Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerermäßigung beim Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr

 

Leitsatz (NV)

Verluste aus dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr i. S. des § 34 c Abs. 4 EStG sind vorrangig mit den Gewinnen aus dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr auszugleichen (Bestätigung des Urteils vom 30. September 1965 IV 99/64 S, BFHE 84, 179, BStBl III 1966, 66).

 

Normenkette

EStG § 34c Abs. 4

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war im Streitjahr 1990 an sechs Schiffahrtsunternehmen beteiligt, die Handelsschiffe im internationalen Verkehr i. S. des § 34 c Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) betrieben. Die ausländischen Einkünfte des Klägers hieraus wurden für 1990 jeweils mit 80 % der Gewinne oder Verluste einheitlich und gesondert festgestellt.

Der Kläger und seine mit ihm zusammen veranlagte Ehefrau (Klägerin und Revisionsbeklagte) beantragten bei der Einkommensteuerveranlagung 1990, die ausländischen Einkünfte aus den Schiffahrtsbeteiligungen, soweit sie Gewinn auswiesen, gemäß § 34 c Abs. 4 EStG ermäßigt zu besteuern und die ausländischen Einkünfte aus den verlustausweisenden Schiffsbeteiligungen mit anderen Einkünften zu verrechnen. Dem folgte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) nicht, sondern verrechnete zunächst die positiven und negativen ausländischen Schiffahrtseinkünfte und wandte nur auf den positiven Saldo hieraus den ermäßigten Steuersatz an (vgl. Erlaß des Bundesministeriums der Finanzen -- BMF -- vom 5. April 1976 IV B 2 -- S 2293 -- 6/76, BStBl I 1976, 261).

Die Klage hatte Erfolg. Die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) ist veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1994, 971.

Das FA rügt mit seiner Revision Verletzung des § 34 c Abs. 4 EStG und beantragt, unter Aufhebung des Urteils des FG die Klage als unbegründet abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

Die positiven ausländischen Einkünfte aus dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr sind mit negativen ausländischen Einkünften derselben Art zu saldieren. Nur der danach verbleibende positive Saldo unterliegt gemäß § 34 c Abs. 4 EStG der Steuerermäßigung. Dies entspricht der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, die in der Literatur, soweit ersichtlich, nur Zustimmung gefunden hat (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 30. September 1965 IV 99/64 S, BFHE 84, 179, BStBl III 1966, 66; vom 28. November 1973 I R 21/72, BFHE 111, 399, BStBl II 1974, 378; Lüdicke in Flick/Wassermeyer/Becher, Kommentar zum Außensteuerrecht, § 34 c EStG Rdnr. 201; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 34 c EStG Rdnr. 39; Hellwig in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, § 34 c Rdnr. 44; Birkholz/Längsfeld in Lademann/Söffing, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 34 c Rdnr. 11; wohl auch Krabbe in Blümich, Einkommensteuergesetz, § 34 c Rdnr. 128). Der Senat sieht keinen Grund, von der bisherigen Rechtsprechung abzuweichen.

