Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Anwendung des § 52 Abs. 11 EStG 1967 (Übergangsregelung zum großen Kumulierungsverbot nach § 10 Abs. 4 EStG 1967) bleiben Anträge auf Sonderausgabenabzug für Bausparbeiträge auf Grund von nach dem 8. Dezember 1966 abgeschlossenen Verträgen dann außer Betracht, wenn einem zeitlich vorher gestellten Antrag auf Sparprämie oder Wohnungsbau-Prämie der Vorrang gebührt.

2. Ist die Bausparsumme eines vor dem 9. Dezember 1966 abgeschlossenen Bausparvertrages nach dem 8. Dezember 1966 erhöht worden und ist deshalb nach dem BFH-Urteil vom 15. September 1961 VI 238/60 U (BFHE 73, 858, BStBl III 1961, 577) von zwei selbständig nebeneinander bestehenden Bausparverträgen auszugehen, so gelten die nach der Erhöhung der Bausparsumme geleisteten Beiträge solange als auf Grund des Zusatzvertrages geleistet, bis dieser prozentual das gleiche Guthaben wie der ursprüngliche Vertrag aufweist. Erst danach werden die Beiträge im Verhältnis der Bausparsummen auf beide Verträge aufgteilt.

 

Normenkette

EStG 1967 § 10 Abs. 4, § 52 Abs. 11

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erbrachte im Streitjahr Sparleistungen auf Grund folgender Verträge:

1. Sparratenvertrag vom 14. Januar 1964,

2. Bausparvertrag vom 16. November 1961 über 50 000 DM, mit Wirkung vom 7. März 1967 erhöht auf 75 000 DM (neuer bauspartechnischer Vertragsbeginn 7. August 1963), mit Wirkung vom 18. September 1968 weiter erhöht auf 100 000 DM (neuer bauspartechnischer Vertragsbeginn 18. November 1964),

3. Bausparvertrag vom 9. Dezember 1963 über 25 000 DM, mit Wirkung vom 1. März 1968 erhöht auf 40 000 DM (neuer bauspartechnischer Vertragsbeginn 1. Juni 1965).

Auf den Bausparvertrag zu 2. leistete der Kläger im Jahre 1968 Einzahlungen (einschließlich Zinsen) in Höhe von 3 639,16 DM. Die Einzahlungen auf den Bausparvertrag zu 3. betrugen (einschließlich Zinsen) 1 348,71 DM.

Gelegentlich der Anfertigung seiner Steuererklärung für 1967 hatte der Kläger sich fernmündlich bei dem Beklagten und Revisionskläger (FA) erkundigt, ob wegen der ersten Erhöhung der Bausparsumme des Bausparvertrages zu 2. nunmehr das Verbot der Kumulierung von Sparprämie und Sonderausgabenabzug eingreife. Dies wurde von seinem Gesprächspartner, einem damals beim FA in Ausbildung befindlichen Finanzanwärter, verneint. Bei der Veranlagung für 1967 wurden die vom Kläger geltend gemachten Bausparkassenbeiträge als Sonderausgaben berücksichtigt, obwohl der Kläger in der Anlage zur Einkommensteuererklärung angegeben hatte, er habe für Einzahlungen auf den Sparratenvertrag die Sparprämie beantragt. Für das Streitjahr 1968 beantragte der Kläger ebenfalls zunächst die Sparprämie für die Leistungen auf den Sparratenvertrag, die ihm auch in Höhe von 300 DM gewährt wurde. In der Einkommensteuererklärung machte der Kläger sodann die auf die beiden Bausparverträge geleisteten Beiträge von insgesamt 4 987,87 DM als Sonderausgaben geltend. Das FA versagte bei der Veranlagung den Sonderausgabenabzug unter Hinweis auf das Kumulierungsverbot und wies den dagegen gerichteten Einspruch des Klägers im wesentlichen als unbegründet zurück.

