Aufforderung zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung

Fordert die Finanzbehörde zur Abgabe einer Steuererklärung auf, ist man hierzu verpflichtet. Folgt darauf zwingend eine Einkommensteuerveranlagung?

Beispiel: Die Lohnsteuer-Außenprüfung stellte fest, dass der Bruttoarbeitslohn eines Arbeitnehmers für 2019 zu erhöhen ist, weil ein bisher als steuerfrei behandelter Betrag steuerpflichtig sei. Der Arbeitnehmer hat die Steuerklasse I und sein in vom 1.1.2019 bis 31.12.2019 erzielter Bruttoarbeitslohn betrug 50.000 EUR, welcher dem Lohnsteuerabzug unterworfen wurde. Weitere Einnahmen erzielte der Arbeitnehmer nicht.

Aufforderung durch Finanzamt

Das Finanzamt forderte den Arbeitnehmer daraufhin nach § 149 Abs. 1 Satz 2 AO auf, für 2019 eine Steuererklärung abzugeben. Dem kam der Arbeitnehmer nach. Das Finanzamt veranlagte den Arbeitnehmer und forderte eine Nachzahlung. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens begründete das Finanzamt sein Vorgehen mit der Steuerpflicht der Zahlungen an den Arbeitnehmer.

Niedersächsisches FG unterscheidet zwischen Aufforderung und Veranlagung

Nach Auffassung des Niedersächsischen FG durfte das Finanzamt aber keine Veranlagung durchführen (Urteil v. 20.6.2022, 4 K 136/20, soweit ersichtlich rechtskräftig). Im Grundsatz werden Steuerpflichtige gemäß § 25 Abs. 1 EStG nach Ablauf des Kalenderjahres zur Einkommensteuer veranlagt. Die gesetzliche Regelung steht aber ausdrücklich unter dem Vorbehalt, dass nicht – ausnahmsweise – eine Veranlagung nach § 46 EStG unterbleibt.

Nach § 46 Abs. 2 EStG wird eine Veranlagung zur Einkommensteuer nur unter weiteren Voraussetzungen durchgeführt, wenn das Einkommen ganz oder teilweise aus Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit besteht, von denen ein Steuerabzug vorgenommen worden ist. Eine Veranlagung ist konkret nur dann möglich, wenn entweder die Voraussetzungen einer sog. Amtsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 EStG oder diejenigen einer Antragsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG vorliegen.

Steuerabzug ist entscheidend

Hinsichtlich der Frage, ob ein Steuerabzug von den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit vorgenommen worden ist, kommt es dabei nur darauf an, ob tatsächlich ein Lohnsteuerabzug vorgenommen wurde, nicht hingegen, ob die Lohnsteuer in der richtigen Höhe erhoben wurde Sofern Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit dem Grunde nach vorliegen, scheidet die Anwendung des § 46 Abs. 2 EStG darum insbesondere dann aus, wenn ein Steuerabzug insgesamt unterblieben ist. Hier wurde aber ein Steuerabzug vorgenommen, auch wenn nicht in der richtigen Höhe. Da auch die Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 Nr. 1 bis 8 EStG nicht vorliegen, durfte der Arbeitnehmer nicht zur Einkommensteuer veranlagt werden.  

Hieran ändert auch die Aufforderung zur Abgabe der Steuererklärung nichts. Eine Aufforderung ist zwar ohne weiteres möglich, allein, um die Möglichkeit zur Nachprüfung, ob ein Fall der Amtsveranlagung vorliegt, einzuräumen. Gleichwohl folgt hieraus nicht, ob zur Einkommensteuer veranlagt werden darf. Denn es ist zwischen der Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung einerseits und der Möglichkeit, eine Veranlagung durchzuführen andererseits, zu unterscheiden. Aus der bloßen Pflicht, eine Steuererklärung abzugeben, folgt nicht, dass diese auch im Wege der Veranlagung in einen Bescheid umzusetzen ist.  

Abschließend weist das FG daraufhin, dass ein Einkommensteuerbescheid auch nicht in einen Lohnsteuernachforderungsbescheid (Haftung) umgedeutet werden darf.