Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Gesellschaftsteuerrechtlich kann die Finanzierung von Teilen des Umlaufvermögens durch Eigenkapital in der Regel nicht gefordert werden (Abweichung von dem Urteil des Reichsfinanzhofs II A 175/38 vom 25. April 1939, BB 1952 S. 192).

 

Normenkette

KVStG § 3 Abs. 1, § 2 Ziff. 5

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Mindestsaldo eines bei dem Hauptgesellschafter unterhaltenen Kontokorrentkredits eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung ersetzt hat, obwohl das Anlagevermögen der Bfin. an den Stichtagen voll durch Eigenkapital gedeckt war.

Die beschwerdeführende GmbH (Bfin.), die Handelsgeschäfte betreibt, ist aus der Zweigniederlassung einer Kapitalgesellschaft hervorgegangen. Seit dem 15. August 1955 ist diese Kapitalgesellschaft die Alleingesellschafterin der Bfin. Zwischen der Bfin. und ihrer Gesellschafterin besteht schon seit der Gründung ein Ergebnisausschließungsvertrag.

Das Stammkapital der Bfin. beträgt 250.000 DM. Die Hauptgesellschafterin brachte in Anrechnung auf ihre Stammeinlage ihre frühere Zweigniederlassung mit allen Aktiven und Passiven auf Grund der Bilanz zum 1. Januar 1954 in die Gesellschaft ein. Soweit der Bilanzwert der eingebrachten Gegenstände nach Abzug der Verbindlichkeiten die übernommene Stammeinlage überstieg, wurde dieser Betrag, der sich auf 1.471.582 DM belief, der Gesellschafterin auf einem Verrechnungskonto gutgeschrieben. über dieses Konto wurden auch die sonstigen Geschäftsvorfälle zwischen der Bfin. und ihrer Haupt- bzw. Alleingesellschafterin verbucht. Da die Bfin. einen großen Teil der Waren von ihrer oder über ihre Gesellschafterin bezieht, betrafen die weiteren Buchungen auf diesem Konto im wesentlichen diese Vorgänge. Der Saldo dieses Verrechnungskontos betrug, abgerundet auf volle tausend DM, am

31. Dezember 1953 ---------- 1.471 31. Dezember 1954 --------- 1.515 23. April 1955 -------------- 510 31. Dezember 1955 ---------- 1.664 29. Februar 1956 --------- ./. 269 31. Dezember 1956 ---------- 1.284.Nach den Unterlagen der Bfin. betrugen in den Jahren 1954 bis 1956 (abgerundet auf volle tausend DM)

------------------------- 1954 ----- 1955 ----- 1956 das Anlagevermögen ------ 151 ------ 171 ------ 337 das Eigenkapital -------- 213 ------ 450 ------ 388 die Lagervorräte -------- 794 ----- 1.146 ---- 1.675 der Umsatz ------------- 7.156 --- 8.988 --- 8.744.Da das Verrechnungskonto im wesentlichen eine ständige Verschuldung der Bfin. gegenüber ihrer Alleingesellschafterin auswies, ist das Finanzamt der Auffassung, daß eine gesellschaftsteuerpflichtige Darlehnsgewährung der Alleingesellschafterin von mindestens 510.000 DM vorliege. Es setzte hiernach die Gesellschaftsteuer auf 15.300 DM fest.

Die Sprungberufung, zu der der Vorsteher des Finanzamts rechtzeitig seine Einwilligung erteilte, blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht, das von der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift des § 3 Abs. 1 des Kapitalverkehrsteuergesetzes 1934/1955 (KVStG) ausging, entschied, daß der der Bfin. eingeräumte Kredit als mittel- oder langfristig gewährt anzusehen sei. Der Kredit könne auch nicht als üblicher Warenkredit gewertet werden, da er im Zuge fortlaufender Warenlieferungen fortwährend - und zwar über Jahre hinaus - gegeben worden sei. Um sich seinem Zweck entsprechend betätigen zu können, benötige ein Handelsunternehmen außer den Anlagewerten auch einen Grundstock an Waren, Geld, Guthaben usw. In welcher Höhe das Umlaufvermögen neben dem Anlagevermögen durch Eigenkapital gedeckt sein müsse, lasse sich nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall sagen.

