Leitsatz (amtlich)

Ein Arzt, der als Gutachter in seinen Abrechnungen anstelle des ihm nach § 8 Abs.2 ZuSEntschG zustehenden Ausgleichsbetrags ausdrücklich Umsatzsteuer gesondert ausweist, schuldet diese Umsatzsteuer nach § 14 Abs.3 UStG 1967.

 

Orientierungssatz

1. Der in § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG 1967 angeordnete Ausschluß der Kleinunternehmer von der Berechtigung zum gesonderten Steuerausweis liefe im Fall seiner Verletzung leer, wenn er nicht mit der Vorschrift des § 14 Abs. 3 UStG 1967 bewehrt wäre (vgl. BFH-Beschluß vom 26.1.1978 V B 15/77). Ein Fall rechtsirrtümlichen oder versehentlichen gesonderten Steuerausweises bei nichtsteuerbaren oder steuerfreien Leistungen, der von § 14 Abs. 2 UStG 1967 mit der Möglichkeit der Rechnungsberichtigung (vgl. BFH-Urteil vom 7.5.1981 V R 126/75) erfaßt wird, lag im Streitfall nicht vor. Auch war nicht auf eine Rechnungsberichtigung aus Billigkeitsgründen einzugehen (vgl. UStR Abschn. 190 Abs. 3).

2. NV: Richtet sich das Klageverfahren nur gegen die Festsetzung von Umsatzsteuer, so ist das FG-Urteil aufzuheben, wenn das FG so entschieden hat, als hätte es eine Ermessensentscheidung der Verwaltung (hier: Billigkeitserlaß) zu prüfen, überdies ist wegen der sog. Zweigleisigkeit von Veranlagungsverfahren und Billigkeitsverfahren eine Entscheidung über Billigkeitsmaßnahmen selbst dann nicht zulässig, wenn wegen Einengung der Ermessensgrenzen nur eine bestimmte Entscheidung in Betracht kommt (vgl. BFH-Rechtsprechung).

 

Normenkette

UStG 1967 § 14 Abs. 1-3, § 19 Abs. 1; ZuSEG § 8 Abs. 2; UStR Abschn. 190 Abs. 3; FGO § 102; AO 1977 §§ 5, 163 Abs. 1, § 348 Abs. 1 Nr. 2

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war in den Streitjahren 1968 bis 1974 als Arzt hauptberuflich nichtselbständig tätig, zusätzlich war er Gutachter für Gerichte. Die Umsätze aus der Gutachtertätigkeit überstiegen in den Streitjahren 60 000 DM jährlich nicht. Der Kläger stellte den Gerichten für seine Leistungen Abrechnungen aus, in denen er die Umsatzsteuer mit 4 v.H. offen auswies. Er erklärte dazu im Klageverfahren, es handle sich um den Ausgleichsbetrag gemäß Art.3 Buchst.b des Gesetzes zur Anpassung von Kostengesetzen an das Umsatzsteuergesetz vom 20.Dezember 1967 (BGBl I, 1246). Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) veranlagte den Kläger aufgrund des Umsatzsteuerausweises auch, soweit seine Umsätze den Umsatzfreibetrag des § 19 Abs.2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1967 nicht überschritten.

Mit dem Einspruch machte der Kläger geltend, § 14 Abs.3 UStG 1967 setze grundsätzlich einen Mißbrauch voraus. Ein solcher liege aber nicht vor. Er habe in den Abrechnungen vielmehr den Ausgleichsbetrag irrtümlich als Umsatzsteuer bezeichnet. Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück.

