Leitsatz (amtlich)

1. Die Investitionszulage kann nicht zurückgefordert werden, wenn der Investor die Betriebstätte innerhalb des Dreijahreszeitraums verpachtet und der Pächter sie während des noch nicht abgelaufenen Teils des Dreijahreszeitraums unverändert und als selbständige Betriebstätte fortführt.

2. Es ist ausreichend, wenn die Betriebstätte die an sie zu stellenden Anforderungen erstmals im Betrieb des Pächters erfüllt.

 

Normenkette

InvZulG 1969 §§ 1, 3 Abs. 5

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) sowie die Firma A und die Firma B kamen im Jahre 1968 überein, in einem Hallenkomplex der A eine ...anlage mit einem Investitionswert von etwa 30 Mio. DM zu errichten. Die A räumte der Klägerin zu diesem Zweck an dem Grundstück mit dem Hallenkomplex ein Erbbaurecht ein. Die Klägerin ließ auf eigene Rechnung die Hallen herrichten und die ...anlage erstellen und überließ die Hallen und die in ihnen errichteten Anlagen der B pachtweise zum Zwecke des Betriebs einer ... sowie zur Errichtung und zum Betrieb von Verarbeitungsanlagen.

Die Anschaffungs- und Herstellungskosten für die "...anlage" betrugen insgesamt 28 773 462 DM. Der Aufwand wurde vom Bundesminister für Wirtschaft, Bonn, als förderungswürdige Investition i. S. des InvZulG anerkannt. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) gewährte für das Investitionsvorhaben durch Bescheide vom 4. Dezember 1970 und 31. März 1971 i. V. m. einem Teilrückforderungsbescheid vom 20. April 1972 Investitionszulagen von insgesamt 2 877 346,20 DM. Die Bescheide vom 4. Dezember 1970 und 31. März 1971 waren vorläufig gemäß § 100 Abs. 2 AO.

Anläßlich einer Betriebsprüfung im Jahre 1973 stellte die Großbetriebsprüfungsstelle fest, daß die Klägerin die ...anlage von vornherein an B verpachtet hatte. Das FA forderte daraufhin mit Bescheiden vom 18. Juli 1974 die Investitionszulage zurück. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Das FG hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet:

Die Klägerin sei gemäß § 3 Abs. 5 Satz 2 InvZulG 1969 (BGBl I 1969, 1211, BStBl I 1969, 477) zur Rückzahlung der gewährten Investitionszulage verpflichtet, weil die Wirtschaftsgüter nicht mindestens drei Jahre seit ihrer Anschaffung oder Herstellung in der Betriebstätte verblieben seien. Diese Voraussetzung sei nicht nur dann erfüllt, wenn innerhalb der Dreijahresfrist einzelne dieser Anlagegüter (z. B. durch Veräußerung, Entnahme) aus der neu errichteten oder erweiterten Betriebstätte ausscheiden, sondern auch dann, wenn diese Betriebstätte zusammen mit allen begünstigten Anlagegütern veräußert oder verpachtet werde. § 1 InvZulG 1969 begünstige nicht die Betriebstätte als steuertechnische Einrichtung objektiv schlechthin, sondern den Gewerbetreibenden persönlich, der im Zusammenhang mit der Errichtung oder Erweiterung einer solchen Betriebstätte bestimmte Anlagegüter anschafft oder herstellt. Dieser Auslegung entsprächen Aufbau und Wortlaut des Investitionszulagengesetzes 1969. Die notwendige Bindung der begünstigten Betriebstätte an den Investor während der Dreijahresfrist folge auch daraus, daß dieser gemäß § 1 InvZulG 1969 bestimmte subjektive Voraussetzungen erfüllen, insbesondere in seiner Person die Gewähr dafür bieten müsse, daß seine Maßnahmen die Wirtschaftsstruktur des Förderungsgebietes auf Dauer, mindestens aber drei Jahre lang verbessern. Eine andere, allein auf die geförderte Betriebstätte bezogene Auslegung ergebe sich auch nicht etwa durch Umkehrschluß aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 InvZulG 1969, wo es ausdrücklich "im Betrieb des Steuerpflichtigen" heißt.

Das FA habe zwar gewußt, daß die errichtete Betriebstätte von Anfang an verpachtet werden sollte. Im Hinblick darauf, daß die Investitionszulagebescheide gemäß § 100 Abs. 2 AO für vorläufig erklärt worden seien, könnten sie jedoch ungeachtet neuer Tatsachenfeststellungen rückgängig gemacht werden.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung der §§ 1 Absätze 1 und 5, 3 Abs. 5 InvZulG 1969. Sie trägt im wesentlichen folgendes vor:

