Leitsatz (amtlich)

Die Investitionszulage kann nicht zurückgefordert werden, wenn der Investor die Betriebstätte innerhalb des Dreijahreszeitraums veräußert und der Erwerber sie während des noch nicht abgelaufenen Teils des Dreijahreszeitraums unverändert und als selbständige Betriebstätte fortführt.

 

Normenkette

InvZulG 1969 §§ 1, 3 Abs. 5

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), die Firma A-KG, B. C. i. L., in S, betrieb bis zum 31. Mai 1972 eine ... fabrik. Im Jahre 1969 erweiterte sie ihre Betriebstätte, indem sie das Betriebsgebäude vergrößerte, Maschinen und Einrichtungen sowie Lieferfahrzeuge anschaffte. Der Aufwand wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft, Bonn, als förderungswürdige Investition im Sinne des InvZulG anerkannt. Durch Bescheid vom 28. Dezember 1970 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) die Investitionszulage für das Jahr 1969 auf 41 567,50 DM fest.

Durch Verträge vom 16. Mai 1972 veräußerte die Klägerin mit Wirkung vom 1. Juni 1972 ihren Betrieb an die P-GmbH in M. Der Betrieb wurde in seinem Bestand am Tage der Übergabe mit Grundstücken nebst Gebäuden und Betriebsvorrichtungen, den gesamten Maschinen, Geräten, Fahrzeugen und Inventar sowie allen mit dem Betrieb verbundenen Schutzrechten, Rezepturen, Geschäftsbeziehungen und immateriellen Wirtschaftsgütern veräußert. Die neue Firma lautet "A, Zweigniederlassung der P-GmbH, in S".

Im Hinblick auf die Betriebsveräußerung vertrat das FA die Auffassung, daß die nach dem 1. Juni 1969 angeschafften beweglichen Wirtschaftsgüter nicht mindestens drei Jahre in der Betriebstätte der Firma A-KG, B. C., verblieben seien und forderte mit Bescheid vom 2. Oktober 1972 gemäß § 3 Abs. 5 Satz 2 InvZulG 1969 (BGBl I 1969, 1211, BStBl I 1969, 477) die für die entsprechenden Aufwendungen gewährte Investitionszulage von 21 528,20 DM zurück.

Gegen den Rückforderungsbescheid erhob die Klägerin mit Zustimmung des FA Sprungklage. Die Klage hatte keinen Erfolg. In seiner in den EFG 1973, 505 veröffentlichten Entscheidung führte das FG im wesentlichen folgendes aus:

Die Voraussetzung des dreijährigen Verbleibens in der Betriebstätte sei auch dann nicht erfüllt, wenn die beweglichen Investitionsobjekte im Rahmen der Veräußerung der gesamten Betriebstätte veräußert würden und bis zum Ablauf des Dreijahreszeitraums in der veräußerten Betriebstätte verblieben. Durch die Bezugnahme des § 3 Abs. 5 Satz 2 InvZulG 1969 auf § 1 dieses Gesetzes ergebe sich, daß die begünstigten Wirtschaftsgüter mindestens drei Jahre lang in der Betriebstätte des Investors verbleiben müßten. Die von der Klägerin begehrte Rechtsfolge lasse sich auch nicht durch einen Umkehrschluß aus dem Wortlaut der §§ 2 Abs. 2 Nr. 1 und 3 Abs. 5 Satz 2 2. Alternative InvZulG 1969 herleiten, wo im Gegensatz zu den §§ 1 Abs. 5 Nr. 1 und 3 Abs. 5 Satz 2 1. Alternative InvZulG 1969 von "Betrieb des Steuerpflichtigen" die Rede sei; denn die Bestimmungen der §§ 1 und 2 InvZulG 1969 verfolgten unterschiedliche Ziele und unterschieden sich insbesondere nach dem geförderten Personenkreis und den Anforderungen an das Bewilligungsverfahren.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 3 Abs. 5 InvZulG 1969. Sie trägt im wesentlichen folgendes vor:

