Leitsatz (amtlich)

1. Ein mit Zustimmung des Ehegatten gestellter Antrag auf Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs nach den Grundsätzen des § 26 c EStG 1971 kann grundsätzlich nicht als gemeinsame Wahl der besonderen Veranlagung für das Jahr der Eheschließung nach § 26 Abs. 2 Satz 2 EStG 1971 angesehen werden.

2. Ein Lohnsteuer-Jahresausgleich nach den Grundsätzen des § 26 c EStG 1971 ist auch dann durchzuführen, wenn die Ehegatten sich nach der Heirat im Ausgleichsjahr die Steuerklasse IV auf der Lohnsteuerkarte haben eintragen lassen.

 

Normenkette

EStG 1971 § 26 Abs. 2, § 26 c; JAV 1971 § 5 Abs. 2 Nr. 3

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) bezog im Streitjahr 1972 ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Seine Ehefrau, mit der er am 19. September 1972 die Ehe schloß, hatte ebenfalls im Jahr 1972 nur Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der Kläger ließ mit Wirkung vom Tage der Eheschließung seine Lohnsteuerkarte 1972, in der die Steuerklasse I eingetragen war, durch Eintragung der Steuerklasse IV ergänzen. Der Kläger und seine Ehefrau beantragten nach Ablauf des Streitjahres die Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs nach den Grundsätzen des § 26 c des Einkommensteuergesetzes 1969 (EStG). § 5 Abs. 2 Nr. 3 der Verordnung über den Lohnsteuer-Jahresausgleich 1971 (JAV). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt – FA –) veranlagte den Kläger statt dessen nach § 26 c EStG unter Anwendung der Einkommensteuer-Grundtabelle zur Einkommensteuer 1972 (besondere Veranlagung). Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage begehrte der Kläger die Aufhebung des Einkommensteuerbescheids 1972 und die Verpflichtung des FA zur Durchführung des beantragten Lohnsteuer-Jahresausgleichs. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus: Der Kläger habe sich für den Lohnsteuerabzug als Verheirateter nach den Grundsätzen der Zusammenveranlagung (§ 26 EStG) behandeln lassen. Dadurch habe sich im Vergleich zu einer Besteuerung wie bei Ledigen eine niedrigere Lohnsteuer ergeben, die im Lohnsteuer-Jahresausgleich nicht nachgeholt werden könne. Falls er nunmehr im Lohnsteuer-Jahresausgleich die Anwendung der Grundsätze des § 26 c EStG verlange, müsse er deshalb zur Einkommensteuer veranlagt werden. Eine Veranlagung sei stets geboten, wenn durch den Lohnsteuerabzug eine zu geringe Steuer abgeführt worden sei. Der Kläger könne nicht durch die Wahl des besonderen Lohnsteuer-Jahresausgleichs nach den Grundsätzen des § 26 c EStG eine Einkommensteuer-Veranlagung vermeiden. Anderenfalls ergäbe sich eine Lücke in der gesetzlichen Regelung.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt der Kläger sinngemäß die Verletzung der §§ 26, 26 c und 46 EStG und führt im wesentlichen aus: Die Ergänzung der Lohnsteuerkarte durch Eintragung der Steuerklasse IV binde ihn nicht an eine bestimmte Form des Lohnsteuer-Jahresausgleichs oder der Einkommensteuerveranlagung. Eine Gesetzeslücke bestehe nicht; der Gesetzgeber habe die sich durch die Einführung des § 26 c EStG im Bereich des § 46 EStG und für den Lohnsteuer-Jahresausgleich ergebenden Änderungen in § 46 Abs. 2 Nr. 5 EStG und in § 5 Abs. 2 Nr. 3 JAV berücksichtigt.

Der Kläger beantragt, nach Aufhebung der Vorentscheidung der Klage stattzugeben.

Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, der Einspruchsentscheidung und des angefochtenen Einkommensteuerbescheids.

Als Verheirateter konnte der Kläger zur Einkommensteuer einzeln nur veranlagt werden, wenn er und seine Ehefrau für das Streitjahr, dem Jahr ihrer Eheschließung, die Veranlagung nach den Grundsätzen des § 26 c EStG wählten (§ 26 Abs. 2 Satz 2 EStG) und die Veranlagung nach den Vorschriften des § 46 Abs. 1 und 2 EStG nicht ausgeschlossen war (§ 25 Abs. 1 EStG).

Schon die erste Voraussetzung zur Veranlagung ist nicht gegeben. Der Kläger und seine Ehefrau haben für das Streitjahr die Veranlagung nach § 26 c EStG nicht gewählt. Der Antrag des Klägers auf Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs nach den Grundsätzen des § 26 c EStG und die Zustimmung seiner Ehefrau hierzu können wegen der grundsätzlichen Verschiedenheit des lediglich auf eine Steuererstattung gerichteten Lohnsteuer-Jahresausgleichs und des Veranlagungsverfahrens, das die Festsetzung der auf die Gesamteinkünfte entfallenden Einkommensteuer beinhaltet, nicht als gemeinsame Wahl der Veranlagung nach den Grundsätzen des § 26 c EStG angesehen werden. Im gleichen Sinn hat der Bundesfinanzhof (BFH) bereits entschieden, daß ein Antrag auf Durchführung des gemeinsamen Lohnsteuer-Jahresausgleichs keine Wahl der Zusammenveranlagung sei und der Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich im Gegenteil den Willen erkennen lasse, eine Einkommensteuerveranlagung werde nicht gewünscht (Urteil vom 9. Juni 1971 I R 51/69, BFHE 103, 53, BStBl II 1971, 734).

Entgegen der Auffassung des FG enthalten das EStG und die Vorschriften der JAV auch keine Lücke. Daß sich Steuernachforderungen ergeben können, wenn bei Ehegatten im abgelaufenen Jahr die Lohnsteuer nach den für Verheiratete geltenden Steuerklassen einbehalten worden ist, die Ehegatten aber im Veranlagungsverfahren oder im Lohnsteuer-Jahresausgleich beantragen, wie Unverheiratete behandelt werden, hat der Gesetzgeber erkannt und, wie sich aus § 42 Abs. 2 Nr. 4 letzter Satz EStG (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 2 JAV) ergibt, dadurch geregelt, daß die Lohnsteuererstattung für die Ehegatten gemeinsam festgestellt wird. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber eine Steuernachforderung nicht gewollt.

Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen; die Vorentscheidung war deshalb aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Voraussetzungen für die Einkommensteuerveranlagung des Klägers für das Jahr 1972 sind nicht gegeben. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid i. d. F. der Einspruchsentscheidung wird deshalb ersatzlos aufgehoben.

Das FA hat auf Grund fehlerhafter Rechtsauffassung den Antrag des Klägers auf Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs 1972 noch nicht beschieden. Da der Kläger hierauf einen Rechtsanspruch hat, war die Verpflichtung des FA auszusprechen, diesen Antrag des Klägers zu bescheiden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 510636

BFHE 1978, 520

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