Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage: Lieferung im Inland oder Lieferung im Ausland?

 

Normenkette

UStG § § 1, 3/1, § 3/6; UStDB §§ 1-2, 4

 

Tatbestand

Die Steuerpflichtige war durch die schlechte Frachtenlage gezwungen, ihr Motorschiff im Jahre 1958 aufzulegen. Das seegehende Frachtschiff hatte regelmäßig im Freihafen festgemacht. Aus Platzmangel im Freihafen wurde dem Schiff im Inlandshafen ein Platz zugewiesen. Verhandlungen, das Schiff in freier Fahrt an eine andere Reederei zu verkaufen, blieben erfolglos. Schließlich wurde das Schiff an eine Abwrackwerft, die in einem anderen Teil des Inlandshafens gelegen war, verkauft und auf der überführungsfahrt im Freihafen dem Käufer übergeben. Die Abwrackwerft ist vom Liegeplatz des Schiffes nur über den Freihafen erreichbar.

Das Finanzamt hat die Lieferung des Schiffes in Anwendung des Urteils des Bundesfinanzhofs V 185/54 U vom 30. September 1954 (BStBl 1954 III S. 355, Slg. Bd. 59 S. 378) als steuerpflichtige Inlandslieferung beurteilt.

Die Steuerpflichtige und auch das Finanzgericht im Sprungberufungsverfahren halten die Grundsätze des angeführten Urteils V 185/54 U auf den Streitfall wegen erheblicher Abweichungen im Tatbestand nicht für anwendbar.

 

Entscheidungsgründe

Hiergegen richtet sich die Rb. des Vorstehers des Finanzamts; sie ist nicht begründet.

Eine Lieferung wird dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet (ß 4 UStDB). Unstreitig ist die Verfügungsmacht über das Schiff im Freihafen, d. h. im umsatzsteuerlichen Ausland (ß 1 UStDB), auf den Erwerber übergegangen. Das geltende Umsatzsteuerrecht kennt nur noch Lieferungen im Inland und Lieferungen im Ausland. Auch bei Lieferungen "vom Inland her in das Inland", die nach früherem Recht als Inlandslieferungen galten (vgl. § 7 Abs. 2 UStDB 1926) ist regelmäßig nur auf den Ort abzustellen, an dem die Verfügungsmacht übergegangen ist. Bei dieser klaren, im bewußten Gegensatz zur früheren durch das UStG 1934 geänderten, jetzt bestehenden Rechtslage werden die in einem Ausnahmefall entwickelten Grundsätze des oben angeführten Urteils V 185/54 U nur mit großer Vorsicht auf ähnlich liegende Fälle angewendet werden können. So handelte es sich in jedem Falle um Fischdampfer, die ausgedient hatten und die nur noch abgewrackt werden konnten. Zum anderen hatten diese Fischdampfer auch in der Zeit ihres bestimmungsmäßigen Gebrauchs ihre üblichen Liegeplätze ständig im Inland. Im Streitfalle handelt es sich um ein noch seetüchtiges Schiff, das ursprünglich auch als solches veräußert werden sollte. Die Steuerpflichtige hat überzeugend vorgetragen, daß unter diesen Umständen der übliche Liegeplatz der Freihafen gewesen sei; sie hat durch Vorlage von Bescheinigungen der zuständigen Stelle auch nachgewiesen, daß ihr ein Liegeplatz im Freihafen nur wegen des seinerzeit regen Umschlagverkehrs, der aus wirtschaftlichen Gründen Vorrang genieße, verwehrt worden sei, und daß ihr der für ein Schiff dieser Größe ungewöhnliche Liegeplatz im Inland (Fischereihafen) nur entgegen ihrem Wunsche und unter Inkaufnahme erheblicher Erschwernisse zugewiesen worden war. Man wird deshalb den Freihafen entgegen der Ansicht der Rb. trotz der verhältnismäßig langen Zeit des Aufliegens im Inland noch als üblichen Liegeplatz ansehen können. Die Akten ergeben aber, daß bei einem üblichen Liegeplatz im Freihafen auch die Verwaltung die übergabe des Schiffes im Freihafen oder auf hoher See steuerlich anerkennt. Zumindest wird man bei der gegebenen Sachlage nicht von einer bewußten Tatbestandsvermeidung sprechen können. Das hier in Rede stehende Motorschiff war nur durch eine zeitweilig bedingte Zwangslage in das Inland gelangt. Wenn man weiter berücksichtigt, daß das Schiff auf dem Wege vom Verkäufer zum Käufer zwangsläufig den Freihafen passieren mußte, ist kein Grund ersichtlich, weshalb der übergabe im Freihafen die steuerliche Anerkennung versagt werden sollte.

Da die Vorentscheidung hiernach einen Rechtsirrtum nicht erkennen läßt, war die Rb. mit der Kostenfolge des § 309 AO als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

BStBl III 1963, 430

BFHE 1964, 303

BFHE 77, 303

StRK, UStG:1/1 R 258

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