Ein Rückforderungsanspruch sei dann nicht gegeben, wenn die begünstigten Wirtschaftsgüter während des maßgeblichen Dreijahreszeitraums in der errichteten oder erweiterten Betriebstätte verbleiben. Nicht erforderlich sei, daß es sich hierbei um die Betriebstätte des Investors handle. Hierfür spreche die Regelung in § 3 Abs. 5 Satz 2 2. Alternative InvZulG 1969, bei der der Gesetzgeber ausdrücklich auf das Merkmal "Betrieb des Steuerpflichtigen" abstelle. Ihre, der Klägerin, Auffassung werde auch dadurch bestätigt, daß der Gesetzgeber durch das StÄndG 1973 vom 26. Juni 1973 (BGBl I 1973, 676) in den dem Rückforderungstatbestand des § 3 Abs. 5 Satz 2 1. Alternative InvZulG 1969 entsprechenden § 5 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a das Tatbestandsmerkmal "des Steuerpflichtigen" eingefügt habe. Insoweit handle es sich um eine materielle Gesetzesänderung. Ferner sprächen Sinn und Zweck des Investitionszulagengesetzes gegen die Auslegung des FG. Durch die Investitionszulagen solle zur Schaffung zusätzlicher Dauerarbeitsplätze im Zonenrandgebiet beigetragen werden. Dieser Zweck sei erfüllt, und zwar ohne daß es darauf ankomme, wer Inhaber der errichteten oder erweiterten Betriebstätte sei. Ein Mißbrauchsfall läge nicht vor. Aufgrund der besonderen Verhältnisse des Streitfalles habe der Zweck des Investitionszulagengesetzes, die Wirtschaftsförderung, weit eher durch eine Veräußerung der Betriebstätte erreicht werden können. Schließlich könne auch daraus, daß § 19 Abs. 6 BerlinFG weiter gefaßt sei als § 3 Abs. 5 InvZulG 1969 nicht geschlossen werden, daß die begünstigten Wirtschaftsgüter während der Dauer von drei Jahren in der Betriebstätte des Steuerpflichtigen verbleiben müßten.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung und den Rückforderungsbescheid des FA aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Der Bundesminister der Finanzen (BdF) ist dem Verfahren gemäß § 122 Abs. 2 FGO beigetreten. Er ist der Meinung, die Investitionszulage im Sinne des § 1 InvZulG 1969 sei auch dann zurückzuzahlen, wenn begünstigte bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens vor Ablauf des Dreijahreszeitraums im Rahmen der Veräußerung der begünstigten Betriebstätte veräußert würden. Dies stehe sowohl mit dem Gesetzeswortlaut als auch mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes in Einklang.

Für die Streitfrage komme es entscheidend darauf an, ob die Vorschrift des § 1 Abs. 5 Nr. 1 InvZulG 1969 die Anschaffungs- oder Herstellungskosten auch solcher im Zusammenhang mit der Errichtung oder Erweiterung einer Betriebstätte angeschaffter oder hergestellter beweglicher Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens als Bemessungsgrundlage der Investitionszulage zulasse, die vor Ablauf von drei Jahren nach ihrer Anschaffung oder Herstellung im Rahmen der Veräußerung dieser Betriebstätte veräußert werden. Aus der sachlich notwendigen Zusammenfassung der Regelungen des § 1 Abs. 1 und Abs. 5 InvZulG 1969 ergebe sich, daß auch § 1 Abs. 5 Nr. 1 InvZulG 1969 nicht nur objekt-, sondern auch personenbezogen sei. Dementsprechend könne ein Steuerpflichtiger, der fristgerecht für begünstigungsfähige bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens eine Investitionszulage nach § 1 Abs. 1 InvZulG 1969 beantragt habe, keine Investitionszulage erhalten, wenn er vor deren Auszahlung und vor Ablauf der Dreijahresfrist die von ihm errichtete Betriebstätte veräußere. Für Fälle, in denen die Veräußerung der Betriebstätte nach Auszahlung der Investitionszulage stattfinde, könne nichts anderes gelten, weil es völlig unverständlich und mit dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung unvereinbar wäre, beide Fälle unterschiedlich zu behandeln. Habe der Investor für die fraglichen Wirtschaftsgüter bereits eine Investitionszulage erhalten, so sei sie ihm insoweit wegen Nichterfüllung der Anspruchsvoraussetzungen des § 1 Abs. 5 Nr. 1 InvZulG 1969 zu Unrecht gewährt worden und von ihm insoweit zurückzuzahlen. § 3 Abs. 5 Satz 2 InvZulG 1969 begründe keinen eigenständigen Rückforderungsanspruch, der ausschließlich objektbezogen sei.