Die Vorschrift des § 3 Abs. 5 InvZulG 1969 verlange zwar, daß die beweglichen Wirtschaftsgüter drei Jahre lang in der errichteten oder erweiterten Betriebstätte verbleiben. Nicht erforderlich sei jedoch, daß es sich hierbei um die Betriebstätte des Investors handele. Die Anspruchsberechtigung werde durch das Errichten oder Erweitern der Betriebstätte begründet. Durch das Hinzufügen der Worte "des Steuerpflichtigen" in den maßgebenden Rückforderungstatbestand durch das StÄndG 1973 vom 26. Juni 1973 (BGBl I 1973, 676) sei eine materielle Änderung der bisherigen Rechtslage eingetreten. Der mit dem Investitionszulagengesetz bezweckte Erfolg trete auch dann ein, wenn man nur auf die Betriebstätte schlechthin abstelle. Die Klägerin ist ferner der Auffassung, der Begriff der Betriebstätte in § 1 InvZulG 1969 sei weiter als der des § 16 StAnpG. Dementsprechend habe auch ein Steuerpflichtiger, der seinen Betrieb ohne Erklärung der Betriebsaufgabe verpachtet habe, noch eine Betriebstätte i. S. des Investitionszulagengesetzes. Die dreijährige Bindungsfrist beziehe sich darüber hinaus nur auf bewegliche, nicht aber auch auf unbewegliche Wirtschaftsgüter.

Die Klägerin ist im übrigen der Auffassung, daß § 100 Abs. 2 AO im Bereich der Investitionszulage nicht anwendbar sei.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung des FA sowie die Rückforderungsbescheide vom 18. Juli 1974 ersatzlos aufzuheben,

hilfsweise die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und der Rückforderungsbescheide vom 18. Juli 1974.

Die Klägerin war nicht verpflichtet, die streitigen Investitionszulagen zurückzuzahlen.

1. Nach dem im Streitfall maßgebenden § 3 Abs. 5 InvZulG 1969 ist die Investitionszulage zurückzuzahlen, wenn...

[Wegen der weiteren Begründung im einzelnen wird auf die gleichlautenden Ausführungen im Urteil vom 8. Oktober 1976 III R 162/73 (BStBl II 1977, 168) zu 1. und 2. verwiesen.]

3. § 3 Abs. 5 Satz 1 erste Alternative InvZulG 1969 setzt demnach lediglich voraus, daß die Wirtschaftsgüter, deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten bei der Bemessung der Investitionszulage berücksichtigt worden sind, in der errichteten oder erweiterten Betriebstätte verbleiben, ohne daß es sich hierbei zugleich auch um die Betriebstätte des Investors handeln muß. Es kann daher keinen Unterschied machen, ob der Investor die Betriebstätte zunächst selbst betreibt und sie erst dann verpachtet, oder ob er die von ihm errichtete und seinem Anlagevermögen zuzuordnende Betriebstätte unmittelbar nach deren Fertigstellung verpachtet. Dies gilt selbst dann, wenn die Anlage ihre Betriebstätteneigenschaft erst im Rahmen des Unternehmens des Pächters erhält. Wenn nämlich das Investitionszulagengesetz 1969 nur auf das Errichten oder Erweitern einer Betriebstätte, nicht aber zugleich auch darauf abstellt, wer Inhaber dieser Betriebstätte ist, kann es keinen Unterschied machen, ob die Anlage bereits im Unternehmen des Investors (Verpächters) oder erst im Unternehmen des Pächters zur Betriebstätte i. S. des § 16 StAnpG wird.

Stellt die neu errichtete Anlage eine Betriebstätte zumindest des Pächters dar und bleiben die fraglichen Wirtschaftsgüter während des maßgebenden Dreijahreszeitraums in dieser Betriebstätte, so ist der Investor nicht zur Rückzahlung der gewährten Investitionszulage verpflichtet.

4. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung als der Senat ausgegangen. Seine Entscheidung war daher aufzuheben.

Die Sache ist spruchreif. Nach den Feststellungen des FG verpachtete die Klägerin die ...anlage an die B. Diese betrieb die Anlage in der Folgezeit. Damit wurde die Anlage jedenfalls Betriebstätte der B.

Der Senat kann dahingestellt sein lassen, ob die ...anlage auch als Betriebstätte der Klägerin zu betrachten ist. Entscheidend ist, daß die Klägerin eine Anlage errichtet hat, die als Betriebstätte - wenn auch im Rahmen eines anderen Unternehmens - anzusehen ist und diese Anlage von Anfang an dem Anlagevermögen der Klägerin zuzurechnen war.

Da die fraglichen Wirtschaftsgüter damit länger als drei Jahre seit ihrer Anschaffung oder Herstellung in der maßgeblichen Betriebstätte verblieben sind, braucht der Senat nicht darüber zu befinden, ob die gewährte Investitionszulage dann zurückzuzahlen wäre, wenn und soweit unbewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens vor Ablauf des Dreijahreszeitraums aus der Betriebstätte ausscheiden. Ebensowenig bedarf es einer Entscheidung darüber, ob § 100 Abs. 2 AO im Streitfall anwendbar ist. Diese Fragen sind nicht entscheidungserheblich.

Der Revision war daher stattzugeben.

 

Fundstellen

BStBl II 1977, 171

BFHE 1977, 444

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