die Frage, ob die Herausnahme des Geschäftsgrundstücks X - Straße 1 eine Entnahme darstelle. Dies bejahe das Finanzgericht. Nach Lage der Verhältnisse könne die Verwaltung des Grundbesitzes nicht als eine gewerbliche Betätigung angesehen werden. Es liege lediglich eine Vermögensnutzung vor. Nur unter ganz bestimmten Umständen könne die Vermietung und Verpachtung Formen annehmen, durch die sie über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinauswachse und zum gewerblichen Unternehmen werde. Diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Falle nicht gegeben, da die Verwaltung verhältnismäßig einfach sei. Es liege somit hinsichtlich des Grundstücks X - Straße 1 eine Gewinnrealisierung vor.

Zwar sei zuzugeben, daß die Beurteilung des Rechtsproblems durch den Reichsfinanzhof im Anschluß an Umstellungsvorgänge nicht ganz einheitlich gewesen sei, vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs VI 765/37 vom 19. Januar 1938, Reichssteuerblatt 1938 S. 316. Die Kammer sei jedoch der Ansicht, daß bezüglich des Grundstücks X - Straße 1 eine endgültige Entnahme vorliege. Jeder Fall sei anders gelagert und dementsprechend zu würdigen. Unter übernahme von Gedankengängen, die der Reichsfinanzhof bereits im Urteil VI A 183/33 vom 23. März 1933, Reichssteuerblatt 1933 S. 636, entwickelt habe, glaube das Finanzgericht die Besonderheiten berücksichtigen zu müssen, die sich im Gegensatz zu der Umwandlung einer Einzelfirma in eine Personengesellschaft aus der Schaffung der selbständigen Rechtspersönlichkeit einer GmbH ergäben.

Das Finanzgericht schätzte den Wert des Grundstücks unter Verwertung eines Gutachtens auf 81.000 DM und kam zu einem Veräußerungsgewinn von 18.955 DM.

Die Rechtsbeschwerde des Steuerpflichtigen sieht in der Verpachtung die Weiterführung des Gewerbebetriebes. Der Steuerpflichtige unterhalte nicht nur ein privates Bankkonto und eine eigene Privatkasse, sondern für seinen fortgeführten Gewerbebetrieb nach wie vor ein besonderes Bankkonto und eine besondere Kasse. Es liege eine gesonderte Buchführung für den weitergeführten Betrieb vor. Die GmbH-Anteile gehörten zu dem Betriebsvermögen des weitergeführten Gewerbebetriebes. Das Grundstück X - Straße 1 sei unverändert dem Betrieb der GmbH zur Verfügung gestellt.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Der Reichsfinanzhof hat in der Entscheidung VI 96/42 vom 1. Juli 1942, Reichssteuerblatt 1942 S. 1081, ausgesprochen, daß ein Fabrikgrundstück, in dem der Eigentümer einen Gewerbebetrieb unterhalten hatte, und das er zur Fortsetzung des Betriebes an eine von ihm gegründete und beherrschte AG verpachtete, einen Gewerbebetrieb des Eigentümers darstellt. Gleichartige Grundsätze hat auch der III. Senat des Reichsfinanzhofs mit eingehender Begründung in der Entscheidung III 22/44 vom 16. November 1944, Reichssteuerblatt 1945 S. 34, für die Einheitsbewertung vertreten. Bringt ein Unternehmer seinen Betrieb in eine Unternehmergemeinschaft ein, behält er aber das bisherige Betriebsgrundstück zurück und "verpachtet" es lediglich an die Gesellschaft, so bleibt, wie auch in dem Erläuterungsbuch von Blümich zum Einkommensteuergesetz (5. Auflage S. 548) ausgeführt wird, das Grundstück Betriebsvermögen des Gesellschafters. Des weiteren hat der Reichsfinanzhof in der Verpachtung eines Betriebes im ganzen in der Regel nicht die Aufgabe des Betriebes gesehen (so Entscheidungen des Reichsfinanzhofs VI A 2239/30 vom 9. Dezember 1931, Reichssteuerblatt 1932 S. 625, VI A 495/36 vom 24. März 1937, Reichssteuerblatt 1937 S. 939).

Nach dem im Streitfall gegebenen Tatbestand wird man unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung bei dem umstrittenen Grundstück eine überführung in das Privatvermögen nicht annehmen können. Dem Finanzgericht ist darin beizupflichten, daß die Grundsätze der Entscheidung VI A 183/33 vom 23. März 1933, Reichssteuerblatt 1933 S. 636, auch zu einem anderen Ergebnis führen könnten. Die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs hat aber, wie insbesondere die oben dargestellten Entscheidungen VI 96/42 und III 22/44 ergeben, in dieser Richtung eine änderung erfahren. Auch in der Verpachtung betriebsnotwendiger Grundstücke an eine Betriebs - GmbH, deren Anteile sich in den Händen des bisherigen Einzelunternehmers und seine Ehefrau befinden, kann hiernach eine Entnahme nicht erblickt werden. Der Senat verbleibt bei dieser neueren Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs. Sieht man aber in der Verpachtung des Grundstücks keine Aufgabe des Betriebes, so liegt auch kein steuerschädlicher Tatbestand für die Frage des nicht entnommenen Gewinns vor.

Die Vorentscheidung muß deshalb aufgehoben werden.

Die Würdigung des Finanzgerichts hinsichtlich der Frage einer Entnahme der Betriebsvermögensgegenstände durch Einbringung in die GmbH entspricht der später ergangenen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Urteil IV 347/53 S vom 4. Februar 1954, Slg. Bd. 58 S. 528, Bundessteuerblatt 1954 III S. 112). Wie bereits in dieser Entscheidung ausgeführt wird, kann eine Entnahme erst in Betracht kommen, wenn während der in den jeweiligen Einkommensteuergesetzen vorgesehenen Fristen durch Gewinnausschüttungen das Grundkapital der Kapitalgesellschaft einschließlich der offenen Reserven angegriffen wird oder Anteile an der Kapitalgesellschaft veräußert werden.

Die Sache wird zur Durchführung der Veranlagung entsprechend den oben dargestellten Grundsätzen an das Finanzamt zurückverwiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408089

BStBl III 1955, 88

BFHE 1955, 226

BFHE 60, 226

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