Der BdF ist weiter der Auffassung, daß seine Auslegung im Einklang mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes stehe und dem gesetzgeberischen Willen entspreche. Zwar solle die Gewährung von Investitionszulagen nach § 1 InvZulG 1969 zu einer durchgreifenden Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur und insbesondere zur Schaffung zusätzlicher Dauerarbeitsplätze in den förderungsbedürftigen Gebieten beitragen. Im Gegensatz zu § 19 BerlinFG habe der Gesetzgeber jedoch zur Verhütung von Mißbräuchen ein dreijähriges Verbleiben der begünstigten Wirtschaftsgüter in "der" Betriebstätte, worunter nur die Betriebstätte des Investors zu verstehen sei, zur Voraussetzung für die Begünstigung gemacht. Da die vorstehende Auslegung nur in seltenen Ausnahmefällen zur Versagung der Investitionszulage führen dürfte, werde deshalb die Erreichung des Gesetzeszwecks durch diese Auslegung nicht gefährdet.

Die Neufassung in § 5 Abs. 5 Satz 2 InvZulG durch Art. 3 StÄndG 1973 stelle keine materielle Rechtsänderung dar; es handle sich hierbei vielmehr um "Verbesserungen und Klarstellungen technischer oder redaktioneller Art, die sich bei der bisherigen Anwendung des Gesetzes als notwendig oder zweckmäßig erwiesen haben". Dies komme in der Begründung zu Art. 3 des Gesetzentwurfs (vgl. Bundestagsdrucksache 7/419 S. 17, rechte Spalte, letzter Absatz) zum Ausdruck.

Gegen die von der Klägerin vertretene Auffassung spreche, daß dabei die Nachprüfung des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen erheblich erschwert wäre; denn in die Prüfung müßte auch der Betrieb des Erwerbers der Betriebstätte einbezogen werden. Hieraus würde sich die Gefahr von Mißbräuchen und Umgehungen ergeben. Würde die Veräußerung begünstigter beweglicher Anlagegüter im Rahmen einer Betriebstättenveräußerung innerhalb der Dreijahresfrist für unschädlich angesehen werden, so würde es im übrigen vom Verhalten eines anderen als des Investors abhängen, ob die dem Investor gewährte Investitionszulage diesem endgültig verbleibe. Dieses Ergebnis ist nach Auffassung des BdF außerordentlich unbefriedigend.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und des Rückforderungsbescheides vom 2. Oktober 1972. Die Klägerin war nicht verpflichtet, die streitige Investitionszulage zurückzuzahlen.

1. Nach dem im Streitfall maßgebenden § 3 Abs. 5 InvZulG 1969 ist die Investitionszulage zurückzuzahlen,

a) wenn nach ihrer Auszahlung festgestellt wird, daß die Voraussetzungen für ihre Gewährung nicht oder nur zum Teil vorgelegen haben, und zwar insoweit, als sie zu Unrecht gewährt worden ist;

b) wenn Wirtschaftsgüter, deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten bei der Bemessung der Investitionszulage berücksichtigt worden sind, nicht mindestens drei Jahre seit ihrer Anschaffung oder Herstellung im Fall des § 1 InvZulG 1969 in der Betriebstätte verblieben sind.

