Leitsatz (amtlich)

1. Wird für eine Ware, die mit demselben Fahrzeug vom Sitz des ausländischen Lieferers bis zum Sitz des Käufers im Inland befördert wird, ein Preis „frei Grenze” in Rechnung gestellt, so schließt dies die Zollwertbemessung auf Grund der Aufteilung der ausländischen und inländischen Frachtanteile im Verhältnis der Streckenanteile nicht aus.

2. § 32 Abs. 6 ZG bzw. Art. 8 Abs. 1 ZWVO erfassen nicht nur diejenigen Fälle, in denen eine durchgehende Frachtberechnung, ein Ab-Werk- oder Frei-Haus-Preis vorliegt.

 

Normenkette

ZG § 29 Abs. 2, § 31 Abs. 1 Nrn. 2-3, § 32 Abs. 6; ZWVO Art. 8 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin ließ am 1. April 1967 beim Zollamt (ZA) am Bestimmungsort Waren aus Belgien zum freien Verkehr abfertigen. Der in Rechnung gestellte Preis „frei Grenze” war abzüglich 3 % Skonto innerhalb 8 Tagen zu zahlen. Da die Waren mit LKW ohne Umladung von der ausländischen Lieferfirma bis zum deutschen Empfänger befördert worden waren, berichtigte das ZA den Rechnungspreis gemäß § 32 Abs. 6 des Zollgesetzes (ZG), indem es die Fracht für die Auslandsstrecke auf 203 DM schätzte. Auf den Einspruch der Klägerin ermittelte das Hauptzollamt (HZA), daß vom Frachtführer für die ausländische Strecke von 250 km ein Betrag von 180 DM und für die inländische Strecke von 230 km ein Betrag von 566,40 DM, insgesamt also 746,40 DM, berechnet worden waren. Anstelle der vom ZA schätzungsweise angesetzten 203 DM für die Auslandsstrecke setzte es den Betrag von 180 DM vom Rechnungspreis ab und dem so errechneten Ab-Werk-Preis den bei der Aufteilung der gesamten Frachtkosten von 746,40 DM im Verhältnis der Streckenanteile im Ausland (250 km) und im Inland (230 km) auf die Auslandsstrecke entfallenden Frachtanteil von 388,75 DM hinzu. Das HZA gelangte auf diese Weise zu einem niedrigeren Zollwert als das ZA und ermäßigte den Abgabenbetrag in der Einspruchsentscheidung um 4.80 DM.

Die Klägerin hielt § 32 Abs. 6 ZG nicht für anwendbar, weil weder eine Ab-Werk- noch eine Frei-Haus-Lieferung vorliege. Der Frei-Grenze-Preis entspreche vielmehr § 29 Abs. 2 ZG, so daß eine Berichtigung nach § 31 Abs. 1 ZG entfalle.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es ließ die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zu.

Mit der Revision macht das HZA geltend, daß ein Rechnungspreis „frei Grenze” nur als Zollwert gelten könne, wenn er u. a. die Erfordernisse des § 29 Abs. 2 ZG erfülle. Ein solcher Normalfall liege nicht vor, wenn die Ware durchgehend mit demselben Beförderungsmittel vom ausländischen Lieferer bis zum inländischen Empfänger befördert werde. Entgegen der Auffassung des FG regle § 32 Abs. 6 ZG nicht die Aufteilung der Beförderungskosten bei „sogenannter durchgehender Frachtberechnung”. Der Wortlaut, „entstehen sowohl Frachten, die in den Zollwert einzubeziehen sind, als auch solche, die nicht einzubeziehen sind”, könne nur dahin ausgelegt werden, daß § 32 Abs. 6 ZG immer dann anzuwenden sei, wenn eine Ware mit demselben Beförderungsmittel sowohl im Ausland als auch im Inland befördert werde.