Im Streitfall genüge die das Anlagevermögen der Bfin. deckende Eigenkapitalausstattung der Bfin. nicht, wenn man berücksichtige, daß die Bfin. jährliche Umsätze zwischen sieben und fast neun Millionen DM getätigt und ein Umlaufvermögen zwischen rund 2.370.000 DM und rund 3.341.000 DM gehabt habe. Das Finanzamt habe unter diesen Umständen den Eigenkapitalbedarf der Bfin. noch günstig beurteilt.

Mit der Rb. macht die Bfin. geltend, daß ihre Verschuldung bei ihrer Gesellschafterin fast ausschließlich auf laufenden Warenbezügen beruhe, so daß der Schuldsaldo aus kurzfristig revolvierenden Warenkrediten bestehe, die zudem normal verzinst würden. Im übrigen sei ein Unternehmen, bei dem das Anlagevermögen voll durch Eigenkapital gedeckt werde, gesund und krisenfest. Es sei auch unlogisch, wenn das Finanzgericht mit dem Finanzamt den Firmenwert mit 700.000 DM bewerte, diesen Wert aber bei der Berechnung des Eigenkapitals außer Ansatz lasse.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist begründet.

Zunächst sei bemerkt, daß die von der Bfin. in der Vorinstanz erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken nicht begründet sind. Wie das Bundesverfassungsgericht im Beschluß 2 BvL 1/59 vom 10. Oktober 1961 (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 13 S. 153 ff., BStBl 1961 I S. 716) ausgesprochen hat, war § 3 Abs. 1 KVStG in der Fassung vom 22. September 1955 (BGBl I S. 590, BStBl 1955 I S. 558) mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar. Da der Inhalt dieser Bestimmung dem der Vorschrift des § 3 Abs. 1 KVStG in der Fassung vom 16. Oktober 1934 (RGBl 1934 I S. 1058, RStBl 1934 S. 1314) in vollem Umfang entspricht, muß für die zuletzt genannte Bestimmung das gleiche gelten.

Es fragt sich daher, ob der der Bfin. gewährte Kontokorrentkredit eine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung ersetzt hat. Das wäre nach der vom Bundesverfassungsgericht in dem oben erwähnten Beschluß vom 10. Oktober 1961 aus verfassungsrechtlicher Sicht gebilligten ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats in der Regel dann der Fall, wenn der Kredit für Investitionszwecke verwendet wird, es sich bei dem Darlehen um einen mittel- oder langfristigen Kredit handelt und die Deckung des Investitionsbedarfs der Gesellschaft aus eigenen Mitteln nicht möglich ist (vgl. die Urteile des Bundesfinanzhofs II 156/57 U vom 1. August 1962, BStBl 1962 III S. 472, 474 rechte Spalte oben, Slg. Bd. 75 S. 560, und II 195/58 U vom 24. Januar 1963, BStBl 1963 III S. 213, 215).

Unstreitig hat die Bfin. den Kredit nicht für Investitionen verwendet, so daß im Streitfall der Hauptanwendungsbereich der Vorschrift des § 3 Abs. 1 KVStG 1934 ausscheidet. Die Gesellschafterin hat der Bfin. einen Kredit eingeräumt, der sich von einem weithin üblichen Dreimonatskredit bei Warenlieferungen nicht wesentlich unterscheidet. Zu Unrecht beruft sich der Vorsteher des Finanzamts für seine gegenteilige Auffassung auf das Urteil des Reichsfinanzhofs II A 67/26 vom 19. Februar 1926 (Mrozek-Kartei, Kapitalverkehrsteuergesetz, § 6 zu c, Rechtsspruch 35). Zwar kann - darin ist ihm zuzustimmen - der Hinweis auf die Möglichkeit, den Kredit von dritter Seite zu bekommen, die Steuerpflicht nicht grundsätzlich ausschließen; ebensowenig kann aber die Tatsache der Inanspruchnahme eines Gesellschafterkredits allein die Steuerpflicht begründen. Die Bfin. hat mit ihrer Bemerkung in der Rechtsbeschwerdebegründung, daß eine Firma mit unbelastetem Anlagevermögen und vertrauenswürdiger Leitung sowohl für Bank- als auch Lieferantenkredite kreditfähig sei, nur ausführen wollen, daß der ihr eingeräumte Kontokorrentkredit den Rahmen eines üblichen Warenkredits nicht überschritten habe. Dem ist zuzustimmen. Ist das aber der Fall und ist das Anlagevermögen voll durch Eigenkapital gedeckt, war die Zuführung von weiterem Eigenkapital nicht geboten.

