Leitsatz (amtlich)

1. Der Gewinn aus der Veräußerung einer zum Betriebsvermögen einer natürlichen Person gehörenden Beteiligung mit 100 v. H. an einer Kapitalgesellschaft gehört zum Gewerbeertrag.

2. Der Gewinn aus der Veräußerung dieser Beteiligung ist kein von der Kapitalgesellschaft ausgeschütteter Gewinn im Sinne von § 9 Nr. 2a GewStG.

 

Normenkette

GewStG §§ 7, 9 Nr. 2a

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Gewinn aus der Veräußerung einer zum Betriebsvermögen des Revisionsklägers (Steuerpflichtiger) gehörenden Beteiligung mit 100 v. H. an einer Kapitalgesellschaft zum Gewerbeertrag im Sinne von § 7 GewStG gehört bzw. ob eine entsprechende Kürzung des Gewerbeertrags gemäß § 9 Nr. 2a GewStG vorzunehmen ist.

Der Steuerpflichtige war alleiniger Gesellschafter einer GmbH. Die Geschäftsanteile im Nennwert von 200 000 DM standen bei ihm im Streitjahr mit dem Nennwert zu Buch. Mit Vertrag vom 12. März 1966 verkaufte der Steuerpflichtige die gesamten Geschäftsanteile an der GmbH zum Preis von 3 150 000 DM an die Firma C. B. KG. Die GmbH war bis zur Veräußerung der Anteile Organ des Steuerpflichtigen gewesen. Ein Ergebnisabführungsvertrag war vereinbart.

Den Gewinn des Steuerpflichtigen aus der Veräußerung der Anteile an der GmbH von 2 927 590 DM bezog der Revisionsbeklagte (FA) entgegen dem Antrag des Steuerpflichtigen in den Gewinn aus Gewerbebetrieb ein.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Das FG begründete seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt:

Der Gewinn des Steuerpflichtigen aus der Beteiligungsveräußerung sei Teil seines laufenden Gewinns aus Gewerbebetrieb gewesen; er sei nicht durch die Veräußerung eines Teilbetriebs des Steuerpflichtigen angefallen. Der Gewinn habe auch nicht nach § 9 Nr. 2a GewStG vom Gewerbeertrag gekürzt werden können. Durch die Anfügung von § 16 Abs. 1 Nr. 1 zweiter Halbsatz EStG im Rahmen des StÄndG 1965 habe sich nichts daran geändert, daß der Gewinn aus der Veräußerung einer solchen Beteiligung gewerbesteuerlich laufender, innerhalb eines bestehenden Gewerbebetriebs erzielter Gewinn sei. Der Gesetzgeber sei bei dieser Änderung des EStG davon ausgegangen, daß eine Beteiligung, die das gesamte Nennkapital einer Kapitalgesellschaft erfasse, wirtschaftlich einem Teilbetrieb gleichkomme. Um für die Einkommensteuer die Gewinne aus der Veräußerung einer solchen Beteiligung ebenso zu stellen wie die Gewinne aus der Veräußerung eines Teilbetriebes, habe der Gesetzgeber bestimmt, daß eine solche Beteiligung als Teilbetrieb gelte. Dieser Regelung sei die rechtliche Erkenntnis vorgegeben, daß die Beteiligung nach einkommensteuerlicher Systematik ohne eine solche Regelung kein Teilbetrieb sein würde. Erst durch die gesetzgeberische Fiktion, die an dem vorgegebenen rechtlichen Sachverhalt als solchem nichts ändere, würden beide Tatbestände für die Einkommensteuer gleichbehandelt. Diese Fiktion habe jedoch keine Geltung im Gewerbesteuerrecht. Beide Steuerrechtsgebiete seien durch besondere, in sich abgeschlossene Gesetze geregelt. § 7 GewStG enthalte keine Bezugnahme auf § 16 Abs. 1 Nr. 1 zweiter Halbsatz EStG. Da im StÄndG 1965 auch das GewStG geändert worden sei, habe die ausdrückliche Ausdehnung der Fiktion auf das Gewerbesteuerrecht nahegelegen, sie sei aber unterblieben. Auch eine analoge Anwendung von § 16 Abs. 1 Nr. 1 zweiter Halbsatz EStG für die Gewerbesteuer scheide aus. Die gesetzgeberische Erwägung, die der Anfügung dieser Vorschrift zugrunde liege, und die Erwägungen, die in der Rechtsprechung dazu geführt hätten, Gewinne aus der Veräußerung von Betrieben und Teilbetrieben von natürlichen Personen und Personengesellschaften vom Gewerbeertrag auszunehmen, entsprächen einander nicht. Zweck des § 16 Abs. 1 Nr. 1 zweiter Halbsatz EStG sei es, möglichen Härten der Tarifprogression bei der Einkommensteuer entgegenzuwirken. Zur Erreichung dieses Zwecks habe sich der Gesetzgeber des Mittels der (singulären) Fiktion bedient. Zweck der gewerbesteuerlichen Rechtsprechung sei es demgegenüber, im Wege der Gesetzesauslegung abzugrenzen, inwieweit noch eine gewerbliche Tätigkeit im Rahmen eines bestehenden Gewerbebetriebes vorliege. Beide Zwecke seien nicht miteinander vergleichbar. Im Wege richterlicher Rechtsfindung lasse sich daher der Rechtssatz der (singulären) Fiktion nicht in den Zusammenhang der aus anderen rechtlichen Überlegungen entwickelten Rechtsprechung über die Behandlung von Veräußerungsgewinnen im Gewerbesteuerrecht übertragen.