1. Einkünfte aus dem Betrieb einer Reederei sind Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 EStG. Gewinne und Verluste, die aus dem Einsatz einzelner Schiffe resultieren, gleichen sich bei der Gewinnermittlung nach den §§ 4, 5 EStG aus. Allerdings sind zum Zweck der Ermittlung der Steuerermäßigung nach § 34 c Abs. 1 bis 5 EStG die inländischen und ausländischen Einkünfte voneinander abzugrenzen. Zu den ausländischen Einkünften im Sinne dieser Norm gehören gemäß § 34 d Nr. 2 c EStG die Einkünfte, die durch den Betrieb eigener oder gecharterter Seeschiffe oder Luftfahrzeuge aus der Beförderung zwischen ausländischen oder von ausländischen zu inländischen Häfen erzielt werden. Ob innerhalb dieser ausländischen Einkünfte nach § 34 d Nr. 2 c EStG noch einmal die nach § 34 c Abs. 4 EStG begünstigten dergestalt auszugrenzen sind, daß die nicht begünstigten Einkünfte aus ausgeflaggten Schiffen vorrangig mit anderen nicht begünstigten Einkünften auszugleichen sind (so zu § 34 EStG BFH-Urteil vom 29. Juli 1966 IV 299/65, BFHE 86, 486, BStBl III 1966, 544; vgl. auch Beschluß des Großen Senats des BFH vom 15. Juli 1968 GrS 2/67, BFHE 93, 75, BStBl II 1968, 666; Flick/Wassermeyer/Becher, a.a.O., § 34 c Rdnr. 197), kann im Streitfall offenbleiben. Betreibt ein Steuerpflichtiger mehrere nach § 34 c Abs. 4 EStG begünstigte Handelsschiffe, besteht jedenfalls nach dem Wortlaut des § 34 c Abs. 4 EStG keine Möglichkeit, von dem allgemeinen Grundsatz der Einkunftsermittlung abzuweichen, wonach auch ausländische Einkünfte aus einem Gewerbebetrieb einheitlich zu ermitteln sind. Dieser Grundsatz gilt in dem gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Anliegen, die Besteuerung der Mitunternehmer der des Einzelunternehmers anzugleichen, auch für einen Steuerpflichtigen, der an mehreren Mitunternehmerschaften beteiligt ist, die begünstigte Einkünfte i. S. des § 34 c Abs. 4 Satz 2 EStG erzielen.

Sollte § 34 c Abs. 4 EStG -- seinem Zweck widersprechend -- die Ausflaggung verlustbringender Handelsschiffe im internationalen Verkehr steuerlich in der Weise begünstigen, daß die Verluste aus ausgeflaggten Schiffen vorrangig nicht mit den ermäßigt zu besteuernden Einkünften verrechnet werden können, so bleibt es Sache des Gesetzgebers, diese Unstimmigkeit zu bereinigen.

2. Aus der Tatsache, daß durch das Zweite Steueränderungsgesetz (2. StÄndG) 1973 in § 34 c Abs. 4 Satz 4 EStG der Begriff "Einkünfte" durch "Gewinn" ersetzt wurde, ergibt sich nichts anderes. Gewinn im steuerlichen Sinn kann ein positiver oder negativer sein und erfaßt daher auch Verluste. Dementsprechend wurden auch im Bericht des Finanzausschusses, in dem die Änderung des § 34 c Abs. 4 Satz 4 EStG eingefügt wurde, die Begriffe "Gewinn" und "Schiffahrtseinkünfte" synonym verwendet (vgl. BTDrucks 7/1860 und 7/1871).

Zwar weisen die Kläger zu Recht darauf hin, daß § 34 c Abs. 4 eine Tarifvorschrift ist. Wenn das Gesetz in § 34 c Abs. 4 Satz 4 EStG aber die Höhe der ausländischen Einkünfte auf 80 % des "Gewinns des Gewerbebetriebs" begrenzt, so ist dies eine Regelung, die erkennbar an dem Gewinnbegriff des § 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG anknüpft, nicht aber unmittelbar die Höhe der Tarifermäßigung festlegt (ebenso BFH in BFHE 84, 179, BStBl III 1966, 66).

3. Gegenteiliges wird auch nicht in dem Bericht eines Expertengremiums beim Bundesverkehrsministerium vertreten (ebenso der Auszug aus dem Handelsblatt vom 21. Juni 1994). Wenn aus verkehrs- und wirtschaftspolitischen Gründen eine stärkere steuerliche Entlastung der inländischen Flagge geboten erscheint, so ist dies eine Frage, wie de lege ferenda zu verfahren ist. So spricht auch der bezeichnete Bericht im Zusammenhang mit der Saldierung positiver und negativer Einkünfte von einer "politischen Zielsetzung" und "steuerpolitischen Maßnahme". Eine solche politische, vom Gesetz abweichende Regelung zu treffen, ist der Rechtsprechung versagt (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes).

4. Der Streitfall bot keinen Anlaß, das BMF zum Beitritt aufzufordern. Ein Beitritt des Bundesverkehrsministeriums ist gesetzlich nicht vorgesehen (vgl. § 122 Abs. 2 FGO; vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 122 Rdnr. 5).

 

Fundstellen

BFH/NV 1995, 874

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