Die Klage hatte teilweise Erfolg. Das FG führte u. a. aus, nach § 10 Abs. 4 EStG i. d. F. des Steueränderungsgesetzes 1966 könnten Bausparkassenbeiträge dann nicht als Sonderausgaben abgezogen werden, wenn der Steuerpflichtige zuvor entweder eine Sparprämie nach dem Spar-Prämiengesetz (SparPG) oder eine Wohnungsbau-Prämie beantragt habe (sogenanntes Kumulierungsverbot). Nach der Übergangsregelung des § 52 Abs. 11 EStG i. d. F. des Steueränderungsgesetzes 1966 gelte dieses Kumulierungsverbot nicht für Sparleistungen, die auf Grund von vor dem 9. Dezember 1966 abgeschlossenen Verträgen geleistet werden. Der Kläger habe zwar den Sparprämienvertrag und die beiden Bausparverträge vor diesem Stichtag abgeschlossen, die Bausparsummen der Bausparverträge aber nach diesem Stichtag erhöht. Das FG teilte nicht die Auffassung des Klägers, für die Anwendung des Kumulierungsverbots sei der von der Bausparkasse auf Grund der Erhöhung neu festgesetzte bauspartechnische Vertragsbeginn maßgebend. Die Vorschrift des § 52 Abs. 11 EStG 1967 stelle vielmehr auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ab. Es folgte auch dem Urteil des erkennenden Senats vom 15. September 1961 VI 238/60 U (BFHE 73, 858, BStBl III 1961, 577), wonach die Erhöhung der Bausparsumme zum Entstehen zweier selbständig nebeneinander bestehender Verträge führe, von denen der zweite als mit dem Zeitpunkt der Erhöhung abgeschlossen gelte. Es teilt die Ausführungen in dem bezeichneten Urteil, die Vereinbarungen über die Erhöhung der Bausparsumme dürften einerseits die Begünstigung des ursprünglichen Vertrages nicht in Frage stellen, andererseits aber auch an der Begünstigung des ursprünglichen Vertrages nicht teilhaben. Hinsichtlich der Verteilung der Einzahlungen auf die beiden Verträge folge das FG nicht der in den koordinierten Ländererlassen aus dem Jahre 1965 (z. B. Erlaß des Niedersächsischen Ministers der Finanzen vom 16. Februar 1965, DStR 1965, 165) vertretenen Auffassung, wonach die nach der Erhöhung der Bausparsumme geleisteten Beiträge zunächst solange als auf den Zusatzvertrag geleistet gelten sollten, bis dieser prozentual das gleiche Guthaben aufweise wie der ursprüngliche Vertrag. In dem Erlaß würden als Anwendungsfälle für diesen Aufteilungsmodus die Berechnung des "Eineinhalbfachen" im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG, die Nachversteuerung nach § 10 Abs. 2 Nr. 2 EStG und entsprechende Tatbestände des WoPG genannt. Das FA wolle diese Regelung auch auf die Anwendung des Kumulierungsverbotes beziehen. Dieser Ansicht könne das FG aber nicht folgen. Die Aufteilung der nach einer Erhöhung der Bausparsumme erbrachten Sparleistungen sei grundsätzlich nach dem Verhältnis der ursprünglichen Bausparsumme zum Erhöhungsbetrag vorzunehmen. Es sei jedoch nicht gerechtfertigt, diese verhältnismäßige Aufteilung erst beginnen zu lassen, nachdem die Sparleistungen zunächst dem Zusatzvertrag bis zur Erreichung eines prozentual gleichen Guthabens zugerechnet worden seien. Es entspreche nicht dem tatsächlichen Verlauf der Ansparung, daß nach einer Erhöhung der Bausparsumme zunächst alle Sparleistungen dem Vertragsteil über die Erhöhungssumme zugerechnet würden und der Altteil des Vertrages stagniere. Das FG sei vielmehr der Ansicht, daß die nach einer Erhöhung der Bausparsumme erbrachten Sparleistungen von Anfang an verhältnismäßig auf Altvertrag und Zusatzvertrag aufzuteilen seien.

Gegen das FG-Urteil hat das FA Revision eingelegt mit dem Antrag, die Entscheidung des FG aufzuheben und die Einspruchsentscheidung wiederherzustellen. Zur Begründung führt es u. a. aus, wenn Vereinbarungen über die Erhöhung der Vertragssumme bei Bausparverträgen steuerlich als selbständige Verträge (Zusatzverträge) anzusehen seien, so habe das zur Folge, daß die Beiträge insoweit, als sie auf Grund von Zusatzverträgen geleistet würden, nicht mehr nach den für die Verträge in der ursprünglichen Form geltenden Vorschriften behandelt werden könnten; maßgebend seien vielmehr die Vorschriften, die im Zeitpunkt des Abschlusses des Zusatzvertrages gelten würden. Hiernach sei es nicht zulässig, die geleisteten Bausparkassenbeiträge verhältnismäßig auf den Alt- und den Zusatzvertrag (Neuvertrag) aufzuteilen; vielmehr sei grundsätzlich so zu verfahren, daß die Beiträge so aufgeteilt würden, daß alle steuerlich als Einzelverträge geltenden Verträge möglichst das gleiche Guthaben aufwiesen.