Desgleichen scheide eine Kürzung gemäß § 9 Nr. 2a GewStG um den Gewinn aus der Veräußerung der Beteiligung an der GmbH aus, weil insoweit keine Gewinne im Sinne der genannten Vorschrift an Anteilen aus einer Kapitalgesellschaft vorlägen. Diese habe den Zweck, für Gewinne, die eine Kapitalgesellschaft an schachtelbeteiligte Gesellschafter ausschütte, die doppelte Belastung mit Gewerbeertragsteuer zu vermeiden. Diese Bestimmung sei das für das Gewerbesteuerrecht geschaffene Gegenstück zum körperschaftsteuerlichen Schachtelprivileg (§ 9 KStG). Beide Normen stimmten darin überein, daß nur von der Kapitalgesellschaft ausgeschüttete Gewinnanteile begünstigt würden. Der Gewinn aus der Veräußerung an einer Kapitalgesellschaft sei jedoch kein von der Kapitalgesellschaft ausgeschütteter Gewinn, sondern entstehe mit der Veräußerung originär bei dem Gesellschafter. Er sei nicht identisch mit Gewinnen, die die Kapitalgesellschaft als solche erwirtschaftet habe.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision, mit der sich der Steuerpflichtige erneut dagegen wendet, den Gewinn aus der Veräußerung der 100 %igen Beteiligung an der GmbH dem Gewerbeertrag nach § 7 GewStG zuzurechnen, hilfsweise, eine entsprechende Kürzung des Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 2a GewStG abzulehnen, ist nicht begründet.

Die Vorentscheidung läßt jedenfalls eine Verletzung des geltenden Rechts nicht erkennen. Zu Recht hat die Vorinstanz den Gewinn aus der Veräußerung der zum Betriebsvermögen gehörenden Beteiligung an der GmbH, ungeachtet des Umstandes nach § 7 GewStG als Gewerbeertrag behandelt, daß nach der durch das StÄndG 1965 mit Wirkung vom 1. Januar 1965 in § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG eingefügten Ergänzung eine derartige 100 %ige Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft als Teilbetrieb gilt. Die hier streitige Frage ist höchstrichterlich noch nicht entschieden. Die Rechtsprechung der FG vertritt ebenso wie überwiegend das Schrifttum die Auffassung, daß die Ergänzung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG lediglich als eine auf das Einkommensteuerrecht beschränkte, auf Milderung der Progression bedachte Fiktion anzusehen und nicht im Gewerbesteuerrecht anwendbar ist (vgl. Urteile des FG Baden-Württemberg, Außensenate Stuttgart, V 189/68 vom 27. August 1969, EFG 1970, 10; des FG Hamburg III 108/68 vom 4. August 1970, EFG 1970 573; des Niedersächsischen FG IV 62/68 vom 22. Juli 1970, EFG 1970, 620; Lenski-Steinberg, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, Anm. 15 zu § 7; Blümich-Boyens-Steinbring-Klein-Hübl, Gewerbesteuergesetz, Anm. 9 zu § 7; Schmidt, Der Betrieb 1969 S. 9 - DB 1969, 9 -; a. A. Böttcher/Krahmer, DB 1968, 1372).