Nach Ansicht der Klägerin ist § 32 Abs. 6 ZG nicht stets anzuwenden, wenn eine Ware mit demselben Beförderungsmittel über den Einfuhrort hinaus befördert wird. Denn die Vorschrift beziehe sich auf den Normalfall des § 29 Abs. 2 ZG, wenn sie Frachten betreffe, die „sowohl in den Zollwert einzubeziehen sind, als auch solche, die nicht einzubeziehen sind”. Die Behauptung des HZA, daß die im Rechnungspreis enthaltenen Beförderungskosten bis zur Grenze zu niedrig seien, könne durch die Aufteilung der Gesamtfrachtkosten nach dem Streckenanteil nicht bewiesen werden. Es sei durchaus möglich, daß der ausländische Verkäufer höhere Frachtkosten in seinen Rechnungspreis einkalkuliert habe, als er tatsächlich zu zahlen gehabt habe. Daher könne nur die Kalkulation des Verkäufers ergeben, ob der Rechnungspreis zu niedrige Frachtkosten enthalte. Selbst wenn dies der Fall wäre, müßte noch der zusätzliche Nachweis geführt werden, daß der ausländische Verkäufer einen höheren Preis in Rechnung stelle, wenn er die Ware einem Käufer am Einfuhrort liefere.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg.

Der bei einem Verkauf erzielte Rechnungspreis kann u. a. dann als Zollwert anerkannt werden, wenn er dem üblichen Wettbewerbspreis entspricht und die Voraussetzungen des § 29 Abs. 2 ZG erfüllt (§ 31 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 ZG). Entstehen für die Beförderung der Ware mit demselben Beförderungsmittel sowohl Frachten, die in den Zollwert einzubeziehen, als auch solche, die nicht einzubeziehen sind, so sind die Frachten im Verhältnis der Streckenanteile gemäß § 32 Abs. 6 ZG aufzuteilen. Welche Frachten in den Zollwert einzubeziehen sind, ergibt sich wieder aus § 29 Abs. 2 ZG, der die Grundregel entsprechend Art. 1 Abs. 2 der Brüsseler Begriffsbestimmung des Zollwerts im Abkommen über den Zollwert von Waren vom 15. Dezember 1950 (Bundesgesetzblatt II 1952 S. 8 – BGBl II 1952, 8 –) enthält. Danach wird bei der Ermittlung des Normalpreises unterstellt, daß die Ware am Ort der Einfuhr geliefert wird und der Verkäufer alle Kosten zu tragen hat, die sich auf den Verkauf und die Lieferung der Ware bis zum Einfuhrort beziehen. Dagegen ist in § 32 Abs. 6 ZG der Sonderfall geregelt, daß die Ware über den Einfuhrort hinaus mit demselben Beförderungsmittel befördert wird. Bei einer solchen durchgehenden Beförderung ist zu berücksichtigen, daß ggf. verschiedene Frachttarife für die ausländische und die inländische Beförderung gelten und daß die auf die Entfernungseinheit entfallenden Kosten mit der Länge der Beförderungsstrecke abnehmen. Fehlt ein einheitlicher verbindlicher Beförderungstarif für den grenzüberschreitenden Verkehr oder für die Auslandsstrecke, so würde die getrennte Berechnung für die Inlandstrecke nach dem hohen Reichskraftwagentarif (RKT) und für die Auslandsstrecke nach erheblich niedriger vereinbarten Frachtsätzen zu einer Verzerrung der Kosten für die Auslandsstrecke führen und nicht die tatsächlich darauf entfallenden, in den Zollwert einzubeziehenden Kosten ergeben (s. Entscheidung des Bundesfinanzhofs – BFH – VII 14/60 U vom 17. Mai 1961, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 73 S. 354 – BFH 73, 354 –, BStBl III 1961, 394). Um besondere Frachtgestaltungen in diesen Fällen für die Bemessung nach dem Zollwert außer Betracht lassen zu können, ist daher in § 32 Abs. 6 ZG vorgeschrieben, daß die im Ausland und Inland entstandenen Frachtkosten im Verhältnis der Streckenanteile aufgeteilt werden.

Dies gilt nicht nur bei Ab-Werk-Preisen oder Frei-Haus-Preisen, sondern auch, wenn der Preis für die Ware „frei Grenze” berechnet ist. Ein solcher Preis enthält zwar bereits die ausländischen Lieferungskosten, so daß nicht mehr zu unterstellen ist, daß der Verkäufer die Lieferungskosten bis zum Einfuhrort zu tragen hat. Gleichwohl kann ein solcher Preis dann nicht dem Normalpreis entsprechen, wenn er bei durchgehender Beförderung der Ware deshalb ermäßigt worden ist, weil der Käufer einen höheren, nicht den tatsächlichen Beförderungsverhältnissen entsprechenden Frachtanteil für die Inlandsstrecke übernommen hat und der Verkäufer einen entsprechend niedrigeren Frachtanteil in seinen Preis „frei Grenze” einbeziehen kann. In einem solchen Falle enthält der Rechnungspreis nicht den gesamten auf die Auslandsstrecke tatsächlich entfallenden Frachtanteil im Sinne von § 29 Abs. 2 Nr. 2 ZG und muß daher nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 ZG berichtigt werden.