Mit der Klage beantragte der Kläger, die Umsatzsteuer für die Jahre 1968 bis 1972 auf null DM, für 1973 auf 22 DM und für 1974 auf 153,60 DM festzusetzen.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt (Urteil vom 26.Oktober 1977). ++/ Zur Begründung führte das Gericht im wesentlichen aus: § 14 Abs.3 UStG 1967 sehe im Gegensatz zu § 14 Abs.2 eine Berichtigung des Steuerbetrags nicht vor. Das schließe aber nicht einen Erlaß aus sachlichen Billigkeitsgründen gemäß § 163 der Abgabenordnung (AO 1977) aus. Die entsprechend in § 131 der Reichsabgabenordnung (AO) gegebene Möglichkeit hätten die Beteiligten im außergerichtlichen Vorverfahren nicht in Betracht gezogen. Die Voraussetzungen für einen Erlaß aus sachlicher Billigkeit lägen hier vor. Es handle sich um einen Überhang des gesetzlichen Tatbestands über die Wertungen des Gesetzgebers. Entgegen der Auffassung des FA spreche nichts dafür, daß der Gesetzgeber bei der Fassung des § 14 Abs.3 UStG 1967 einen Einzelfall der vorliegenden Art vor Augen gehabt habe. Im Schrifttum sei anerkannt, daß im Hinblick auf die scharfe Regelung der Vorschrift deren (offensichtlich mißglückter) Wortlaut nicht überbewertet werden dürfe. Die strengere Behandlung eines versehentlich unberechtigten Steuerausweises durch § 14 Abs.3 UStG 1967 als die eines bewußt zu hohen Steuerausweises durch § 14 Abs.2 UStG 1967 mit der Berichtigungsmöglichkeit nach § 17 Abs.1 UStG 1967 müsse als sinnwidrig bezeichnet werden. Vorliegend sei dem Steuergläubiger durch den auf einem Versehen im Ausdruck beruhenden Steuerausweis in den maßgebenden Rechnungen nichts verloren gegangen. Ein FG könne zwar grundsätzlich von sich aus einen Erlaß nicht aussprechen. Hier sei jedoch das von der Finanzverwaltung auszuübende Ermessen derart eingeengt, daß eine andere Entscheidung als der Ausspruch eines Erlasses nicht denkbar sei. Nach § 163 Abs.1 Satz 3 AO 1977 könne die Entscheidung über die abweichende Festsetzung mit der Steuerfestsetzung verbunden werden. /++

Mit der Revision rügt das FA, das FG habe verkannt, daß vorliegend ein Mißbrauchstatbestand i.S. des § 14 Abs.3 UStG 1967 gegeben sei, ähnlich dem vom Bundesfinanzhof (BFH) mit Beschluß vom 26.Januar 1978 V B 15/77 (BFHE 124, 264, BStBl II 1978, 394) entschiedenen Fall. Ein Erlaß der Umsatzsteuer aus sachlicher Billigkeit sei daher nicht gerechtfertigt. Letzterer könne insbesondere nicht auf die versehentliche Verwendung des Begriffs Umsatzsteuer in der Rechnung gestützt werden.

++/ Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet. /++

 

Entscheidungsgründe

++/ Die Revision des FA ist begründet. Denn das FG hat so entschieden als hätte es eine Ermessensentscheidung der Verwaltung zu prüfen (§ 102 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), ohne daß eine solche Gegenstand des Verfahrens war (vgl. dazu BFH-Urteil vom 12.Juni 1986 V R 75/78, BFHE 146, 569, BStBl II 1986, 721, mit Nachweisen).

1. Das FG-Urteil war aufzuheben. Das Klageverfahren richtete sich nur gegen die Steuerfestsetzung. Nach der sich aus § 163 Abs.1 Satz 1 i.V.m. § 348 Abs.1 Nr.2 AO 1977 ergebenden sog. Zweigleisigkeit von Veranlagungs- und Billigkeitsverfahren war überdies eine Entscheidung über Billigkeitsmaßnahmen im Klageverfahren über die Steuerfestsetzung nicht mehr zulässig --und zwar selbst dann nicht, wenn wegen Einengung der Ermessensgrenzen nur eine bestimmte Billigkeitsentscheidung in Betracht kam-- (vgl. BFH-Urteil vom 18.September 1981 VI R 44/77, BFHE 134, 149, BStBl II 1981, 801, mit Nachweisen, für den Fall der Ermessenseinengung bei der Prüfung haftungsweisen Inanspruchnahme). Diese Neuregelung der AO 1977 erfaßte nach Art.97 § 1 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung 1977 (EGAO 1977) alle zur Zeit ihres Inkrafttretens am 1.Januar 1977 anhängigen Verfahren.