Es handelt sich hierbei um zwei selbständige, voneinander unabhängige Rückforderungstatbestände. Soweit in § 3 Abs. 5 Satz 2 1. Alternative durch die Worte "im Fall des § 1" auf § 1 InvZulG 1969 verwiesen wird, dient dies lediglich der Kennzeichnung der Investitionsart, nämlich der allgemeinen betrieblichen Investition im Zonenrandgebiet, in den Bundesausbaugebieten und in den Bundesausbauorten im Unterschied zu den speziellen Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen im Sinne des § 2 InvZulG 1969. Dieser Kennzeichnung bedurfte es deshalb, weil bei den genannten Investitionsarten zwar unterschiedliche Bindungsvoraussetzungen vorliegen, beim Fehlen dieser Voraussetzungen aber die gleiche Rechtsfolge des § 3 Abs. 5 Satz 2 InvZulG 1969 eintritt. Die Regelung enthält keine Verweisung auf die Voraussetzungen des § 1 InvZulG 1969.

2. Das FA hat im Streitfall seinen Rückforderungsanspruch damit begründet, daß die begünstigten Wirtschaftsgüter nicht mindestens drei Jahre seit ihrer Anschaffung oder Herstellung in der Betriebstätte der Klägerin verblieben seien. Entgegen der Auffassung des FA und des FG kommt es jedoch nicht darauf an, daß die begünstigten Wirtschaftsgüter in der Betriebstätte der Klägerin verblieben sind.

a) Der Wortlaut des § 3 Abs. 5 Satz 2 InvZulG 1969 ist hinsichtlich des Begriffs der Betriebstätte, in der die begünstigten Wirtschaftsgüter während des Dreijahreszeitraums verbleiben müssen, nicht eindeutig. Das Gesetz bedarf insoweit der Auslegung.

Entgegen der Auffassung des FG kann nämlich unter dem in § 3 Abs. 5 Satz 2 1. Alternative InvZulG 1969 verwendeten Begriff "der Betriebstätte" nicht nur ausschließlich die Betriebstätte des Investors verstanden werden. Nach Ansicht des Senats liegt es im Bereich des möglichen Wortsinns der Vorschrift, wenn unter dem streitigen Begriff die errichtete oder erweiterte Betriebstätte schlechthin, d. h. als steuertechnische Einrichtung, losgelöst von der Person des Investors, verstanden wird.

b) Unter mehreren, dem Wortsinn nach möglichen Auslegungen verdient grundsätzlich diejenige den Vorzug, die in Übereinstimmung mit dem Sinnzusammenhang des Gesetzes steht und damit die Wahrung der sachlichen Übereinstimmung mit anderen Bestimmungen ermöglicht. Ein solcher Zusammenhang besteht insbesondere zwischen § 3 Abs. 5 Satz 2 1. Alternative InvZulG 1969 und § 1 Abs. 5 InvZulG 1969, und zwar insofern, als eine Rückforderung nur dann möglich ist, wenn Voraussetzungen, die für die Höhe der Bemessungsgrundlage maßgebend gewesen sind, nicht vorgelegen haben. Auch § 1 Abs. 5 InvZulG 1969 fordert seinem Wortlaut nach nur ein Verbleiben "in der Betriebstätte". In der für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage maßgeblichen Vorschrift fehlt demnach gleichfalls ein Hinweis auf den Betriebstätteninhaber. Dem entspricht es, daß das Investitionszulagengesetz 1969 hinsichtlich des Objektes auf das Investitionsvorhaben als solches abstellt (vgl. Urteil des BFH vom 16. Juli 1976 III R 158/73, BFHE 119, 543, BStBl II 1976, 757). Eine Personenbezogenheit der Betriebstätte läßt sich hieraus nicht herleiten.

Für die Annahme, daß die begünstigten Wirtschaftsgüter während des Bindungszeitraums nur in der errichteten oder erweiterten Betriebstätte verbleiben müssen, und zwar unabhängig davon, wer Inhaber dieser Betriebstätte ist, spricht der Umstand, daß in der 2. Alternative des § 3 Abs. 5 Satz 2 InvZulG 1969, der auf § 2 InvZulG 1969 verweist, im Gegensatz zur 1. Alternative ausdrücklich die Worte "des Steuerpflichtigen" eingefügt sind. Die §§ 1 und 2 InvZulG 1969 verfolgen zwar unterschiedliche Ziele und unterscheiden sich insbesondere nach dem geförderten Personenkreis und den Anforderungen an das Bewilligungsverfahren. Gleichwohl hätte es nahegelegen, die genannte Einschränkung auch in die 1. Alternative aufzunehmen, wenn der Gesetzgeber die Einschränkung bei den allgemeinen betrieblichen Investitionen des § 1 InvZulG 1969 hätte machen wollen.