Entgegen der Ansicht der Klägerin entspricht diese Auslegung auch dem Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 803/68 des Rates der Europäischen Gemeinschaften über den Zollwert der Waren vom 27. Juni 1968 – ZWVO – (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften – ABlEG – Nr. L 148, 6; Bundeszollblatt 1968 S. 504, 739 – BZBl 1968, 504, 739 –), die ebenfalls wie § 29 ZG unmittelbar auf das Brüsseler Zollwertabkommen zurückgeht (s. Schwarz-Wockenfoth, Zollgesetz vom 14. Juni 1961 Vorbem. 30 vor § 29 ZG – 29. Lieferung 1971; Zepf, Wertverzollung, 3. Aufl., II A – Vorbem. 1,5). Danach werden im Fall der Beförderung der Ware auf die gleiche Beförderungsart über den Ort des Verbringens hinaus die Beförderungskosten im Verhältnis der Streckenanteile außerhalb und innerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft aufgeteilt. Auch diese Vorschrift regelt wie § 32 Abs. 6 ZG die besonderen Verhältnisse im Falle der durchgehenden Beförderung, also nicht nur bei durchgehender Frachtberechnung, während Art. 1 ZWVO wie § 29 ZG die Grundregeln für den Normalpreis enthält. Dadurch wird gewährleistet, daß die tatsächlich auf die Auslandsstrecke entfallenden Kosten in den Zollwert einbezogen werden und nicht etwa, wie das FG meint, „normale” oder die kalkulatorisch richtigen Kosten. Nur für den Fall, daß bei durchgehender Beförderung der Ware auf die gleiche Beförderungsart die Frachtverträge bzw. die in Rechnung gestellten Frei-Grenze-Preise im Hinblick auf die wertzollrechtlichen Folgen nicht den tatsächlichen Verhältnissen entsprechend gestaltet sind, wird es notwendig, die Gesamtfracht im Verhältnis der Streckenanteile aufzuteilen und „fiktive”, in Wirklichkeit aber die tatsächlich bei der Beförderung auf der Auslandsstrecke anfallenden Kosten zu ermitteln. Vgl. auch BFH-Entscheidung VII 75/60 U vom 30. Januar 1964, BFH 79, 76, BStBl III 1964, 259 hinsichtlich der als Frei-Grenze-Preis aufgemachten Zonenpreise.

Im Streitfall hatte der die Beförderung der Ware vom ausländischen Lieferer zum deutschen Empfänger ausführende Frachtführer nach den von der Klägerin und vom FG nicht beanstandeten Feststellungen des HZA dem ausländischen Lieferer für die im Ausland zurückgelegte Strecke von 250 km einen Frachtbetrag von nur 180 DM (= 8,86 DM/t), der Klägerin jedoch für die im Inland zurückgelegte Strecke von 230 km den Frachtbetrag von 566,40 DM berechnet. Aus dem auffallenden Mißverhältnis dieser Frachtbeträge im Hinblick auf die zurückgelegten Strecken wird offensichtlich, daß der der Klägerin in Rechnung gestellte Preis „frei Grenze” um den überhöhten Teil der nicht zum Zollwert gehörenden Inlandsfracht ermäßigt worden ist was im Ergebnis einem außergewöhnlichen Preisnachlaß gleichkommt, der wertzollrechtlich nicht zu beachten ist. Das HZA hat daher zutreffend den Rechnungspreis in der Weise berichtigt, daß es ihn um den Betrag von 180 DM verminderte und den sich aus der Aufteilung der Frachten gemäß § 32 Abs. 6 ZG ergebenden auf die ausländische Strecke entfallenden Prachtbetrag von 388,75 DM dafür hinzurechnete.

 

Fundstellen

Haufe-Index 514719

BFHE 1972, 81

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