Der Steuerpflichtige kann sich insoweit nicht darauf berufen, daß nach der Rechtsprechung und nach der überwiegenden Meinung im Schrifttum Gewinne aus der Veräußerung eines ganzen Gewerbebetriebes oder eines Teilbetriebes bei Unternehmen, die von natürlichen Personen oder Personengesellschaften betrieben werden, nicht zum Gewerbeertrag gehören. Dies beruht ausschließlich auf der Erwägung, daß die Gewerbesteuer entsprechend ihrem objektsteuerartigen Charakter nur den laufenden Ertrag eines Gewerbebetriebes, nicht hingegen Vorgänge vor Beginn und nach Beendigung der gewerblichen Tätigkeit erfaßt. Wenn § 7 GewStG auf den nach den Vorschriften des EStG und des KStG zu ermittelnden Gewinn Bezug nimmt, so ist damit nicht gesagt, daß die in § 16 oder § 24 EStG genannten Einkünfte schlechthin nicht zum Gewerbeertrag gehören. Denn selbst, wenn damit auf die §§ 4 bis 7 EStG verwiesen wäre, könnte dies an der Steuerpflicht der in § 16 EStG genannten Gewinne, soweit sie laufender Ertrag sind, nichts ändern. Denn diese Steuerpflicht ergibt sich bereits aus den §§ 4 bis 7 EStG, denen gegenüber § 16 EStG nicht konstitutiv wirkt, sondern neben einer klarstellenden Funktion lediglich die Aufgabe hat, diejenigen Gewinne zu umschreiben, die nach § 34 EStG tarifbegünstigt oder nach § 16 Abs. 4 EStG einkommensteuerfrei sein sollen (vgl. Urteil des BFH VI 25/61 U vom 28. Juli 1961, BFH 73, 464, BStBl III 1961, 436, auch Schmidt, a. a. O.). Hieraus folgt, daß eine Erweiterung des § 16 EStG mit dem Ziel, ebenso wie die bisher in § 16 EStG erfaßten Gewinne nur mit dem ermäßigten Steuersatz nach § 34 Abs. 1 EStG zu versteuern, nicht ohne weiteres eine Gewerbesteuerfreiheit der neu in § 16 EStG einbezogenen Gewinne begründen kann. Daß der Wille des Gesetzgebers offensichtlich nicht dahin ging, erhellt daraus, daß der Gesetzgeber bei der Ergänzung des § 16 EStG sich lediglich einer Fiktion bedient, um zu einer Gleichstellung der Veräußerung einer zum Betriebsvermögen gehörenden 100 %igen Beteiligung mit der Teilbetriebsveräußerung zu kommen. Die 100 %ige Beteiligung gilt insoweit nur als Teilbetrieb, ist aber kein solcher. Es kann daher der Verkauf der Beteiligung an der GmbH einer Teilbetriebsveräußerung im Sinne einer teilweisen Einstellung der gewerblichen Tätigkeit des veräußernden Unternehmens nicht gleichgestellt werden. Der Gewinn aus der Veräußerung der Beteiligung ist daher Bestandteil des laufenden Gewinns des veräußernden Betriebs und als solcher Gegenstand der Gewerbeertragsteuer.

Ebensowenig kann sich der Steuerpflichtige darauf berufen, daß der Gewerbeertrag gemäß § 9 Nr. 2a GewStG um den sich aus der Veräußerung der Beteiligung ergebenden Gewinn zu kürzen ist. Die genannte Vorschrift sieht eine Kürzung der Gewinne aus Anteilen an einer nicht steuerbefreiten inländischen Kapitalgesellschaft im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 2 GewStG vor, an der das Unternehmen zu Beginn des Erhebungszeitraums mindestens zu einem Viertel am Grund- oder Stammkapital beteiligt ist, wenn die Gewinnanteile bei Ermittlung des Gewinns (§ 7 GewStG) angesetzt worden sind. Aus dieser Fassung des Gesetzes ergibt sich eindeutig, daß nur von der Kapitalgesellschaft ausgeschüttete Gewinnanteile begünstigt sein sollen. Zutreffend weist die Vorinstanz darauf hin, daß der Gewinn aus der Veräußerung der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft kein von der Kapitalgesellschaft ausgeschütteter Gewinn im Sinne der genannten Vorschrift ist. Der Gewinn aus der Veräußerung entsteht originär bei dem Gesellschafter; er ist nicht identisch mit Gewinnen, die die Kapitalgesellschaft erwirtschaftet hat. Das vom Steuerpflichtigen für sich in Bezug genommene Urteil IV 340/64 vom 28. Mai 1968 (BFH 93, 91, BStBl II 1968, 688) betrifft einen anderen Sachverhalt als den vorliegenden. Hierbei ging es um die Abzugsfähigkeit eines Gewerbeverlustes bei der Rückumwandlung einer aus einer Betriebsaufspaltung hervorgegangenen Betriebs-GmbH auf die Besitzpersonengesellschaft (§ 10a GewStG), nicht aber um die Frage der Begünstigung des Gewinns aus einer Beteiligungsveräußerung im Sinne des § 9 Nr. 2a GewStG.

 

Fundstellen

BStBl II 1972, 468

BFHE 1972, 31

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