Obwohl sich aus den in unmittelbarem Zusammenhang mit § 3 Abs. 5 Satz 2 1. Alternative InvZulG 1969 stehenden Vorschriften nicht zwingend eine Verknüpfung zwischen Betriebstätte und Investor herleiten läßt, verkennt der Senat jedoch nicht, daß einige Regelungen des Gesetzes darauf hinzudeuten scheinen, der Gesetzgeber habe eine solche Verbindung angestrebt. So können nach § 1 Abs. 1 InvZulG 1969 nur Steuerpflichtige im Sinne des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes, die den Gewinn aus Gewerbebetrieb aufgrund ordnungsmäßiger Buchführung ermitteln, eine Investitionszulage erhalten. Für eine Verknüpfung zwischen Betriebstätte und Investor könnte auch die sogenannte Prosperitätsklausel in § 1 Abs. 3 InvZulG 1969 sprechen, die sich allerdings nur auf die sogenannten Umstellungs- und Rationalisierungsinvestitionen des § 1 Abs. 3 InvZulG 1969, nicht jedoch auf Investitionen, wie sie die Klägerin getätigt hat, bezieht.

Schließlich könnte allenfalls für eine personelle Bindung der Betriebstätte an den Investor sprechen, daß die Erteilung der nach § 1 Abs. 4 InvZulG 1969 erforderlichen Bescheinigung über die volkswirtschaftliche Förderungswürdigkeit des Investitionsvorhabens mit Auflagen an den Investor verbunden werden kann. Die genannten Regelungen lassen jedoch weder für sich allein gesehen noch in ihrer Gesamtheit den zwingenden Schluß zu, aus dem Sinnzusammenhang ergebe sich eine Bindung der Betriebstätte an den Steuerpflichtigen, der sie errichtet oder erweitert hat. Hierzu fehlt es an der erforderlichen Klarheit und Eindeutigkeit.

c) Die Auffassung des Senats wird auch durch die vom Gesetzgeber verfolgten Zwecke gestützt.

Die Investitionszulage dient einer durchgreifenden Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur. Durch sie soll vor allem zur Schaffung zusätzlicher Dauerarbeitsplätze im Zonenrandgebiet, in den Bundesausbaugebieten und in den Bundesausbauorten beigetragen werden, die als Ersatz für durch den Struckturwandel freigesetzte Arbeitskräfte und für eine krisenfeste Struktur dieser Räume unbedingt notwendig sind (vgl. Bundestagsdrucksache V/3890, S. 18). Diese Zielsetzung erfordert entgegen der Auffassung des BdF nicht eine dreijährige personelle Verknüpfung zwischen der Betriebstätte und dem Steuerpflichtigen, der sie errichtet oder erweitert hat. Der Zweck des Gesetzes kann durchaus auch dann erreicht werden, wenn die fraglichen Wirtschaftsgüter während des maßgeblichen Dreijahreszeitraums tatsächlich im Rahmen der errichteten oder erweiterten Betriebstätte zur Verfügung stehen, ohne daß es auf die Person des Inhabers der Betriebstätte ankommt. Entscheidend ist, daß eine Betriebstätte errichtet oder erweitert worden ist, die der Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur dient und in der neue, zusätzliche Dauerarbeitsplätze geschaffen werden. Damit ist der Zweck des Gesetzes bereits erfüllt. Es kann im übrigen sogar gerade der Erreichung des gesetzgeberischen Zieles förderlich sein, wenn der Investor die Betriebstätte nicht selbst betreibt, sondern sie - beispielsweise aus Krankheitsgründen - als Ganzes veräußert oder sie aus betriebswirtschaftlichen Überlegungen auf einen Dritten überträgt, der sie wirkungsvoller zu führen in der Lage ist.