Hiernach unterlägen die Bausparkassenbeiträge, die der Kläger nach der Erhöhung der Bausparsummen auf seine beiden Bausparverträge eingezahlt habe, dem Kumulierungsverbot.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.

Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß ein Sonderausgabenabzug für die Bausparkassenbeiträge des Klägers im Streitjahr wegen der vorher beantragten Sparprämien ausgeschlossen war, wenn das durch das Steueränderungsgesetz 1966 vom 23. Dezember 1966 (BGBl I 1966, 702, BStBl I 1967, 2) eingeführte sogenannte "große Kumulierungsverbot" zum Zuge kommt, das zur jetzigen Fassung des § 10 Abs. 4 EStG geführt hat. Das gilt jedoch dann nicht, wenn die Übergangsregelung des § 52 Abs. 11 EStG i. d. F. des Steueränderungsgesetzes 1966 eingreift. Danach ist die Vorschrift des § 10 Abs. 4 EStG nicht anzuwenden, wenn die in dieser Vorschrift bezeichneten Beiträge an Bausparkassen und prämienbegünstigten Aufwendungen auf Grund von vor dem 9. Dezember 1966 abgeschlossenen Verträgen geleistet werden. § 10 Abs. 4 EStG ist jedoch anzuwenden, wenn der Steuerpflichtige einen Sonderausgabenabzug für nach dem 31. Dezember 1966 auf Grund von nach dem 8. Dezember 1966 abgeschlossenen Verträgen geleistete Beiträge an Bausparkassen beantragt hat.

Die Ansicht des FG, nach dieser Übergangsregelung gelte das Kumulierungsverbot nicht für Sparleistungen, die auf Grund von vor dem 9. Dezember 1966 abgeschlossenen Verträgen geleistet werden, kann in dieser Allgemeinheit aus § 52 Abs. 11 EStG 1967 nicht entnommen werden. Nach Satz 2 des § 52 Abs. 11 EStG 1967 gilt die übergangsweise Einschränkung des Kumulierungsverbots nur, wenn kein Sonderausgabenabzug für nach dem 31. Dezember 1966 erbrachte Sparleistungen auf Grund von nach dem 8. Dezember 1966 abgeschlossenen Verträgen beantragt wird. Das Kumulierungsverbot gilt jedoch uneingeschränkt, und zwar auch für die Aufwendungen auf Grund von vor dem 9. Dezember 1966 abgeschlossenen Verträgen, wenn (neben diesen Aufwendungen) Aufwendungen auf Grund von nach dem 8. Dezember 1966 abgeschlossenen Verträgen als Sonderausgaben geltend gemacht werden. (Ebenso Blümich-Falk, Einkommensteuergesetz, 10. Aufl., § 10 Anm. 4, S. 1413; Stäuber-Walter, Wohungsbau-Prämiengesetz, 4. Aufl., Tz. 187 und 192.) Dabei sind allerdings nach Auffassung des Senats nur solche Anträge zu berücksichtigen, die Erfolg haben, d. h. zur Gewährung der beantragten Vergünstigung (Sparprämie, Wohnungsbau-Prämie oder Sonderausgabenabzug) führen können, die also im Ergebnis wirksam sind. Für die Frage, ob das zutrifft, ist nach der Rechtsprechung des Senats die zeitliche Folge der Anträge maßgebend. So wird durch einen Sparprämienantrag ein später gestellter Antrag auf Sonderausgabenabzug von Bausparbeiträgen gegenstandslos (vgl. Urteil des Senats vom 18. August 1972 VI R 157/71, BFHE 107, 30, BStBl II 1972, 905). Das gilt nur dann nicht, wenn ein Sparprämienantrag durch den Wegfall einer gesetzlichen Voraussetzung unwirksam geworden ist, bevor das FA über den Antrag entschieden hat (Urteil des Senats vom 18. August 1972 VI R 320/70, BFHE 107, 335, BStBl II 1973, 90).

Diese Grundsätze, die zur Anwendung des sogenannten "großen Kumulierungsverbots" ergangen sind, müssen auch bei der Entscheidung angewendet werden, ob und inwieweit die Übergangsregelung zum Kumulierungsverbot gilt. Geht der Sparprämienantrag zeitlich voraus, so gebührt ihm der Vorrang; ein Sonderausgabenabzug kommt - wegen der Übergangsregelung zum Kumulierungsverbot - nur für Beiträge auf Grund von vor dem 9. Dezember 1966 abgeschlossenen Bausparverträgen in Betracht. Ein beantragter Sonderausgabenabzug für Beiträge auf Grund von später abgeschlossenen Bausparverträgen ist ausgeschlossen. Ein für solche Beiträge gestellter Antrag bleibt außer Betracht, da er in jedem Falle unwirksam ist. Anders wäre zu entscheiden, wenn ein zeitlich vor dem Sparprämien- oder Wohnungsbau-Prämienantrag gestellter Antrag auf Sonderausgabenabzug für vor und nach dem 9. Dezember 1966 abgeschlossene Bausparverträge vorliegen würde. In einem solchen Fall entfällt mit Rücksicht auf § 52 Abs. 11 Satz 2 EStG 1967 jeglicher Sonderausgabenabzug von Bausparbeiträgen, weil (wirksame) Sonderausgabenanträge auf Grund von alten und von neuen Verträgen vorliegen.

Diese Grundsätze gelten auch, wenn nicht (zivilrechtlich) ein neuer Bausparvertrag abgeschlossen, sondern die Bausparsumme eines vor dem 9. Dezember 1966 abgeschlossenen Bausparvertrages nach dem 8. Dezember 1966 erhöht worden ist. Das führt steuerlich zur Annahme von zwei selbständig nebeneinander bestehenden Verträgen (vgl. Urteil VI 238/60 U).

Im Streitfall ist der Sparprämienantrag zeitlich zuerst gestellt worden; ihm gebührt daher der Vorrang. Für die Entscheidung, ob und inwieweit trotzdem mit Rücksicht auf die Übergangsregelung zum Kumulierungsverbot ein Sonderausgabenabzug für Bausparbeiträge in Betracht kommen kann, kommt es darauf an, wie im Falle der Erhöhung der Bausparsumme die Beiträge auf Grund des (fingierten) "alten" oder des (fingierten) "neuen" Vertrages geleistet anzusehen sind. Der Senat folgt insoweit nicht der Ansicht des FG, die Verteilung sei nach dem Verhältnis der ursprünglichen Bausparsumme zum Erhöhungsbetrag vorzunehmen. Er teilt vielmehr die in den angeführten koordinierten Ländererlassen vertretene Ansicht, daß die nach der Erhöhung der Bausparsumme geleisteten Beiträge zunächst solange als auf den Zusatzvertrag geleistet zu gelten haben, bis dieser prozentual das gleiche Guthaben aufweist wie der ursprüngliche Vertrag. Ausschlaggebend ist dabei für den Senat die Überlegung, daß andernfalls dem "alten" Vertrag u. U. auch solche Beiträge zuzurechnen wären, die ohne die Erhöhung der Vertragssumme niemals geleistet worden wären, dann nämlich, wenn die Erhöhung der Bausparsumme zu einem Zeitpunkt vorgenommen wird, zu dem die Bausparsumme in der alten Höhe durch das Bausparguthaben weitgehend oder fast ganz gedeckt ist, so daß weitere Einzahlungen, weil sie weder zu Steuer- noch zu Prämienvergünstigungen führen können, praktisch nicht in Betracht kommen.

Ein Sonderausgabenabzug von Bausparbeiträgen über den vom FA anerkannten Umfang hinaus kommt hiernach nicht in Betracht. Die Vorentscheidung war hiernach aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Aus der Handhabung für das Vorjahr 1967 kann der Kläger keine Folgen zu seinen Gunsten herleiten. Ein Vertrauensschutz kommt für ihn nicht in Betracht. Aus der telefonischen Auskunft eines beim FA vorübergehend zur Ausbildung beschäftigten Finanzanwärters kann er keine Rechte herleiten. Ebensowenig ist entscheidend, daß die Veranlagung 1967 anders als die für das Streitjahr zu seinen Gunsten durchgeführt worden ist. Es gilt der Grundsatz, daß jedes Veranlagungsjahr für sich zu betrachten ist und eine Handhabung in Vorjahren das FA für kommende Jahre nicht bindet.

 

Fundstellen

BStBl II 1975, 532

BFHE 1975, 352

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