2. Die Sache ist spruchreif. Die Klage war abzuweisen. /++

Das FA hat zutreffend nach § 14 Abs.3 UStG 1967 gegen den Kläger Umsatzsteuer festgesetzt. Nach § 8 Abs.1 Nr.4 des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZuSEntschG) i.d.F. vom 21.September 1963, BGBl I 1963, 745; hier: i.d.F. des Anpassungsgesetzes vom 20.Dezember 1967 sowie in der Neufassung vom 1.Oktober 1969, BGBl I 1969, 1757, wird einem Sachverständigen die auf seine Entschädigung entfallende Umsatzsteuer ersetzt. Ein Sachverständiger, der als Unternehmer nach den allgemeinen Vorschriften des UStG 1967 versteuert, kann somit Umsatzsteuer gesondert in Rechnung stellen.

Für den Kläger, der als sog. Kleinunternehmer nach § 19 Abs.1 bis 3 UStG 1967 versteuerte und demgemäß nach § 19 Abs.1 Satz 2 UStG 1967 vom gesonderten Steuerausweis ausgeschlossen war, gilt nach der Regelung des § 8 Abs.2 ZuSEntschG dessen oben zitierter Absatz 1 Nr.4 nicht, wenn sich die Umsatzsteuer des Sachverständigen nach § 19 Abs.1 bis 3 UStG 1967 bemißt; in diesem Fall erhält der Sachverständige einen Ausgleich, der 4,17 v.H. seiner sonstigen Entschädigung beträgt. Die Regelung ergibt, daß der Kleinunternehmer die ihm für seine Leistungen entstehende Umsatzsteuer zwar als "Ausgleich" auf den Leistungsempfänger im Preis überwälzen darf, daß er aber den Ausgleichsbetrag nicht als "Umsatzsteuer" in Rechnung stellen darf. § 4 Abs.2 ZuSEntschG ist auf die (den Leistungsempfänger betreffende) Vorsteuerabzugsregelung des § 15 Abs.1 Nr.1 UStG 1967 zugeschnitten, die nicht zwischen korrektem Umsatzsteuerausweis eines "Regel-"Unternehmers und nach § 19 Abs.1 Satz 2 UStG 1967 unzulässigem Umsatzsteuerausweis eines "Klein-"Unternehmers unterscheidet. Wie der Senat im Beschluß in BFHE 124, 264, BStBl II 1978, 394 dargelegt hat, liefe der in § 19 Abs.1 Satz 2 UStG 1967 angeordnete Ausschluß der Kleinunternehmer von der Berechtigung zum gesonderten Steuerausweis (§ 14 Abs.1 UStG 1967) im Fall seiner Verletzung leer, wenn er nicht mit der Vorschrift des § 14 Abs.3 UStG 1967 bewehrt wäre. Diese Vorschrift soll einerseits die Einhaltung des § 19 Abs.1 Satz 2 UStG 1967 erzwingen, andererseits aber auch einen Einnahmeausfall für den Fiskus vermeiden helfen.

Ein Fall rechtsirrtümlichen oder versehentlichen gesonderten Steuerausweises bei nichtsteuerbaren oder steuerfreien Leistungen, der nach der Auslegung des Regelungsinhalts von § 14 Abs.2 und Abs.3 UStG 1967 von § 14 Abs.2 UStG 1967 erfaßt wird (Urteil vom 7.Mai 1981 V R 126/75, BFHE 133, 127, BStBl II 1981, 547), liegt nicht vor, so daß im vorliegenden Anfechtungsverfahren auf die Frage der Rechnungsberichtigung (die nach den Feststellungen des FG offenbar nicht erfolgte) nicht einzugehen ist. Ebensowenig war im vorliegenden Anfechtungsverfahren darauf einzugehen, ob eine Rechnungsberichtigung aus Billigkeitsgründen in Betracht kommt (vgl. Abschn.190 Abs.3 der Umsatzsteuer-Richtlinien).

 

Fundstellen

Haufe-Index 61690

BStBl II 1987, 581

BFHE 150, 83

BFHE 1987, 83

BB 1987, 1588

BB 1987, 1588-1589 (ST)

DB 1987, 1976-1976 (ST)

HFR 1987, 627-627 (ST)

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