d) Ein Vergleich mit § 19 Abs. 2 BerlinFG führt nicht zwingend zu einem anderen Ergebnis. Soweit § 3 Abs. 5 Satz 2 1. Alternative InvZulG 1969 im Gegensatz zu § 19 Abs. 2 BerlinFG nicht von "einer", sondern von "der" Betriebstätte spricht, läßt sich hieraus zwar das Erfordernis der Identität der Betriebstätte herleiten, nicht jedoch auch, daß der Gesetzgeber das Verbleiben der begünstigten Wirtschaftsgüter in der Betriebstätte des anschaffenden oder herstellenden Steuerpflichtigen voraussetzt.

e) Da nach der gegebenen gesetzlichen Regelung es lediglich erforderlich ist, daß die Wirtschaftsgüter in der errichteten oder erweiterten Betriebstätte verbleiben, kann ein Mißbrauch nicht schon darin gesehen werden, daß die Betriebstätte im ganzen auf einen Dritten übergeht und dieser sie fortführt. Unabhängig davon kann eine Fallgestaltung, die den Zweck des Gesetzes erfüllt, nicht als Mißbrauch angesehen werden.

f) Die vom Senat vertretene Rechtsauffassung führt zwar dazu, daß es im Falle einer Veräußerung der Betriebstätte regelmäßig vom Verhalten eines anderen als des Investors abhängt, ob die dem Investor gewährte Investitionszulage diesem endgültig verbleibt. Sie führt ferner dazu, daß die Nachprüfung des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen erschwert wird. Eine Aussage, die dreijährige Verbindung zwischen Investor, Betriebstätte und begünstigten Wirtschaftsgütern sei aus Gründen eines einfachen verwaltungsmäßigen Vollzugs und einer einfachen Überwachung des Verbleibs der begünstigten Wirtschaftsgüter geboten, läßt sich jedoch dem Gesetz nicht entnehmen.

g) Setzt § 3 Abs. 5 Satz 2 1. Alternative InvZulG 1969 nicht voraus, daß die Wirtschaftsgüter während des maßgeblichen Dreijahreszeitraums in der Betriebstätte des Investors verbleiben, so stellt die Neufassung in § 5 Abs. 5 Satz 2 InvZulG durch Art. 3 StÄndG 1973 trotz der gegenteiligen Begründung im Schriftlichen Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags (Drucksache 7/592, zu Artikel 2 InvZulG) keine Klarstellung, sondern eine materielle Rechtsänderung dar.

3. Dementsprechend kommt es für die Entscheidung der Frage, ob die gewährte Investitionszulage zurückzuzahlen ist, entscheidend darauf an, ob die Wirtschaftsgüter während des maßgeblichen Dreijahreszeitraums in der errichteten oder erweiteren Betriebstätte verblieben sind. Da die Veräußerung der Betriebstätte nicht zur Beendigung der bisherigen und zur Errichtung einer neuen Betriebstätte führt, ist diese Voraussetzung auch dann erfüllt, wenn der Investor die Betriebstätte vor Ablauf der Dreijahresfrist im ganzen veräußert und der Erwerber sie unverändert als selbständige Betriebstätte fortführt.

4. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung als der Senat ausgegangen. Seine Entscheidung war daher aufzuheben.

Die Sache ist spruchreif. Nach den Feststellungen des FG hat die Klägerin ihren Betrieb im ganzen an die P-GmbH in M veräußert. Die Erwerberin hat den Betrieb während der Restlaufdauer der Dreijahresfrist als selbständige Zweigniederlassung weitergeführt. Damit sind die Wirtschaftsgüter, deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten bei der Bemessung der Investitionszulage berücksichtigt worden sind, mindestens drei Jahre seit ihrer Anschaffung oder Herstellung in der maßgeblichen Betriebstätte verblieben. Der Revision war daher stattzugeben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72177

BStBl II 1977, 168

BFHE 1977, 438

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge