Entscheidungsstichwort (Thema)

Grenzen des Sonderbetriebsvermögens II

 

Leitsatz (NV)

Sind an einer GmbH sowohl eine KG als auch deren Gesellschafter beteiligt, so gehören die GmbH-Anteile nicht zum notwendigen Sonderbetriebsvermögen II der Gesellschafter im Rahmen ihrer Kommanditbeteiligung, wenn sich die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Gesellschaften auf die bloße Beteiligung beschränken.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1, §§ 5, 15 Abs. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, hielt in den Streitjahren 98 v. H. der Anteile an der X- GmbH (GmbH). Gegenstand des Unternehmens der GmbH ist die Herstellung und der Vertrieb von ... Die Beteiligung stellte den einzigen Vermögensgegenstand der Klägerin, ihre Verwaltung deren einzige Tätigkeit dar. Die restlichen 2 v. H. der Anteile an der GmbH werden von den beiden Beigeladenen im Rahmen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gehalten. Die Beigeladenen sind an der Klägerin zu 12,5 und 16,1 v. H. als Kommanditisten beteiligt. Der Beigeladene zu 2 ist auch Gesellschafter-Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Klägerin (Y-GmbH).

In den Streitjahren nahm die GmbH Gewinnausschüttungen vor. Abweichend von den Steuererklärungen faßte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) die auf die GbR entfallenden Gewinnausschüttungen je zur Hälfte als Sonderbetriebseinnahmen und damit als Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Beigeladenen auf. Das FA gelangte zu diesem Ergebnis, weil es die Beteiligung der GbR an der GmbH als notwendiges Sonderbetriebsvermögen II der Beigeladenen im Rahmen ihrer Kommanditbeteiligungen an der Klägerin ansah. Die nach vergeblichem Einspruch erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, es fehle für die Annahme von Sonderbetriebsvermögen II an der erforderlichen wirtschaftlichen Verflechtung. Die Klägerin selbst begnüge sich wie die GbR mit dem Halten und Verwalten der GmbH- Anteile, während die GmbH Produktions- und Vertriebsgesellschaft sei. Auch eine Organschaft oder Betriebsaufspaltung sei nicht gegeben. Schließlich vermöchten die Beigeladenen auch bei Hinzurechnung der über die GbR gehaltenen GmbH-Anteile keinen stärkeren Einfluß auf die GmbH auszuüben.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA.

Das FA beantragt, das finanzgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Die Geschäftsanteile der Beigeladenen an der GmbH gehören nicht zu deren Sonderbetriebsvermögen bei der Klägerin.

1. Zum Betriebsvermögen (§ 4 Abs. 1, § 5 des Einkommensteuergesetzes -- EStG --) einer gewerblich tätigen Personengesellschaft gehören nicht nur die im Gesamthandseigentum der Mitunternehmer stehenden Wirtschaftsgüter. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zählen hierzu vielmehr auch Wirtschaftsgüter, die einem Mitunternehmer gehören, die jedoch geeignet und bestimmt sind, dem Betrieb der Personengesellschaft (Sonderbetriebsvermögen I) oder der Beteiligung des Mitunternehmers (Sonderbetriebsvermögen II) zu dienen (BFH-Urteile vom 6. Juli 1989 IV R 62/86, BFHE 157, 551, BStBl II 1989, 890, und vom 31. Oktober 1989 VIII R 374/83, BFHE 159, 434, BStBl II 1990, 677).

Im Streitfall konnten die Geschäftsanteile der Beigeladenen an der GmbH allenfalls ihrer Beteiligung an der Klägerin dienen.

2. Die Geschäftsanteile gehörten nicht zum notwendigen Sonderbetriebsvermögen II der Mitunternehmer.

a) Als Wirtschaftsgut, das der Beteiligung des Mitunternehmers dient, kommt auch die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft in Betracht. Die Eigenschaft als notwendiges Sonderbetriebsvermögen II kann sich in diesem Fall aus den Geschäftsbeziehungen zwischen der Personengesellschaft und der Kapitalgesellschaft ergeben. So ist die Beteiligung des Gesellschafters an einer GmbH, an die die Personengesellschaft ihr Anlagevermögen vermietet oder verpachtet hat (BFH-Urteil vom 14. August 1975 IV R 30/71, BFHE 117, 44, BStBl II 1976, 88; zur Betriebsaufspaltung vgl. BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 II R 226/82, BFHE 148, 72, BStBl II 1987, 99), ebenso als Sonderbetriebsvermögen angesehen worden wie die Beteiligung des Gesellschafters an einer Kapitalgesellschaft, die den Vertrieb für die Personengesellschaft übernommen hat, und die Beteiligung des Gesellschafters an einer Produktions-GmbH, für die die Personengesellschaft den Vertrieb übernommen hat (vgl. BFH-Urteile in BFHE 157, 551, BStBl II 1989, 890, und in BFHE 159, 434, BStBl II 1990, 677, jeweils m. w. N.). Dasselbe gilt für die Beteiligung von Mitunternehmern an einer Organgesellschaft, wenn zwischen dieser und der Personengesellschaft ein Organschaftsverhältnis vorliegt (BFH-Beschluß vom 24. April 1991 II B 99/90, BFHE 164, 458, BStBl II 1991, 623).

Kennzeichnend für diese Gestaltungen ist eine besonders enge wirtschaftliche Verflechtung zwischen der Personengesellschaft und der Kapitalgesellschaft derart, daß die eine Gesellschaft eine wesentliche wirtschaftliche Funktion der anderen erfüllt (BFH-Urteil vom 7. Juli 1992 VIII R 2/87, BFHE 168, 322, BStBl II 1993, 328). Eine solche Verflechtung liegt hier nicht vor. Insbesondere scheitert die Annahme einer Organschaft zwischen der Klägerin und der GmbH -- wie vom FG für den Senat bindend festgestellt --am Fehlen der wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung i. S. des § 14 Nr. 2 des Körperschaftsteuergesetzes.

Wie die obigen Beispiele zeigen, kann von der Erfüllung einer wesentlichen wirtschaftlichen Funktion nur dann gesprochen werden, wenn die Tätigkeit der GmbH die aktive gewerbliche Tätigkeit der Personengesellschaft ergänzt oder wenn die Kapitalgesellschaft aufgrund ihrer wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung in der Art einer unselbständigen Betriebsabteilung der Personengesellschaft tätig wird. Dagegen erfüllt eine Tochter-Kapitalgesellschaft eine wesentliche wirtschaftliche Funktion der Mutter-Personengesellschaft im Sinne der vorstehend wiedergegebenen Rechtsprechung nicht bereits dadurch, daß sie der Muttergesellschaft allein aufgrund deren finanzieller Beteiligung die Teilhabe an den von ihr erzielten Vermögensmehrungen ermöglicht. Die Kapitalgesellschaft wird in derartigen Fällen ausschließlich im eigenen Interesse tätig. Daß diese Tätigkeit mittelbar auch im Interesse der Kapitalgeber liegt, ist offenkundig, sagt aber nichts darüber aus, ob die Anteile bei den Anteilseignern im Betriebs- oder im Privatvermögen gehalten werden.

Die vom FA vertretene gegenteilige Auffassung würde dazu führen, daß ein Steuerpflichtiger die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft nicht teilweise im Privatvermögen und teilweise (ggf. im Rahmen einer Mitunternehmerschaft) im Betriebsvermögen halten kann. Eine solche Auffassung widerspricht indessen der Systematik des Einkommensteuergesetzes. So wird nach § 17 EStG der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die im Privatvermögen gehalten werden, nur bei Vorliegen einer wesentlichen Beteiligung der Besteuerung unterworfen. Das gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige gleichzeitig über eine gewerblich tätige oder gewerblich geprägte Personengesellschaft mittelbar an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist. Der durch die mittelbare Beteiligung bedingten größeren Einflußmöglichkeit wird dadurch Rechnung getragen, daß die mittelbare Beteiligung bei der Beantwortung der Frage, ob die Wesentlichkeitsgrenze überschritten ist, miteinbezogen wird (BFH-Beschluß vom 10. Februar 1982 I B 39/81, BFHE 135, 307, BStBl II 1982, 392; vom 10. November 1992 VIII R 40/89, BFHE 173, 17, BStBl II 1994, 222, 223, rechte Spalte). Diese Auffassung, der das Schrifttum nahezu einhellig folgt (vgl. die Nachweise in BFHE 173, 17, BStBl II 1994, 222, 223), wird auch von der Finanzverwaltung vertreten (R 140 Abs. 2 Satz 6 der Einkommensteuer-Richtlinien).

Die vom FA befürwortete Analogie zu den Regeln über die Betriebsaufspaltung kommt nicht in Betracht. Insbesondere kann die Ausstattung einer Kapitalgesellschaft mit Eigenkapital nicht mit der Überlassung wesentlicher Betriebsgrundlagen zur Nutzung gleichgesetzt werden. Die Betriebsaufspaltung ist dadurch gekennzeichnet, daß neben einer personellen auch eine sachliche Verflechtung zwischen Besitz- und Betriebsunternehmen vorliegen muß. Wäre die vom FA vertretene Auffassung richtig, würde das Erfordernis der sachlichen Verflechtung unterlaufen.

 

Fundstellen

BFH/NV 1996, 736

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