Dem Finanzgericht kann nicht darin gefolgt werden, wenn es fordert, daß bei Handelsunternehmen in der Regel nicht nur das Anlagevermögen, sondern auch ein Teil des Umlaufvermögens durch Eigenkapital gedeckt werde. Dieser auch vom Reichsfinanzhof in dem nicht zur Veröffentlichung bestimmt gewesenen Urteil II A 175/38 vom 25. April 1939 (Der Betriebs-Berater 1952 S. 192) vertretenen Ansicht ist der erkennende Senat des Bundesfinanzhofs nie gefolgt.

Bei der Auslegung des § 3 Abs. 1 KVStG kann nicht daran vorbeigegangen werden, daß der Gesetzgeber, wie aus § 2 Ziff. 5 KVStG 1934/1955 (vgl. jetzt § 2 Nr. 6 KVStG 1959) folgt, in der Regel die Zuführung von Betriebskapital, also Umlaufvermögen (vgl. insoweit das Urteil des Bundesfinanzhofs II 162/54 S vom 5. April 1955, BStBl 1955 III S. 153, Slg. Bd. 60 S. 399, 400 Abs. 3 der Gründe), nur bei inländischen Niederlassungen ausländischer Kapitalgesellschaften erfassen wollte. Es ist nicht anzunehmen, daß der Gesetzgeber bei dem Sondertatbestand des § 2 Ziff. 5 KVStG 1934 die Zuführung von Betriebs- (Umlauf-) Vermögen ausdrücklich und ohne jeden Zusatz erwähnt hätte, wenn er die Zuführung von Umlaufvermögen auch bei den anderen Tatbeständen (ß 3) ganz oder zum Teil erfaßt wissen wollte.

überdies hat das Bundesverfassungsgericht in den Gründen des schon angeführten Beschlusses vom 10. Oktober 1961 (B II Nr. 3 Buchst. b am Ende) ausgeführt, daß die Verwendung des im § 3 Abs. 1 KVStG enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffes der durch die Sachlage gebotenen Kapitalzuführung dazu dient, den Steuertatbestand einzuengen und damit die Steuerpflicht zu begrenzen, nicht aber sie zu erweitern. Dieser Rechtsansicht, die der erkennende Senat teilt, würde es auch unter Berücksichtigung der für die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs nach dem Beschluß maßgebenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise (B II Nr. 3 Buchst. c, Abs. 2) widersprechen, wollte man bei voller Deckung des Anlagevermögens durch Eigenkapital auch noch in der Regel die Deckung eines Teils des Umlaufvermögens verlangen. Nur außergewöhnliche Umstände können es bei den besonderen Verhältnissen eines Unternehmens ausnahmsweise angezeigt erscheinen lassen, auch gesellschaftsteuerrechtlich einen Eigenkapitaleinsatz fordern zu müssen, der höher ist als der Wert des Anlagevermögens und seiner etwa beabsichtigten Erweiterung (vgl. in diesem Sinne schon die Urteile des Bundesfinanzhofs II 20/58 U vom 28. November 1962, BStBl 1963 III S. 126, II 72/59 vom 26. Oktober 1962, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1963 Nr. 140 S. 142, und II 53/60 vom 21. Dezember 1962, HFR 1963 Nr. 142 S. 144). Ein derartiger Ausnahmefall liegt im Streitfall nicht vor.

Nach alledem sind die Vorentscheidungen aufzuheben; die Bfin. ist von der Gesellschaftsteuer freizustellen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410822

BStBl III 1963, 366

BFHE 1964, 133

BFHE 77, 133

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